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Deutschland FDP-General Lindner

"Wir werden das Land nicht den Etatisten überlassen"

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FDP-Generalsekretär Christian Lindner applaudiert Parteichef Guido Westerwelle. Lindner stärkt Westerwelle derzeit demonstrativ den Rücken
Quelle: dpa
Vor dem Dreikönigstreffen bekennt sich Christian Lindner zu Parteichef Westerwelle. Zugleich macht der Generalsekretär Druck auf die Union.

Welt Online: Herr Lindner, wir erwarten ein langweiliges Dreikönigstreffen in Stuttgart. Sie auch?

Christian Lindner: Das ist eine erfrischend nüchterne Einzelmeinung, die „Welt Online“ da vertritt. Ansonsten wird uns ja eingeredet, das historische Schicksal des politischen Liberalismus insgesamt hänge mit diesem Dreikönigstreffen oder gar nur einer einzigen Rede zusammen. Richtig ist, dass wir einen guten Aufschlag in das wichtige Wahljahr platzieren wollen. Unser Parteivorsitzender Guido Westerwelle wird eine Lagebestimmung vornehmen und unseren Kurs in der Regierung bestimmen.

Welt Online: Der Aufstand gegen Westerwelle ist schon vor der Kundgebung mangels personeller Alternativen erlahmt. Auch Nachfolgekandidaten wie Sie oder Philipp Rösler haben betont, es gebe keine Dissonanzen mit dem Chef. Also wird es so wie immer: eine Guido-Show im Staatstheater?

Lindner: Wir haben diese Personaldebatte in der Tat beendet, denn sie hat uns nur geschadet. Die FDP kann nur über gute Regierungsarbeit wieder erfolgreich werden. Dazu müssen wir Lehren aus dem vergangenen Jahr ziehen. Eine ist, den Erwartungen der Wähler von Union und FDP zu entsprechen, die uns mit einem Politikwechsel beauftragt haben. Im gemeinsamen Interesse müssen wir also in der Regierung zu ehrgeizigeren Vorhaben kommen. Dafür muss die FDP jetzt stärker Motor und Kompass werden. Wir sind in der Koalition bereit zum Kompromiss, aber eben nicht zu jedem. Es schadet auch nicht, wenn wir die Union durch programmatische Vorschläge in der Sache stärker fordern.

Welt Online: Wäre nicht eine Kabinettsumbildung das bessere Mittel? Mit dem Finanzressort könnten Sie Ihre Steuerpläne auch durchsetzen.

Lindner: Es geht um mehr als Finanzpolitik und um mehr als Köpfe. Über den Bundestag und den Koalitionsausschuss bestimmen wir alle zentralen Entscheidungen der Regierung mit. Auf unsere Initiative hin wurde ja auch das Paket für Steuervereinfachungen verändert. Ursprünglich hatte der Finanzminister nur Vereinfachungen für die Finanzverwaltung vorbereitet. Wir haben auf Bürokratieabbau für die Bürger gedrungen. Das kann nur ein Anfang sein, aber den sollen die Bürger schnell spüren.

Welt Online: Das ist eine Hoffnung: In einem Entwurf von Finanzminister Schäuble steht, dass der Großteil der Vereinfachungen erst 2012 kommen soll.

Lindner: Wir haben im Koalitionsausschuss im Beisein von Herrn Schäuble vereinbart, dass alle Teile der Vereinfachung rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft treten, wo das technisch darstellbar ist. Nach meinem ersten Eindruck ist diese Übereinkunft nicht in diesem Sinne umgesetzt worden. Unabhängig davon: Im Bundestag haben wir nur zusammen eine Mehrheit, deshalb brauchen wir einen partnerschaftlichen Umgang. Dazu gehört, dass alle drei Beteiligten einerseits ihr Profil pflegen und andererseits zu guten Lösungen beitragen. Die brauchen uns genauso wie wir sie.

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Welt Online: Schäuble will die Erhöhung des Pauschbetrages um 80 auf 1000 Euro erst 2012. Werden Sie da klare Kante zeigen und 2011 durchdrücken?

Lindner: Was technisch in 2011 umsetzbar ist, wird auch umgesetzt. Beim Pauschbetrag sagen alle Experten, das ist technisch über den Lohnsteuerjahresausgleich möglich. Also erwarte ich, dass der Minister einen entsprechenden Vorschlag macht. Wir sollten nicht jeden Tag eine neue Ankündigung machen, sondern Schritt für Schritt Ziele erreichen.

Welt Online: Und 2013 kommt die große Steuerreform? Angeblich haben die drei Parteichefs das ja fest verabredet.

Lindner: Wir wollen die Bürger an unseren Sparerfolgen beteiligen. Wenn wir die Haushaltsdisziplin verteidigen, dann können wir für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen eine Entlastung organisieren. Das sieht inzwischen auch die CSU so, und das ist der denkbar größte Kontrast zur Opposition. Die fordert von der SPD über Grüne bis zur Linken rabiate Steuererhöhungen für die Mittelschicht, um fröhlich neue Staatsausgaben zu finanzieren. Wir stehen zu unserem Ziel, bis zum Ende der Legislatur einen fairen Lastenausgleich zwischen Leistungsträgern und -empfängern herzustellen.

Welt Online: Sind die Spitzenverdiener keine Leistungsträger? Die zahlen doch die meisten Steuern, aber sollen nach ihren Plänen nicht entlastet werden.

Lindner: Natürlich sind das Leistungsträger, aber grob unfair geht der Fiskus vor allem mit den kleinen und mittleren Einkommen um. Da steigt die Steuerlast prozentual sehr viel stärker als beim Spitzensteuersatz. Deshalb liegt bei knappen Mitteln dort die Priorität. Allerdings sind wir gegen eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes, wie er sogar von manchen CDU-Ministerpräsidenten gefordert wird. Der wird heute nämlich schon von qualifizierten Facharbeitern gezahlt.

