Kommentar: "Plädoyer für die Freiheitsrechte"

Aus Freiheit statt Angst!

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Plädoyer für die Freiheitsrechte

Seit dem Verbot der Vorratsdatenspeicherung haben von Seiten der Strafverfolgungsbehörden die Rufe nach Wiedereinführung nicht abreißen wollen. Während Menschenrechtsorganisationen nach wie vor die Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme betonen, wurde in den letzten Monaten auch von Seiten der Union argumentiert, die Strafverfolgung von Internetdelikten sei nun nahezu unmöglich. Das Schreckensbild des Internets als „rechtsfreier Raum“ wurde in der politischen Debatte um die Vorratsdatenspeicherung oft an die Wand gemalt.

Nun hat das Bundeskriminalamt die Polizeiliche Kriminalstatistik für das Jahr 2009 veröffentlicht und es zeigt sich: die Zahl der gelösten Fälle steigt keineswegs durch die umstrittene Maßnahme. Fakt ist, die sechsmonatige Protokollierung aller Internetverbindungen vom 01.01.2009 bis zum Stopp der Maßnahme durch das Bundesverfassungsgericht im März 2010 schreckte weder von Straftaten ab, noch erhöhte sie die Aufklärungsrate. Während Internetdelikte zuvor bei über 80% der angezeigten Fälle aufgeklärt wurden, betrug die Aufklärungsrate 2009, als sowohl Telefon- als auch Internetverbindungen protokolliert wurden, lediglich 75,7%. Nach einer Untersuchung des Max-Planck-Instituts im Auftrag des Bundesjustizministeriums waren Abfragen von Verbindungsdaten auch ohne Vorratsdatenspeicherung in 96% aller Fälle erfolgreich. Verbindungsdaten, die für die Ermittlungen essenziell notwendig waren, fehlten laut einer Untersuchung des BKA aus dem Jahr 2005 bei einer Gesamtzahl von 6 Mio. pro Jahr begangenen Straftaten in lediglich 0,01% der Fälle.

Die Menschen leben somit durch Vorratsdatenspeicherung keineswegs sicherer, denn die Aufklärungsrate stieg entgegen der Ankündigungen nicht an. Jedoch wird durch Vorratsdatenspeicherung ein Datenberg über das Kommunikationsverhalten der Betroffenen angehäuft, der zu Missbrauch bei Datenpannen einlädt. Denn Kommunikationsdaten sind personenbezogene Daten, die Aufschluss über nahezu alle Kernbereiche der privaten Lebensgestaltung liefern. Die Entscheidung, 80 Millionen Menschen zu überwachen, in dem für sechs Monate protokolliert wird, wer mit wem wann wo telefoniert oder eine E-Mail schreibt, ist mehr als unverhältnismäßig und stellt einen schwerwiegenden Eingriff in unsere im Grundgesetz verankerten Grundrechte dar. Wenn eine derartige Maßnahme auch noch keinen nachweislichen Nutzen für die Strafverfolgung bringt, sollte klar sein, dass in Zukunft andere und vor allem effektivere Wege beschritten werden müssen, um Kriminalität im Internet zu bekämpfen. Wege, die die Freiheitsrechte der Menschen nicht mit Füßen treten.

Zahlreiche europäische Menschenrechtsorganisationen wollen diese Einschränkung ihrer Rechte nicht tatenlos hinnehmen. In einem gemeinsamen Brief haben über 100 Organisationen aus 23 europäischen Ländern die EU-Kommission aufgefordert, die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung abzuschaffen. Sie fordern Freiräume für das Recht auf unbeobachtete Kommunikation. Freiräume, die selbstverständlich sein sollten in einer Demokratie. Am 11.09. findet im daher auch in Rahmen eines internationalen Aktionstages die jährliche Demonstration „Freiheit statt Angst“ in Berlin statt, bei der sich zahlreiche Politiker und Gewerkschafsvertreter zusammen mit tausenden Menschen in Europa gegen die Wiedereinführung aussprechen und hoffentlich Gehör finden werden.

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