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Druck auf FDP De Maizière drängt erneut auf Vorratsdatenspeicherung

Die Union gibt sich zunehmend entschlossen, die Anfang des Jahres vom Bundesverfassungsgericht kassierte Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen. Die wiederholte öffentliche Forderung der Christdemokraten soll die widerspenstige FDP auf Linie bringen.
Thomas de Maizière: Der Innenminister will die Vorratsdatenspeicherung

Thomas de Maizière: Der Innenminister will die Vorratsdatenspeicherung

Foto: Markus Schreiber/ AP

Düsseldorf/Hamburg - Bundesinnenminister Thomas de Maizière will nach einem Bericht des "Handelsblatts" schnell ein neues Gesetz zur Speicherung von Verbindungsdaten auf den Weg bringen, um Straftaten im Internet besser verfolgen zu können.

Kritikern, die vor einer Datensammelwut des Staates warnen, hält der CDU-Politiker eine "verkürzte Wahrnehmung" vor: "In der öffentlichen Diskussion wird das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als klassisches Abwehrrecht gegen den Staat hochgehalten", sagte de Maizière. Tatsächlich aber gerate aus dem Blick, dass "erstens Private mehr sammeln als der Staat und dass der Staat eine Ordnungsfunktion" habe, sagte der Innenminister. Der Staat könne nur dafür sorgen, dass die geltenden Gesetze in der digitalen Welt eingehalten werden, wenn er die Möglichkeit habe, die Identität von Rechtsbrechern aufzuklären. Eine schrankenlose Anonymität könne es daher im Internet wie in der realen Welt nicht geben.

Dass der Innenminister die bekannten Argumente der Union für eine Vorratsdatenspeicherung wieder an die Öffentlichkeit bringen würde, hatte sich bereits Ende September angekündigt: Da hatte sich der Regierungs-Koalitionspartner FDP mit einem internen Papier gegen die Abhör- und Daten-Erfassungspläne des Innenministers positioniert. Auch ein Treffen mit Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte den Sach-Konflikt nicht entschärfen können. In einer internen Koalitionsrunde beschloss die Union daraufhin, den widerborstigen Koalitionspartner durch eine "öffentliche Kampagne" auf Linie drücken zu wollen, wie der SPIEGEL am 4. Oktober berichtete.

Die ist nun offenbar angelaufen. In den letzten Tagen meldeten sich nicht nur de Maizière, sondern auch Stimmen aus dem Lager der Polizei mit entsprechenden Forderungen nach einer neu geregelten Vorratsdatenspeicherung. Denn das Bundesverfassungsgericht, das die deutsche Umsetzung einer inzwischen auch auf EU-Ebene in Frage gestellten EU-Direktive im März als verfassungswidrig außer Kraft gesetzt hatte, habe die Vorratsdatenspeicherung durchaus nicht grundsätzlich verboten, argumentiert de Maizière. Das Gericht habe klar gesagt, dass die Speicherung unter bestimmten Vorgaben zulässig sei.

Verzichte der Gesetzgeber auf eine Mindestspeicherfrist von Verbindungsdaten bei den Providern, werde zum Beispiel der Kampf gegen Kinderpornografie erschwert. Die IP-Adresse eines Computers sei heute so etwas "wie das Kfz-Kennzeichen des 21. Jahrhunderts", sagte der Minister. Der heutige Freiheitsbegriff beinhalte nicht, dass man sich mit dem Auto unerkannt auf den Straßen der realen Welt bewegen könne.

Die Auto-Analogie greift allerdings nicht so ganz: Im Straßenverkehr findet eine Verdachts-unabhängige Erfassung und Archivierung von Bewegungsprofilen aller Bürger nicht statt und wäre wohl auch kaum mit geltendem Recht vereinbar. Verkehrssünder werden im Falle eines Vergehens erfasst, dagegen hätten - wenn man de Maizières Auto-Analogie auf die Datenautobahn zurückholt - auch die FDP-Kritiker der Vorratsdatenspeicherung nichts einzuwenden. Kritiker - auch aus der FDP - bemängeln an der Vorratsdatenspeicherung unter anderem, dass der Bürger mit der Archivierung seines Kommunikationsverhaltens unter Generalverdacht gestellt werde.

In den letzten Wochen hatte sich auch BKA-Chef Jörg Ziercke sowie weitere Polizei-Vertreter mehrfach zu Wort gemeldet. Ohne die Daten aus der Vorratsdatenspeicherung sei eine erfolgreiche Verfolgung von Internetdelikten nicht möglich, so der Tenor. Dem widersprechen allerdings die Zahlen aus der Kriminalstatistik des BKA für die Jahre 2008 und 2009: Sie weisen die bisher niedrigsten Aufklärungsraten in diesem Bereich auf, seit Internetvergehen statistisch erfasst werden - in den einzigen Jahren, in denen die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland durchgeführt wurde.

pat/dapd
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