Welt Online: Die Wahlkämpfer erwarten angesichts der anstehenden Landtagswahlen schnelle Erfolge in der Regierung. Uns ist nicht klar, wie sie die erreichen wollen. Bei einem weiteren Kernanliegen der FDP, den Bürgerrechten, droht im Gegenteil die nächste Pleite: Die Union macht massiv Druck, um ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zu verabschieden.

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Lindner: Die CSU will das Thema vor ihrer Klausurtagung in Kreuth parteipolitisch nutzen. Das ist erlaubt, aber die FDP wird sich nicht zu unverhältnismäßigen Eingriffen in Bürgerrechte drängen lassen. Die Union hat mit ihrem Gesetzgebungsfuror zu verantworten, dass schon einmal ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung von Karlsruhe kassiert worden ist. Da macht die FDP in der Regierung den Unterschied. Wir halten eine anlassbezogene Datenspeicherung für fachlich sinnvoll. Eine anlasslose Vorratsdatenhaltung aber, die freie, unbescholtene Bürger unter einen Generalverdacht stellt, werden wir nicht mitmachen.

Von unseren europäischen Partnern ist nicht überliefert, dass sie mit solchen Datenfriedhöfen in der Praxis großen Erfolg hätten. CDU und CSU müssen im Blick behalten, dass sie uns für zahlreiche andere Sicherheitsgesetze brauchen werden. Denn viele Regelungen der vergangenen Jahre laufen aus und müssen evaluiert werden. Deshalb sollte uns niemand zu Gesetzen drängen, gegen die es klare verfassungsrechtliche Bedenken gibt.

Welt Online: Zumal sich der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer in rührender Weise um das Wohl von Herrn Westerwelle gesorgt und der FDP von einem Führungswechsel abgeraten hat. War das mehr als ein Lippenbekenntnis?

Lindner: Herr Seehofer muss seinen freundlichen Worten auch Taten folgen lassen und zum Gelingen der Koalition beitragen. Derzeit ist die CSU wie immer vor Kreuth der Geist, der stets verneint. Zahlreiche Vorhaben, die bereits im Koalitionsvertrag fixiert stehen, werden infrage gestellt: Vom entbürokratisierten Zuwanderungsrecht über die notwendige Neugestaltung der Pflegeversicherung bis hin zur inneren Sicherheit positioniert sich die CSU gegen Verabredungen, die sie mit CDU und FDP getroffen hat. So gewinnt die Koalition kein Vertrauen.

Welt Online: Viele in Ihrer Partei verlangen von Westerwelle bei Dreikönig die „Rede seines Lebens“. Was erwarten Sie?

Lindner: Guido Westerwelle ist einer der besten Redner der Politik. Ich halte aber nichts davon, eine einzelne Rede derart zu stilisieren. Dieser Auftritt ist ein Baustein dafür, die FDP in diesem Frühjahr wieder erfolgreich zu machen. Ein wichtiger Baustein zweifelsohne, aber nicht der alleinige.

Welt Online: Was ist, wenn die erhoffte Katharsis ausbleibt?

Lindner: Bitte keine solchen Überhöhungen. Mit Dreikönig beginnt das neue Jahr, wir werden uns positionieren, Westerwelle wird seine Prioritäten darlegen. Das zu einer Schicksalsrede hochzujazzen, davon halte ich gar nichts.

Welt Online: Sie müssen auch ans Rednerpult. Was wird denn der künftige Parteivorsitzende der FDP mitzuteilen haben?

Lindner: Das ist ein freundlicher Versuch, die Personaldebatte fortzuführen. Ich werde aber nur kurz sprechen. Unsere Landespolitiker im Wahlkampf und der Vorsitzende stehen im Mittelpunkt. Von Dreikönig an werden wir wieder intensiv das Gespräch suchen. Wir sollten den Menschen in der nächsten Zeit genau zuhören, um uns zu vergewissern, was von uns erwartet wird. Offenheit für Rückmeldungen der Bürger, Klarheit in der Sache und Konsequenz in der Umsetzung – damit können wir wieder Vertrauen gewinnen.

Welt Online: Sind Sie und Westerwelle durch die Krise enger zusammengerückt?

Lindner: Unser Verhältnis ist unverändert kollegial und vertrauensvoll. Ich habe von ihm große Freiheiten für die Programmdiskussion, ich kann wichtige Themen wie die Bildungspolitik bearbeiten. Wir haben also ein ausgezeichnetes Verhältnis, und ich will sehr gern noch lange mit ihm zusammenarbeiten.

Welt Online: Also wird 2011 wieder alles gut?

Lindner: 2011 wird eine Bewährungsprobe. Die werden wir meistern, wenn wir erklären können, warum Deutschland die FDP braucht. Nur Liberale bringen Staat und Privat in Balance, sorgen für Aufstiegschancen und ermöglichen gesellschaftlichen wie technischen Fortschritt. Für mich ist klar: Wir werden dieses Land nicht den Etatisten, Umverteilern und Fortschrittsskeptikern überlassen.

Welt Online: So wollen Sie Profil gewinnen? „Staat und Privat in Balance bringen“, das ist Konsensdeutsch. Hieß das bei der FDP nicht einmal Privat vor Staat?

Lindner: Das ist die Priorität: Der Staat darf den Bürgern nicht das abnehmen, was sie besser als er können. Also Privat vor Staat. In der Konsequenz brauchen wir eine andere Balance. Mehr Staat, wo er klare Regeln für die Wirtschaftsordnung schaffen muss. Weniger Staat, wo er bevormundet, umverteilt und private Initiativen verdrängt.

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