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Politik

Innere Sicherheit entzweit die Koalition

Reporter Investigative Recherche
In der CDU wird Leutheusser-Schnarrenberger als "Sicherheitsrisiko" verspottet

Union und FDP verschärfen den Streit über die Speicherung von Telekommunikationsdaten

Bei Sicherheitsthemen kam die schwarz-gelbe Koalition schon unter Innenminister Thomas de Maizière (CDU) kaum voran. Während der CDU-Politiker aber meist moderate Töne anschlug, geht sein Nachfolger Hans-Peter Friedrich (CSU) gleich zu Beginn seiner Amtszeit auf Konfrontationskurs zum Partner FDP. Denn Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist für viele Gesetzesvorhaben zuständig, blockiert sie aber laut Friedrich. Die innere Sicherheit ist das Feld, auf dem es in der Koalition die wenigsten Gemeinsamkeiten gibt. Besonders die Kontroverse um die Speicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten auf Vorrat reißt immer tiefere Gräben.

Leutheusser-Schnarrenberger wies nun Friedrichs Forderung scharf zurück, rasch eine Mindestspeicherfrist von sechs Monaten einzuführen. "Ich habe vor Monaten einen Vorschlag auf den Tisch gelegt, der eine Alternative zu der alten anlasslosen Vorratsdatenspeicherung darstellt", sagte die FDP-Politikerin der "Welt". Nur ihr Vorschlag, der das Grundrecht schone, sei jetzt die Basis für die Verhandlungen innerhalb der Koalition. Demnach sollen die Daten lediglich bei einem "Anfangsverdacht" einer Straftat gesichert werden. Leutheusser-Schnarrenberger macht sich dabei für das kurzfristige Einfrieren ("Quick Freeze") der Daten bei den Telekomfirmen stark, was Friedrich wiederum strikt ablehnt. "Quick Freeze ist nett gemeint, bringt aber gar nichts", sagt der CSU-Mann. Man könne keine Daten einfrieren, die nicht vorhanden seien. Den Einwand, die Polizei solle schneller ermitteln, nennt der Bayer "unverfroren". Denn den Ermittlern ist es in kurzer Zeit meist nicht möglich, Straftäter den IP-Computeradressen zuzuordnen.

Leutheusser-Schnarrenberger befürchtet, dass ihr Konzept auf der EU-Ebene wegen der Position Friedrichs blockiert wird. Sie beobachtet zudem mit Interesse, dass die EU-Staaten bei der Vorratsdatenspeicherung uneinheitlich agieren. "Nachdem in Schweden ein erneuter Anlauf zur Vorratsdatenspeicherung gescheitert ist und in Tschechien die Vorratsdatenspeicherung für verfassungswidrig erklärt wurde, bleibt die europaweite Entwicklung der Vorratsdatenspeicherung spannend", sagte die Ministerin. Umso wichtiger findet sie es deshalb, dass die Bundesregierung innerhalb der EU mit einem Alternativvorschlag verhandeln kann: "Der Bundesrepublik als eines der größeren EU-Mitgliedsstaaten kommt besondere Verantwortung bei der europaweiten Überarbeitung der Vorratsdatenspeicherung zu." Aus der FDP-Fraktion ist zu hören, die Juristin werde in den "kommenden Wochen" einen Gesetzentwurf vorlegen.

Unionspolitiker halten eine Neuregelung zur Kriminalitätsbekämpfung für unerlässlich. "Die Justizministerin schützt durch ihre ideologische Blockadehaltung Pädophile und Terroristen und wird damit selber zu einem Sicherheitsrisiko in unserem Land", sagte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) dieser Zeitung. Der Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stefan Müller, wirft Leutheusser-Schnarrenberger vor, dass sie nicht verhandeln will. Deutschland dürfe aber kein Vertragsverletzungsverfahren der EU riskieren. Die Brüsseler Kommissarin Viviane Reding habe bereits erklärt, dass ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werde, falls Deutschland die Richtlinie nicht umsetzen würde.

Koalitionsstreit gibt es überdies über die "Quellen-TKÜ", mit der sich auch verschlüsselte Telekommunikationskontakte überwachen lassen. Dafür muss ein Programm auf dem PC eines Verdächtigen installiert werden. Friedrich kritisiert, dass die Polizei Internettelefonie oder Skype ohne die Maßnahme nicht abhören kann. Doch die FDP sperrt sich. Vor dem Koalitionsausschuss gestern Abend hielten Innenpolitiker von Union und FDP höchstens die Einigung auf eine Warndatei gegen Visummissbrauch für möglich, die seit mehr als einem Jahrzehnt im Gespräch ist. Diskutiert werden soll auch über die Verlängerung von Antiterrorgesetzen, die 2012 auslaufen würden. Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, glaubt nicht mehr, dass sich die Koalition zusammenrauft. "Sie bricht bald auseinander, weil sich FDP und Union so uneins sind", sagte Wendt der "Welt". Für ihn lassen sich vernünftige Sicherheitsgesetze nur in einer großen Koalition verwirklichen.

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