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Der Innenminister bläst zum Angriff auf "Frau Dr. No"

Reporter Investigative Recherche
Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sagt zu de Maizières Gesetzesvorhaben meistens Nein. Jüngstes Beispiel ist die Vorratsdatenspeicherung

Beim Berliner Symposium "Moderner Datenschutz im 21. Jahrhundert" spielte die umstrittene Vorratsdatenspeicherung nur am Rande eine Rolle. Das lag vielleicht auch daran, dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) wegen der aktuellen Terrorwarnungen (siehe auch Seite 4) nicht an dem Treffen der Datenschützer teilnahm. Er will das Thema zur Chefsache machen und Experten des Bundeskriminalamtes (BKA) anhand von spektakulären Fällen belegen lassen, dass sich durch den Stopp der Vorratsdatenspeicherung gefährliche Ermittlungslücken auftun.

Das BKA beklagt in einem von der "Welt am Sonntag" jetzt veröffentlichten Geheimpapier zur Vorratsdatenspeicherung die eigene Ohnmacht. Es kann demnach zahlreiche Verbrechen nicht aufklären, beispielsweise Morde an einem Polizisten und einem vermeintlichen Mitglied der Mafia, angedrohte Sprengstoffanschläge, die Mitgliedschaft in Terrorgruppen und Kinderpornografie im Internet (siehe Kasten). Der Grund ist laut BKA immer der gleiche: Telefon- und Internetverbindungsdaten der Täter dürfen bei den Telekommunikationsfirmen nicht abgefragt werden.

Für die Misere der Ermittler sind die Politik und das am 2. März ergangene Vorratsdaten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts verantwortlich. Die Karlsruher Richter hatten die "anlasslose" Speicherung der Daten sämtlicher Nutzer elektronischer Telekommunikationsdienste verboten. Die Branche war daraufhin verpflichtet worden, die bislang gesammelten Daten sofort zu löschen. Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, das eine EU-Richtlinie umsetzen sollte, hatten Union und SPD noch in der großen Koalition beschlossen. Dadurch waren Telekommunikationsfirmen verpflichtet worden, ab 2008 die Daten von Telefonverbindungen aller Bundesbürger und ab 2009 auch die Daten von Internetverbindungen ohne Anlass jeweils sechs Monate lang zu speichern. Ziel war es, zu protokollieren, wer mit wem per Telefon, Handy oder E-Mail in Verbindung gestanden hat.

Die schwarz-gelbe Regierung hätte längst eine verfassungskonforme Lösung finden können, weil das Verfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung nicht grundsätzlich untersagte. Doch seit einem Dreivierteljahr passiert nichts, eine Neuregelung wird durch einen erbitterten Streit zwischen dem Justiz- und Innenministerium blockiert. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger steht einer Speicherpflicht skeptisch gegenüber. Die Rechtsanwältin hatte 2007 - damals noch als FDP-Oppositionspolitikerin - selbst Verfassungsklage gegen das Gesetz eingereicht. Sie will nun die laufende Überprüfung der Richtlinie durch die EU abwarten. Zugleich bietet sie de Maizière eine Mini-Lösung an, etwa das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren. Die Telekommunikationsfirmen müssten dann lediglich bestimmte Daten auf behördliche Anordnung für kurze Zeit vorhalten. De Maizière will rasch etwas tun, aber er wirkt in dem Konflikt mit seiner Kabinettskollegin machtlos. Der CDU-Politiker kann sich bisher nicht gegen sie durchsetzen. In der FDP wird er immer mehr zur Zielscheibe. So bezeichnete der Vorsitzende der Jungen Liberalen, Lasse Becker, die Vorratsdaten-Initiative von de Maizière als "offene Frechheit". Er habe gedacht, die Koalition sei inzwischen über den Punkt hinausgekommen, mit Kampagnen gegen den Regierungspartner Politik zu machen.

Im Haus von de Maizière heißt Leutheusser-Schnarrenberger in Anspielung auf einen "James Bond"-Film nur noch "Frau Dr. No". Die Ministerin hat zwar keinen Doktortitel, sagt aber seit Monaten zu den Gesetzesvorhaben ihres Kabinettskollegen meistens Nein. Teils müsste sie diese juristisch ausfertigen, teils lediglich mitzeichnen. Erst jüngst lehnte sie schärfere Sicherheitsgesetze zur Terrorabwehr ab, die de Maizière "fachlich" für geboten hielt. Auch der Streit um die Vorratsdaten scheint festgefahren.

Eine Lösung bietet nun der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar. Er sagte der WELT beim Berliner Symposium: "Die Verfolgung schwerer Straftaten wird in einigen Fällen sicher erschwert, weil die sechsmonatige Vorratsdatenspeicherung vom Verfassungsgericht gestoppt wurde. Es ist jedoch unangemessen und voreilig, wenn das BKA gute Alternativen von vorneherein ausschließt." Schaar plädiert für einen Praxistest des Quick-Freeze-Verfahrens, das mit einer Speicherung solcher Daten für wenige Tage verbunden werden sollte. Dabei hält er es für legitim, auch bei Flatrate-Anschlüssen Verbindungsdaten vorzuhalten.

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