Kritik an FDP-Vorstoß zu Sicherheitsgesetzen

FDP-Generalsekretär Christian Lindner hat eine Neubewertung auslaufender Anti-Terror-Gesetze im Gegenzug für die Durchsetzung der Linie der Liberalen zur Vorratsdatenspeicherung ins Spiel gebracht. Die Grünen warnen vor einer "doppelten Rolle rückwärts".

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Mit seinem Vorschlag, dass seine Partei auslaufende Sicherheitsgesetze neu bewerte, wenn sich der Koalitionspartner der Linie der Liberalen zur Vorratsdatenspeicherung öffne, hat FDP-Generalsekretär Christian Lindner Kritik in der Opposition ausgelöst. Lindner biete dem Koalitionspartner einen "faulen Deal auf Kosten der Bürgerrechte an", bemängelte Konstantin von Notz, innen- und netzpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Sowohl die von der FDP umrissene "kleine Vorratsdatenspeicherung" als auch eine Verlängerung von Anti-Terror-Bestimmungen griffen tief in die Grundrechte ein. Damit würden die Liberalen nach Ansicht des Grünen "gleich doppelt umfallen".

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion will laut Lindner offenbar das 2006 verabschiedete Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz (TBEG) mit Hilfe der FDP verlängern. Die Oppositionsfraktionen drängen hingegen auf eine unabhängige Evaluierung des TBEG und der Rechtsgrundlage für die Anti-Terror-Datei, bevor über mögliche Verlängerungen oder Aussetzungen gesprochen werden könne. Der Nachrichtenagentur Reuters hatte Lindner gesagt, die Liberalen hätten dem TBEG damals zwar nicht zugestimmt. Lindner hält es nun für möglich, die Regelungen beizubehalten, wenn sich die Union den Argumenten der FDP gegen eine umfassende verdachtsunabhängige Protokollierung von Nutzerspuren öffne. Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) habe einen Vorschlag für eine anlassbezogene Vorratsdatenspeicherung unterbreitet, der die Fahndungsmöglichkeiten deutlich verbessere.

Leutheusser-Schnarrenberger hatte sich im Januar für eine "Quick-Freeze"-Regelung zum Einfrieren von Verbindungs- und Standortdaten eingesetzt. Hierbei soll ein Richter in konkreten Verdachtsfällen entscheiden, ob Ermittler auf die Informationen zugreifen dürfen. IP-Adressen für Bestandsdatenauskünfte sollten sieben Tage aufbewahrt werden; Bürgerrechtlern, Journalistenverbänden und Providern geht das zu weit. Innenpolitiker der Union bezeichnen diese Lösung bislang als völlig unzureichend. Sie wollen ledliglich besonders sensible Bereiche wie etwa die Telefonseelsorge von der Vorratsdatenspeicherung ausnehmen.

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung sieht derweil in der jüngst veröffentlichten Kriminalstatistik Nordrhein-Westfalen (PDF-Datei) für das vergangene Jahr im Gegensatz zur Polizei Argumente gegen verdachtsunabhängiges Protokollieren von Nutzerspuren. 2010 seien nach dem Aus der Vorratsdatenspeicherung infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht nur 11,8 Prozent weniger Internetdelikte registriert worden als im Vorjahr. Gleichzeitig seien mit 64,4 Prozent auch fast zwei von drei Straftaten mit dem Merkmal "Tatort Internet" aufgeklärt worden. Damit hätten im Netz begangene Delikte auch ohne die Überwachungsmaßnahme deutlich häufiger aufgeklärt werden können als Straftaten im physikalischen Raum. Auch bei der Kinderpornographie sei die Aufklärungsquote mit 60,8 Prozent vergleichsweise hoch gewesen.

Der AK Vorrat räumte zwar ein, dass die Rate der Täterermittlung im Internet zwischen 2007 und 2010 um knapp 20 Prozent gesunken sei. Dies entspreche aber einem mittelfristigen Trend und sei nicht nachweisbar auf das "Ende der Totaldatenspeicherung" zurückzuführen. Es sei normal, dass Online-Delikte auf längere Sicht nicht häufiger aufgeklärt würden als sonstige Straftaten, bei denen die Quote in NRW 2010 49,4 Prozent betragen habe. Die FDP rief der Arbeitskreis auf, zu ihrem Wort zu stehen und "jede verdachtslose Datenspeicherung" abzulehnen. (anw)