Österreichs Staatsanwälte erhalten Zugriff auf User-Identitäten

Widersprüchliche Rechtsprechung: Laut Zivilrechtssenat des österreichischen OGH müssen Provider Stammdaten ihrer Kunden nicht herausgeben, ein Strafrechtssenat des OGH sieht das anders.

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Österreichische Internet-Provider müssen und dürfen Daten ihrer Kunden wie Name und Adresse (so genannten Stammdaten) nicht an die Urheberrechtsindustrie herausgeben, zumindest sofern die Kunden dynamische IP-Adressen nutzen. Dies war das Ergebnis einer Entscheidung eines zivilrechtlichen Senats des Obersten Gerichtshofs (OGH) des Landes im Jahr 2009. Ein strafrechtlicher Senat des OGH hat sich nun aber nicht der Argumentation der Zivilrechtskollegen angeschlossen und anders entschieden (15 Os 172/10y, bislang unveröffentlicht).

Laut Pressemitteilung des OGH muss nun ein Provider dem Staatsanwalt die Stammdaten von Internetnutzern mit bestimmten IP-Adressen mitteilen. Diese Nutzer sollen auf der ÖBB-Website Bahn-Fahrausweise für insgesamt rund 500 Euro online bestellt, aber nicht bezahlt haben. Eine richterliche Kontrolle der Verhältnismäßigkeit der Identitätspreisgabe ist ausdrücklich nicht vorgesehen.

Die widersprüchliche Judikatur ist kein Zufall, sondern war dem strafrechtlichen Senat bewusst. Denn der Fall war überhaupt erst durch die Generalprokuratur der Republik mit der selten genutzten Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes an den OGH herangetragen worden. Ein Gericht der zweiten Instanz hatte den Provider zur Datenherausgabe angehalten. Der Provider konnte kein Rechtsmittel mehr ergreifen, die Generalprokuratur sah aber einen Widerspruch zur geltenden Rechtslage und erhob daher Nichtigkeitsbeschwerde.

Die juristischen Argumentationen von strafrechtlichem und zivilrechtlichem Senat des OGH laufen in einem kritischen Punkt auseinander, der eigentlich nichts mit Unterschieden zwischen Straf- und Zivilrecht zu tun hat. Von eher theoretischen Ausnahmen abgesehen muss der Internet-Provider stets in seinen Log-Files Nachschau halten, um zu eruieren, wer eine bestimmte IP-Adresse genutzt hat. Um die Stammdaten ermitteln zu können, muss er also Datensätze lesen, die verraten, wer wann welche Gegenstellen im Internet kontaktiert hat. Diese Informationen werden im Juristendeutsch Verkehrsdaten genannt und sind durch das Kommunikationsgeheimnis besonders geschützt. Für die Beauskunftung von Verkehrsdaten ist unstrittig eine richterliche Genehmigung erforderlich, was für Stammdaten nicht gilt.

Allerdings müssen Verkehrsdaten nach der derzeit geltenden Rechtslage in der Regel anonymisiert oder gelöscht werden, sobald sie nicht mehr für die Nachrichtenübermittlung selbst erforderlich sind. Soweit die Daten nach anderen Bestimmungen zulässiger Weise doch gespeichert sein sollten, dürfen sie aber nur für diese anderen Zwecke verwendet werden, meinte der 4. Senat des OGH 2009.

Anders hat nun der 15. Senat entschieden. Zwar müsse der Provider die Verkehrsdaten verarbeiten, er müsse diese aber nicht bekannt geben. Sie verblieben in der Geheimnissphäre des Providers, der lediglich die Stammdaten nennen müsse. Dies kann der Staatsanwalt ohne richterliche Genehmigung anordnen.

Warum der 15. Senat eine Verletzung des Kommunikationsgeheimnisses durch den Provider für zulässig hält, geht aus der Pressemitteilung des OGH nicht hervor. Grundsätzlich soll das Kommunikationsgeheimnis nicht den Provider vor dem Staatsanwalt schützen, sondern die an der Kommunikation beteiligten Personen vor jedermann. (jk)