Internet-Law

Onlinerecht und Bürgerrechte 2.0

13.11.10

Braucht die Polizei den Ermittlungsansatz IP-Adresse?

Habe gerade an einem Workshop des Netzpolitischen Kongresses der Grünen teilgenommen zum Thema „Die dunkle Seite des Netzes“, in dem es um Internetkriminalität ging.

Der Vertreter des BKA hat sehr anschaulich dargestellt, mit welcher Art von Fällen er in der Praxis zu tun hat, insbesondere das Phänomen des Identitätsdiebstahls wurde von ihm skizziert. Sein Kurzvortrag endete mit dem pessimistischen Ausblick, dass bald das Licht ausgehen würde, weil der Polizei der Ermittlungsansatz IP-Adresse nicht (mehr) zur Verfügung  steht.

Das führte zu deutlichem Widerspruch u.a. durch den Datenschutzbeauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern Karsten Neumann, der auch darauf hingewiesen hat, dass er die Ansicht seines Kollegen Schaar – zur Vorratsdatenspeicherung – nicht teilt.

Dass die Polizeibehörden mithilfe der Vorratsdatenspeicherung ein paar Betrugsfälle mehr aufklären können, mag sein. Primäre Fragestellung sollte aber nicht sein, was technisch möglich ist, sondern was wir rechtsstaatlich und rechtspolitisch für akzeptabel halten. Ist es gerechtfertigt, anlassunabhängig TK-Daten aller Bürger auf Vorrat zu speichern, nur weil man vielleicht einen Betrug aufklären kann, der drei Monate zurück liegt?

Nachdem die Vorratsdatenspeicherung vom Verfassungsgericht kassiert worden ist, stellen sich die damit zusammenhängenden Fragen neu. Der politische Prozess hat erneut begonnen. Und er sollte nicht primär von den Wünschen der Ermittler dominiert werden, sondern von bürgerrechtlichen Aspekten. Und am Ende muss keineswegs ein neues Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung stehen, das die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerade so einhält. Der Moderator Jerzy Montag beendete den Workshop mit den Worten, dass das Licht noch nicht ausgeht.

posted by Stadler at 18:31  

6 Comments

  1. Man sollte solche Vertreter des BKAs einfach immer wieder fragen, ob sie auch dafür sind, dass jeder Bürger nur mit einer elektronischen Fußfessel, welche per GPS die Position ermittelt und für 6 Monate zentral speichet, das Haus verlassen darf. Schließlich könnte man damit viel mehr Straftat aufklären.

    Comment by tralafiti — 13.11, 2010 @ 19:46

  2. Zur Überwachbarkeit von IPv6-Anschlüssen hat mein Kollege Jan Rischmüller vor kurzem ein paar Gedanken notiert. Da wird es wohl vor allem spannend, wie die Ausgestaltung von IPv6 bei DSL am Ende tatsächlich aussehen wird.

    Comment by Andreas Maurer — 13.11, 2010 @ 19:55

  3. @tralafiti

    Bitte noch die VBS (Vorratsbewegungsspeicherung) durch eine Black-Box im Kfz. hinzufügen und als guten Abschluss die VKS (Vorratskameraspeicherung) durch eine verplombte Kamera vor allem im Kinderzimmer…damit kann bestimmt auch Straftaten aufklären und vor allem man denke an den präventiven Effekt den so eine Überwachung hat…

    Gedanken zum Rest: http://www.heise.de/newsticker/foren/S-Herrn-Schaar-und-All/forum-189111/msg-19431516/read/

    bombjack

    Comment by bombjack — 14.11, 2010 @ 10:22

  4. @tralafiti
    Die elektronische Fußfessel existiert doch schon längst und heisst hierzulande Handy. Das Tracking übernehmen derweil unsere US-amerikanischen Freunde, die auch für die Verteilung der Daten zuständig sind.

    Comment by Wolf — 14.11, 2010 @ 11:59

  5. Handy-Ortung (IMSI-Catching) gehört zum Standardrepertoire deutscher Ermittlungsbehörden.

    Comment by Stadler — 14.11, 2010 @ 12:31

  6. Der Einsatz von IMSI-Catchern ist aber insofern zumindest ansatzweise verdachtsabhängig, dass nur Handies im „verdächtigen geographischen Umfeld“ aufgenommen werden.

    Handy-Ortung (über Feststellung der eingebuchten Zelle beim Provider) hat grundsätzlich mit IMSI-Catching nichts zu tun. Auch Echtzeit-Handy-Ortung kann zweifelhaft sein. Hier muss man die legitimen Zwecke legislativ sorgfältig festlegen.

    Aber erst mit der VDS wird aus Handy-Ortung die strikt abzulehnende Vorratsbewegungsspeicherung.

    Comment by Ein Mensch — 14.11, 2010 @ 14:26

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