EU-Rat streitet über Auswertung von Flugpassagierdaten

Die Innenminister der EU-Mitgliedsstaaten konnten sich auf ihrer Sitzung in Brüssel nicht auf eine Linie beim geplanten System für Fluggastdaten einigen. Von Datenschützern und Abgeordneten kommt scharfe Kritik.

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Die Innenminister der EU-Mitgliedsstaaten konnten sich auf ihrer Sitzung in Brüssel am heutigen Montag nicht auf eine gemeinsame Linie beim geplanten System zur Speicherung und Auswertung von Fluggastdaten einigen. Es gebe noch erheblichen Gesprächsbedarf, signalisierte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) laut der Nachrichtenagentur AFP am Rande des Treffens. Besonders umkämpft sei die Initiative Großbritanniens, den Vorstoß der EU-Kommission zu verschärfen und auch innereuropäische Flüge einzubeziehen. Die Bundesregierung steht diesem Ansinnen skeptisch gegenüber. Länder wie Österreich, Luxemburg, Malta oder Slowenien unterstützen Deutschland in seiner ablehnenden Haltung.

Die Kommission will zunächst internationale Luftreisen erfassen, die aus der EU hinausgehen oder in einem Mitgliedsstaat aus dem weiter entfernten Ausland ankommen. Eine spätere Ausdehnung des Systems zur Analyse von "Passenger Name Records" (PNR) schließt die Brüsseler Regierungseinrichtung aber schon jetzt nicht aus. Die Briten wollen gleich mehrere Schritte weitergehen und die Daten etwa auch für "andere Zwecke" als die der Bekämpfung von Terrorismus und schweren Straftaten heranziehen. PNR schließen 19 Datenkategorien ein, zu denen neben Name, E-Mail-Adresse, Telefon-, Konten- und Kreditkartennummern etwa auch Essenswünsche gehören.

Gravierende Einwände gegen das Vorhaben haben Datenschützer und EU-Abgeordnete. Der Plan, künftig auch Passagiere auf innereuropäischen Routen mit dem System zu erfassen, sei "äußerst kritisch zu bewerten", sagte der Bundesbeauftragte Peter Schaar der Frankfurter Rundschau. Er halte schon den ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission für "verfassungsrechtlich bedenklich", da es sich "um eine weitere anlasslose und langfristige Vorratsdatenspeicherung" handele. Dass sich nun in Brüssel eine Mehrheit für die britische Initiative "einer noch umfänglicheren Datenspeicherung" abzeichne, bereite ihm Sorgen. Schaar betonte: "Es besteht die Gefahr, dass solche Überwachungsmechanismen zukünftig auch auf andere Verkehrsmittel ausgeweitet werden."

Der Innenexperte der Grünen im EU-Parlament, Jan Philipp Albrecht, monierte, dass die geplante Speicherung und Analyse von PNR an sich bereits "alle Dämme des freiheitlichen Rechtsstaats" breche. Großbritannien wolle nun "die Totalüberwachung des europäischen Flugverkehrs erreichen". Sowohl die geplante fünfjährige Vorratsdatenspeicherung als auch die im System angelegte Rasterfahndung nach "Risiko-Kategorien" stellten tiefe Eingriffe in die Grundrechte der Bürger dar. Die europäischen Bürgervertreter, der Bundesrat und der EU-Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx hätten bereits deutlich gemacht, dass die Notwendigkeit einer solch einschneidenden anlasslosen Überwachung in keiner Weise nachgewiesen sei.

Die "Artikel 29"-Gruppe der europäischen Datenschutzbeauftragten veröffentlichte am Montag eine Stellungnahme (PDF-Datei), in der sie kaum ein gutes Haar am Richtlinienentwurf der Kommission lässt. Schelte bezieht die Kommission von den Experten für ihren Versuch, die eigene Empfehlung aufgrund einer "Anonymisierung" der Passagierdaten nach 30 Tagen als datenschutzfreundlich darzustellen: Gespeicherte Informationen blieben weiter personenbeziehbar und nur gewisse Angaben würden "maskiert". Die Gruppe ruft die Gesetzgebungsinstanz daher auf, "nur eine akkurate Sprache zu verwenden, die nicht verwirrt und in die Irre führt". Die Datenschützer bemängeln weiter, dass die Definition "schwerer Straftaten" als Voraussetzung für einen Zugriff auf die Informationen zu weit gefasst sei. Besonders sensible Angaben müssten ihrer Ansicht nach bereits von den Fluggesellschaften aussortiert werden, nicht erst von Sammelstellen der Mitgliedsstaaten. (vbr)