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Die FDP-Files - Überzeugungen über Bord? (24.01.2011) Drucken E-Mail

Uns ist die Beschwerdeschrift zugespielt worden, mit der Frau Leutheusser-Schnarrenberger (FDP-Bundesjustizministerin), Frau Piltz (FDP-MdB), Herr Vogel (FDP-MdB), Herr Dr. Solms (FDP-MdB) und andere FDP-Größen vor drei Jahren gegen die Vorratsdatenspeicherung vor das Bundesverfassungsgericht gezogen sind. Und siehe da - die jetzt von Frau Leutheusser-Schnarrenberger vorgeschlagene flächendeckende Erfassung aller Internetverbindungen auf Vorrat wäre damals als "unverhältnismäßig" und gar als Verstoß gegen die Würde des Menschen eingestuft worden.

Der folgende Text ist wörtlich aus Aussagen der FDP-Beschwerdeschrift zusammen gestellt - und liest sich wie ein Plädoyer gegen das aktuelle "Kompromissangebot" der FDP-Bundesjustizministerin:

  • Bei Kontakten über das Internet werden die dy­namischen IP-Adressen gespeichert, unter denen der Nutzer im Netz "surft" und die es u. U. ermöglichen, die vom Nutzer im Internet aufgerufene Seite zu ermitteln. Die Neuregelung weitet auch den Umfang der bisher gespeicherten Daten erheblich aus, auf die der Staat zugreifen möchte. Dazu gehören die Telekommunikationsdaten der Internet-Dienste und die Verbindungsdaten über prepaid-Karten oder die mit einer Pauschale - Flatrate - bezahlt werden. Dabei sollen nun aber zu den zu übermittelnden Bestandsdaten auch die dynamisch auf Zeit zugeteilten IP-Adressen gehören, mit denen man die Kommunikationsverbindungen der Internetnutzer im ein­zelnen nachvollziehen kann.
  • Die angefochtene Neuregelung ist keine Kleinigkeit einer bloß geringfügigen Erweite­rung ohnehin schon bestehender Kontrollmöglichkeiten. Sie ist eine prinzipielle Ver­änderung, die weitere Folgen und Forderungen nach sich ziehen wird, wenn sie erst einmal verwirklicht worden ist. Das hat schon angefangen. So hat der Bundesrat bei der Einbringung und der Zustimmung zum Gesetz am 30. 11. 2007 auf Vorschlag sei­nes Rechtsausschusses gefordert, auch zivilrechtliche Auskunftsrechte gegenüber Internet-Providern zur Durchsetzung urheberrechtlicher Ansprüche einzuführen, eine Forderung, die die Bundesregierung wegen der „beachtlichen Gründe für bedenkens­wert“ gehalten hat. Zweifellos werden sich alsbald weitere Anliegen für eine Über­wachung und Nutzung der doch ohnehin schon gespeicherten, also verfügbaren Daten finden.
  • Der entscheidende Unterschied liegt eben darin, daß die Speicherung selbst als gegeben und [...] streitlos gestellt erscheint, sodaß dann nur noch über Details einer weiteren Anwendung der Datensammlung entschieden werden wird.
  • Der bisher in § 3 a BDSG verankerte Grundsatz, Datensammlungen möglichst zu vermeiden, wird in sein Gegenteil verkehrt. Die entscheidende Veränderung, die das angefochtene Gesetz bewirkt, liegt darin, daß jeder Einwohner als potentieller Straftäter, Gefährder oder Extremist behandelt wird. Die Neuregelung trifft jeden Nutzer der Telekommunikation, also jeden Bürger, der an ihr und damit an der Gesellschaft teilnehmen möchte, die von ihr geprägt wird.
  • Die Vorratsdatenspeicherung stellt jeden Einwohner der Republik unter potentiellen Verdacht. Sonst wäre sie sinnlos. Man legt sich einen Vorrat nicht aus Spaß an, son­dern weil man ihn nutzen will. Der Nutzer weiß bei jedem elektronisch vermittelten Kontakt mit anderen oder bei jedem Aufruf des Internet, daß seine Daten zusammen­geführt und gespeichert werden, auch wenn dafür nicht die geringste Veranlassung besteht. Er kann dieser Speicherung nicht ausweichen, ohne besondere konspirative Vorkehrungen zu treffen.
  • Die massiven öffentlichen Reaktionen auf dieses Gesetz zeigen, daß vielen Nutzern das keineswegs gleichgültig ist und ihr Kommunikationsverhalten verändern kann - und das aus guten und nachvollziehbaren Gründen. Denn niemand kann wissen, wer die Verbindungsdaten schließlich zur Kenntnis bekommt und ob sich aus den jeweili­gen privaten, beruflichen oder politischen Kontakten Schlüsse auf den Inhalt der Kom­munikation ergeben, die zu irgendwelchen nachteiligen beruflichen, politischen oder persönlichen Folgen führen könnten. Jede freie Kommunikation steht und fällt mit der Überzeugung, selbst bestimmen zu können, ob sie vertraulich bleibt oder nicht. Wenn der Staat in die Möglichkeit einer freien Kommunikation ohne zwingenden Grund ein­greift, dann zerstört er eine der wesentlichsten Grundlagen einer freien und demokra­tischen Gesellschaft.
