Merkel fordert Lösung zur Vorratsdatenspeicherung

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte beim Festakt zum 60-jährigen Bestehen der Bundespolizei schnelle Lösungen bei den Themen Vorratsdatenspeicherung, dem Umgang mit Kinderpornografie und der Luftsicherheit. Foto: dpa

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat von den Koalitionsfraktionen rasche Entscheidungen in Konfliktfeldern der inneren Sicherheit verlangt. Frankreich hat die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung derweil umgesetzt. Die Pläne der französischen Regierung gehen jedoch viel weiter als gefordert.

Es sei keine Lösung, alles "auf die lange Bank zu schieben", was einer gesetzlichen Regelung bedürfe, sagte Angela Merkel am Dienstag bei einem Festakt anlässlich des 60-jährigen Bestehens der Bundespolizei in Berlin.

Explizit nannte die Kanzlerin den Streit um die Vorratsdatenspeicherung und um die Frage, ob Kinderporno-Seiten im Internet gelöscht oder gesperrt werden sollen. Auch das Thema Luftsicherheit sei noch nicht in allen Fragen abschließend geklärt.

Merkel sagte, es gehöre zu den "spannenden" Seiten der Demokratie, dass Experten beim gleichen Sachverhalt zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kämen. "Ich mahne trotzdem an: Wir müssen hier Lösungen finden", erklärte die Kanzlerin.

Uneinigkeit zwischen FDP und Union

Bei der Frage der Speicherung von Telefon- und Internetdaten zur Kriminalitätsbekämpfung liegen Union und FDP seit langem über Kreuz. Die FDP lehnte eine anlasslose Massenspeicherung ab. Für die Internet-Sperren kinderpornografischer Seiten war unlängst ein einjähriges Moratorium abgelaufen. In der Koalition ist jedoch strittig, wie in Zukunft verfahren werden soll.

In Frankreich wurde die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung unterdessen umgesetzt. Seit dem 1. März ist eine neue Verordnung hierzu in Kraft. Erlassen wurde sie von Premierminister François Fillon.

Warum will die Polizei ein Passwort wissen?

Zu den zu speichernden Daten gehören demnach E-Mail-Adressen, Telefonnummern und IP-Adressen. Scheinbar in letzter Minute wurde diese Liste um Passwörter ergänzt. Googles oberster Datenschützer, Peter Fleischer, fragt in seinem Blog: "Warum sollte die Polizei ein Passwort wissen wollen und was würde sie damit tun?" Seine Antwort: "Ein Passwort würde ihr Zugang zu all den Dingen gewähren, die laut Datenschutzrichtlinie im Interesse der Privatsphäre von der Vorratsdatenspeicherung ausgeschlossen sind."

Einige Internetverbände und -firmen, darunter auch Google und Facebook, haben der Zeit zufolge  bereits Beschwerde gegen die Verordnung eingelegt. Auch Klagen vor dem obersten Verwaltungsgericht seien angekündigt worden. Kritisiert würden vor allem die Vieldeutigkeiten der Verordnung: Wer wann und wie speichern muss, sei zu vage formuliert. Außerdem sehen sie sich gezwungen, rechtswidrige Inhalte zu speichern.

EuGH-Entscheidung voraussichtlich 2012

Die Verhältnismäßigkeit der Vorratsdatenspeicherung wird derzeit in mehreren EU-Mitgliedsstaaten vor Gericht angefochten. Der Europäische Gerichtshof wird dazu voraussichtlich 2012 eine Entscheidung fällen.

Eine EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006 sieht vor, dass Telekommunikationsunternehmen verpflichtet werden sollen, Informationen über die Verbindungen ihrer sämtlichen Kunden aufzubewahren, um die "Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten, wie sie von jedem Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht bestimmt werden", zu erleichtern.

Deutschland setzte die Richtlinie mit Wirkung ab 2008 um. Nach einer einstweiligen Anordnung des Bundesverfassungsgerichts konnten Strafverfolger auf Vorrat gespeicherte Verbindungsdaten für Ermittlungen wegen schwerer Straftaten abrufen. Ferner konnten sie zur Aufklärung jeglicher Straftat Internetnutzer mithilfe von Vorratsdaten identifizieren lassen.

2010 hob das Bundesverfassungsgericht die deutschen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung auf, weil sie unverhältnismäßig tief in die Grundrechte eingriffen.

dto mit EURACTIV/rtr

Links

Dokumente

EU-Kommission: Viviane Reding – Your data, your rights: Safeguarding your privacy in a connected world Privacy Platform "The Review of the EU Data Protection Framework" (16. März 2011) 

Bundesregierung: Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel anlässlich des Festakts "60 Jahre Bundespolizei" (15. März 2011)

Bundesministerium der Justiz: Eckpunktepapier zur Sicherung vorhandener Verkehrsdaten und Gewährleistung von Bestandsdatenauskünften im Internet

EU: RICHTLINIE 2006/24/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES (15. März 2006)

Bundesverfassungsgericht: Konkrete Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung nicht verfassungsgemäß (2. März 2010)

Presse

Zeit: Frankreich sammelt Passwörter im Netz (16. März 2011)

Spiegel: Frankreich will Internet-Passwörter ausspähen (14. März 2011)

Blogs

netzpolitik.org: Vorratsdaten in Frankreich: Auch Passwörter werden gespeichert (12. März 2011)

Peter Fleischer: France re-writes the rules of data retention (11. März 2011)

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