Schaar verteidigt Vorstoß für "Vorratsdatenspeicherung light"

Der Bundesdatenschutzbeauftragte hält an seinen Kompromissvorschlag für eine ein- oder zweiwöchige Aufbewahrung von Verbindungsdaten zur Ermöglichung eines "Quick Freeze"-Verfahrens auch nach Kritik in den eigenen Reihen fest.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 143 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hat seinen Kompromissvorschlag für eine "Vorratsdatenspeicherung light" gegen scharfe Kritik auch aus dem eigenen politischen Lager verteidigt. "Der Druck der Sicherheitsseite ist enorm, die Vorratsdatenspeicherung doch ins Werk zu setzen", erklärte der Volkswirt auf dem Netzpolitischen Kongress der Grünen im Bundestag. Er sei kein Freund einer verdachtsunabhängigen Protokollierung von Nutzerspuren. "Aber wir müssen auch diejenigen überzeugen, die eine andere Sichtweise haben und eine sehr sinnvolle Arbeit in sehr vielen Bereichen machen", erinnerte er etwa an die Belange von Strafverfolgern und Opfervereinigungen. Gefragt seien "Lösungen für die Gesellschaft als Ganzes". Man müsse so darüber nachdenken, "ob es nicht Sinn macht, probeweise für ein oder zwei Wochen diese Daten vorzuhalten".

Die Datenschützer von Bund und Ländern hätten schon vor Jahren den aus den USA stammenden "Quick Freeze"-Ansatz als Alternative zur Vorratsdatenspeicherung vorgeschlagen, erläuterte Schaar. Das Bundesverfassungsgericht habe diesem Ansatz in seinem Urteil gegen das Gesetz zur anlasslosen Protokollierung der sogenannten Verkehrsdaten eine Absage erteilt. Die Begründung war, dass angesichts der Verbreitung von Flatrates keine Nutzerspuren zum "Einfrieren" bei konkreten Verdachtsfällen mehr vorhanden seien. In den USA sei die Ausgangslage dagegen anders, weil dort die Provider "sowieso alle Daten speicherten". Es müsse daher eine echte Möglichkeit geschaffen werden, die begehrten Verbindungsinformationen für maximal 14 Tage aufzubewahren und bei Bedarf in Auszügen für längere Zeiträume einzufrieren. Dann bestünde mehr Zeit, einen Tatverdacht zu konkretisieren und in einem solchen Fall die Daten mit Richterbeschluss abrufbar zu machen.

Von der auf der Konferenz versammelten Netzgemeinde musste sich Schaar die Schelte gefallen lassen, dass seine Gedankenspiele zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt kämen und auch inhaltlich "völlig falsch" seien. In Brüssel stehe momentan die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung auf dem Prüfstand und die EU-Kommission habe immense Schwierigkeiten, von Sicherheitsbehörden einen Nachweis für die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme zu erhalten, hieß es. Der netzpolitische Sprecher der Grünen, Konstantin von Notz, witterte die Gefahr eines "Dammbruchs, wenn man die Kiste aufschnürt". Malte Spitz, Mitglied des Bundesvorstandes der Oppositionspartei, betonte, dass nur die Abschaffung der Richtlinie und eine Abkehr von der "Speicherorgie" in Frage komme. "Datenschutz light" sei "kein gangbarer Weg".

Der von den Grünen als Bundesdatenschützer nominierte Schaar wollte sich dagegen nicht das Recht absprechen lassen, auch von der Meinung einzelner Bürgerrechtler abweichende Ansichten hegen zu dürfen. "Man kann nicht wegdiskutieren, dass das Internet als Tatmittel und Tatort eine zunehmende Rolle" spiele, betonte er. Wenn Strafverfolgung als legitimer Anspruch der Gesellschaft ermöglicht werden solle, müsse man fragen, "wie das funktionieren kann mit minimalen Ansprüchen". Nach seinem Kenntnisstand halte er es für ausgeschlossen, dass in der EU eine Mehrheit zum Kippen der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung zu organisieren sei. Schon unter den europäischen Datenschützern gelänge dies nicht. Der Damm sei also längst gebrochen und es gehe nun darum, "Inseln aufzurichten in einem Gebiet, in dem wir schon sind". Die Front der Befürworter einer anlasslosen Aufbewahrung der Nutzerspuren lasse sich nur aufbrechen, wenn man "neue Argumente" vorbringe.

Zugleich bezeichnete Schaar die Aktion "Verschollene Häuser" als "hochproblematisch", die es sich zum Ziel gesetzt habe, Widersprüche von Mietern oder Hausbesitzern gegen eine Darstellung ihrer Straßenfassaden in Google Street View zu ignorieren und Fotos ihrer Anwesen ins Netz zu stellen. Dies sei ein "Ausdruck totalitärer Gesinnung", monierte der Datenschützer. Es sei zu akzeptieren, dass die Öffentlichkeit unterschiedliche Dimensionen habe. Das Interesse von Menschen, nicht nur Gegenstand von Datenverarbeitung zu sein oder ausgeforscht zu werden, müsse gewahrt bleiben.

(ea)