  • Es gibt keine freie Gesellschaft ohne das Vertrauen des Bürgers in eine vertrauliche Kommunikation, bei der er weiß oder selbst bestimmen kann, wer von ihr Kenntnis erlangt. Dem Bürger muß ein Kernbereich der persönlichen Lebensführung belassen bleiben, in dem er das Recht hat und darauf vertrauen kann, von staatlicher Beobachtung, Kontrolle oder Beeinflussung frei zu sein und zu bleiben. Das gilt auch dann, wenn er kritische, unliebsame Gedanken hat und äußern will, so lange es nicht darum geht, eine konkrete Straftat vorzubereiten, zu verabreden oder zu begehen. Es ist das Wesen einer freien Gesellschaft, daß der unbefangene Austausch von Ge­danken möglich sein muß und der Bürger auf eine solche staatsfreie Kommunikation vertrauen kann. Dieses Recht wird nicht im Interesse eigenbrötlerischer Individualisten gefordert. Es ist die unverzichtbare Grundlage einer freien Gesellschaft, die ohne ein solches Recht in ihrer Gesamtheit und in ihrem Kern verändert wird.
  • Der Staat muß den seinem Schutz anvertrauten Bürger in seiner Würde ernst nehmen. Er darf ihn nicht als bloßes Objekt und nicht wie einen poten­tiellen Straftäter behandeln, als ein im Prinzip gefährliches Objekt, das unabhängig von individuellem Handeln allein schon durch seine Existenz gefährlich ist und daher vorsorglich - sozusagen auf Vorrat - überwacht und kontrolliert werden sollte.
  • Der Bürger ist nicht schon dadurch gefährlich und polizeipflichtig, daß er mit anderen Menschen kommuniziert und daß er sich dafür auch technischer Hilfsmittel bedient, eines Telefons, eines Handys oder eines Computers, den er ans Internet anschließt. In einer freien Gesellschaft können das keine Anknüpfungspunkte für staatliches Handeln und staatliche Kontrolle sein.
  • Schließlich ist die Verhältnismäßigkeit dieses Eingriffs nicht gegeben. Denn die Tiefe des Eingriffs steht in keinem Verhältnis zu dem durch ihn erzielten Nut­zen.
  • Im übrigen weise [laut Max-Planck-Institut] „die Aktenanalyse selbst unter den heutigen (d.h. den bisherigen) rechtlichen Bedingungen nur für etwa 2 % der Abfragen nach, daß sie wegen Löschungen ins Leere gehen", sich also auf Daten richteten, die vom Provider nicht oder nicht mehr benötigt wurden. Man kann aus dieser Aussage erkennen, daß sich aus einer Speicherung, die über die heute geregelte hinausgeht, kein nennenswerter zusätzlicher Gewinn für die Kriminalitätsbekämpfüng ergeben wird. 
  • Es ist zwar zutreffend, daß sich die Mittel der elektronischen Kommunikation in den letzten zwanzig Jahren dramatisch verbreitet haben und daß sie ebenso wie andere Mittel auch zur - generell und tendentiell sinkenden - Kriminalität benutzt werden. Es ist auch richtig, daß Strafverfolgungsbehörden und Polizei bei der Be­kämpfung schwerer Kriminalität die Möglichkeit haben müssen, mutmaßliche Straf­täter auch über die Nutzung der Kommunikation zu ermitteln und zu überfuhren. Aber es ist in einer freien und demokratisch verfaßten Gesellschaft undenkbar und nicht hin­nehmbar, daß jedes Kommunikationsmittel wie ein gefährliches Werkzeug überwacht und jeder Bürger, der ein solches gefährliches Werkzeug besitzt, wie ein potentieller Straftäter in seiner Kommunikation [...] vorsorglich verdatet und gespeichert wird.
  • Es verstößt gegen den rechtlichen Grundkonsens unserer Gesellschaft, wenn der Staat ohne jeden Unterschied und ohne jede äußere Veranlassung jeden Kontakt der be­schriebenen Art vorsorglich erfaßt und verdatet. Er ermittelt nicht nur "ins Blaue" hin­ein, sondern er richtet eine Infrastruktur ein, die das Vertrauen der Bürger in eine freie Kommunikation zerstört und zukünftig schon bei minimalen Veränderungen der Zu­griffsberechtigungen, der Zweckbestimmungen oder der Speicherdauer weitere maxi­male Überwachungen ermöglichen wird.
  • Das Grundrecht aus Art. 1 GG wird damit bereits durch die anlaßlose Speicherung der Kommunikationsdaten verletzt. Diese auf Dauer angelegte Regelung verstößt gegen die in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätze der Menschenwürde und eines demokratischen Rechtsstaats.

Wir rufen weiterhin dazu auf, an die FDP-Bundestagsabgeordneten telefonisch zu appellieren, ihre Überzeugungen nicht über Bord zu werfen, sondern der Wiedereinführung einer Vorratsdatenspeicherung ihre Zustimmung zu verweigern, auch der von der Bundesjustizministerin als "Kompromiss" vorgeschlagenen Internet-Vorratsdatenspeicherung. Dieser Kompromissvorschlag ist letzte Woche - dank vielfältiger Unterstützung - nur aufgeschoben, nicht aber aufgehoben worden. Bitte nimm dir daher auch heute 5 Minuten Zeit, bei deinen FDP-Bundestagsabgeordneten anzurufen, um die Vorratsspeicherung aller Internetverbindungen zu stoppen:

 
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