Gerangel um die Vorratsdatenspeicherung dauert an

Neben Polizeivertretern mahnen Innen- und Justizminister von CDU und CSU erneut eine Neuauflage der verdachtsunabhängigen Protokollierung von Nutzerspuren an. Doch auch die Gegner bleiben hart.

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Landespolitiker von CDU und CSU haben erneut nachdrücklich eine Neuauflage der verdachtsunabhängigen Protokollierung von Nutzerspuren angemahnt. "Telekommunikationsdaten sind für eine effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr unverzichtbar", erklärte Schleswig-Holsteins Innenminister Klaus Schlie am heutigen Dienstag auf einer Fachtagung der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Kiel. Nach dem Nein des Bundesverfassungsgerichts zu dem ursprünglichen Gesetz über die Vorratsdatenspeicherung gebe es eine erhebliche Schutzlücke in der Kriminalitätsbekämpfung. Der CDU-Politiker betonte: "Das ist keine Zweckpropaganda unverbesserlicher Sicherheitsfanatiker, sondern bittere Wahrheit." Die Situation sei dramatisch.

Konkret forderte Schlie Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) auf, einen Gesetzentwurf zur Wiedereinführung einer Mindestspeicherfrist noch in diesem Jahr vorzulegen. Karlsruhe habe dazu in seinem Urteil klar den Weg gewiesen. Nach dem Richterspruch sei es erlaubt, Telekommunikationsunternehmen zu einer anlasslosen Aufbewahrung von Verbindungs- und Standortdaten zu verpflichten, "wenn bestimmte strenge Maßstäbe beachtet werden". Dabei handle es sich nicht um einen Angriff auf Bürgerrechte oder den Datenschutz. Beispielsweise im Kampf gegen die Kinderpornographie brauche die Polizei "wirksame und auf der technischen Höhe der Zeit liegende Instrumente". Wer jetzt noch mit der notwendigen Gesetzgebung warte, ignoriere "unendliches, irreparables und lebenslanges Leid traumatisierter Kinder und Jugendlicher".

Mit Anforderungen der Strafverfolger im Kampf gegen Kindesmissbrauch untermauerte parallel auch die bayerische Justizministerin Beate Merk ihr Drängen nach einer Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Andernfalls seien Fälle wie die offene Kommunikation über die Verbreitung von kinderpornographischem Material und über eine Kinderschändung in einem Chatroom im Nachhinein nicht aufzuklären. Auch der CSU-Politikerin zufolge müsste Leutheusser-Schnarrenberger die Vorgaben aus Karlsruhe "nur in ein für die Praxis taugliches Gesetz umsetzen". Zugleich machte sich Merk für eine Verschärfung des Strafrechts beim Cyber-Grooming, also der sexuell motivierten Kontaktaufnahme zu Kindern übers Internet, stark.

Ohne Vorratsdatenspeicherung seien die Täter nach einer sexuellen Kindesausbeutung später oft nicht mehr zu identifizieren, schlug auch Bernd Carstensen vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) in die gleiche Kerbe. Der GdP-Bundesvorsitzende Konrad Freiberg nahm indes "Terrorabwehr-Sicherheitslücken bei der Kontrolle von Luftfracht" angesichts von Bombenfunden in Paketen aus dem Jemen zum Anlass, für eine verfassungsfeste Vorratsdatenspeicherung zu werben. Das Bundesinnenministerium und das Justizressort müssten sich hier rasch einigen, sagte der Gewerkschaftler. Die Polizei brauche "moderne Methoden, um Terroristen frühzeitig zu identifizieren". Gegenüber dem Deutschlandfunk führte Freiberg weiter aus, dass die fehlenden Möglichkeiten zur Kommunikationsüberwachung eine verwundbare Ferse für die Terrorbekämpfung darstellten. Zugleich räumte er ein, dass die anlasslose Protokollierung der Nutzerspuren im konkreten Fall vermutlich nichts gebracht hätte.

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat dagegen seine Kampagne "EinSatz gegen Verbindungserfassung" bis zum kommenden Dienstag, dem dritten Jahrestag des Bundestagsbeschlusses zur Protokollierung von Telekommunikationsdaten, verlängert. "Die Vorratsdatenspeicherung schneidet dem Wunsch nach freien und selbstbestimmten Leben die Luft ab", führte Michael Ebeling von dem Zusammenschluss von Bürgerrechtlern und Datenschützern aus. "Unsere Aktion soll allen Menschen, die das erkennen und die wütend darüber sind, eine Stimme verleihen." Der Arbeitskreis verwies zugleich auf neue Zahlen aus anderen europäischen Staaten. So habe die polnische Regierung mitgeteilt, dass staatliche Stellen im vergangenen Jahr 1,06 Millionen mal auf Vorratsdaten zugegriffen hätten. Dies entspreche rund 3000 Abfragen täglich. Nach einer niederländischen Statistik erfasse die Vorratsdatenspeicherung jeden Holländer durchschnittlich 62 mal täglich, der Vergleichswert für Dänemark liege sogar bei "mindestens 225 mal". (jk)