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Vorratsdatenspeicherung Innenminister wollen den Datenkraken

Die Innenminister sind sich einig, die Union sowieso: So schnell wie möglich wird die umstrittene Vorratsdatenspeicherung wieder eingesetzt. Kleine Korrekturen sollen Verfassungsgericht und Justizministerin beruhigen - im Grundsatz wollen sie aber speichern, was nur geht.

Vorratsdatenspeicherung

Berlin - Die ist zurück. Vorerst nur in den Köpfen der Unionspolitiker und Strafverfolger, doch die machen mit zum Teil schriller Rhetorik klar, dass ein entsprechendes Gesetz so schnell wie möglich beschlossen werden soll. Andernfalls, so die Botschaft, könnten Ermittler ihrer Arbeit angeblich kaum mehr nachkommen. Die Folge: Internet-Kriminelle hätten nahezu freie Hand.

Am Dienstag war es der neue Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der hessische Innenminister Boris Rhein (CDU), der auf eine rasche Regelung zur Vorratsspeicherung von Internet- und Telefonverbindungsdaten drängte. Derzeit gebe es eine erhebliche und gefährliche "Schutzlücke", sagte er in Wiesbaden. Dabei gehe es nicht nur um die Abwehr von Terrorgefahren, sondern auch um den Kampf gegen Kinderpornografie und Organisierte Kriminalität.

Thomas de Maizière

Die Innenminister der Länder und Bundesinnenminister (CDU) sind sich einig. Sie haben sich auf ihre Linie bereits auf ihrer Herbsttagung im November in Hamburg verständigt. Seitdem vergeht kaum eine Woche, in der nicht ein Unionspolitiker Tempo machen will bei der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung.

Alles speichern, alles wissen

Bundesverfassungsgericht

Das umstrittene Gesetz, 2007 von der schwarz-roten Koalition beschlossen, war vom im März 2010 gekippt worden. Die verdachtsunabhängige, sechs Monate lange Speicherung von sogenannten Verkehrsdaten aller Bürger - wer telefonierte wann mit wem, bei Mobiltelefonen inklusive der Funkzelle; wer schrieb wem eine E-Mail - musste trotzdem unverzüglich ausgesetzt werden. Allein die Deutsche Telekom löschte daraufhin 19 Terabyte Daten.

Das Gericht stellte aber klar, dass eine Datenspeicherung nicht grundsätzlich gegen das Grundgesetz verstoße. Die Gegner der Vorratsdatenspeicherung verweisen hingegen darauf, dass die riesige Datensammlung nicht maßgeblich zur Strafverfolgung beitrage - und stattdessen die Bürger unter Generalverdacht stelle. Hans-Jörg Albrecht vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht sagte dem SPIEGEL  anlässlich des Urteils, Vorratsdaten seien "kein unverzichtbarer Baustein einer staatlichen Anti-Terror-Strategie". Das werde schon dadurch deutlich, dass es derartige Speicherpflichten in den USA und Kanada nicht gebe. Auch sechs EU-Staaten wie Schweden und Österreich würden darauf verzichten. Spürbar schlechtere Aufklärungsquoten gebe es nicht.

In 72 Prozent der Fälle, in denen in Deutschland Vorratsdaten abgefragt worden seien, sei keiner der Verdächtigen verurteilt worden, wie Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung laut heise.de sagte . Der Verband der deutschen Internetwirtschaft (Eco), der hohe Kosten für die Speicher-Infrastruktur befürchtet, geht sogar davon aus, dass 99,95 Prozent aller Ermittlungen ohne Vorratsdatenspeicherung auskommen.

Innenminister mit Mini-Kompromiss

Die Kritiker der Vorratsdatenspeicherung bringen sich deshalb erneut in Stellung. Unter anderem warnen Ver.di, der Deutsche Anwaltverein, die Neue Richtervereinigung, die Evangelische Konferenz für Telefonseelsorge und Offene Tür, der Europäische Datenschutzbeauftragte und der Deutsche Journalisten-Verband vor einer Wiedereinführung der Überwachung.

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Formal zuständig ist aber nicht die Union - sondern FDP-Justizministerin . Sie soll möglichst schnell ein neues Gesetz zur Datensammelei präsentieren, das nicht gleich wieder vom Verfassungsgericht kassiert wird. Doch bisher sperrt sie sich gegen den Druck der Innenminister. Sie gilt als Gegnerin der Vollerfassung sämtlicher Kommunikationsdaten, hatte vor ihrer Amtszeit als Bundesministerin mit gegen die Speicherung beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingelegt.

Es muss also ein Kompromiss her, und de Maizière hat auch schon verkündet, wie dieser aussehen könnte: Die Standortdaten könne man notfalls bei der Speicherung weglassen, jene Information, in welche Funkzelle sich ein Handy gerade eingebucht hat. Wo es allerdings keinen Spielraum gebe, sei die Speicherung von Internetverbindungsdaten.

Es wäre ein Mini-Kompromiss, der die Kritiker kaum besänftigen wird.

Mit Material von dpa