EU-Vorratsdatenspeicherung: Schweden droht Geldbuße

Nicht nur in Deutschland, auch in Schweden wird die umstrittene EU-Direktive nicht umgesetzt. EU-Kommissarin Malmström will ihr Heimatland jetzt dafür zur Kasse bitten.

EU-Kommissarin Malmström will Schweden nicht schonen, nur weil sie selbst von dort kommt - und sogar Kritikerin der Vorratsdatenspeicherung ist. Bild: Reuters

STOCKHOLM taz | Vierzig- bis fünfzigtausend Euro täglich, 15 bis 18 Millionen in einem Jahr – das könnte es Schweden kosten, die EU-Direktive zur Vorratsdatenspeicherung bislang noch nicht umgesetzt zu haben. Anders als beispielsweise Deutschland hat die EU-Kommission Schweden wegen dieser Weigerung bereits verklagt, und das EU-Gericht in Luxemburg konstatierte schon im vergangenen Jahr (Az. C-185/09), dass sich das Königreich Schweden deshalb eines Verstosses gegen den EU-Vertrag schuldig gemacht habe.

Seitdem war nichts weiter geschehen. Doch weil Schweden sich auch ein Jahr nach diesem Urteil immer noch "vertragsuntreu" verhält, kündigte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström die Verhängung von Geldbußen an. Alle Länder seien zur Einführung dieser von ihnen ja selbst beschlossenen Direktive verpflichtet. Daran ändere sich auch nichts, wenn die Kommission diese nun selbst teilweise für verbesserungsbedürftig ansehe: "Und ich kann für Schweden nicht deshalb eine Ausnahme machen, weil ich Schwedin bin."

Schweden spielt bei der Vorratsdatenspeicherung nicht nur wegen Malmström – als Kommissarin muss sie nun eine Direktive durchsetzen, die sie in ihrer Zeit als EU-Parlamentarierin scharf kritisert hatte - eine delikate Rolle. Die Initiative, im Rahmen der Terrorbekämpfung Telekommunikationsprovider zur Speicherung von Verbindungsdaten zu verpflichten, war nämlich nach dem Terroranschlag in Madrid 2004 vom damaligen schwedischen Justizminister Thomas Bodström im EU-Ministerrat lanciert worden. Die danach an die Macht gekommene, konservativ geführte Regierung in Stockholm weigerte sich, die von ihrer sozialdemokratischen Vorgängerin abgesegnete Direktive umzusetzen - und liess lieber zu, dass Schweden vors EU-Gericht kam.

Wenig Überzeugung, mehr Wahltaktik

Offensichtlich aber weniger aus innerer Überzeugung, wie sich mittlerweile herausstellte, denn aus wahltaktischen Überlegungen: Eine Zeit lang hatte es nämlich so ausgesehen, als ob die über die Überwachungsdebatte ins EU-Parlament gelangte schwedische Piratenpartei auch eine Chance haben könnte, in den schwedischen Reichstag gewählt zu werden. Nachdem sich diese "Sorge" als unbegründet erwiesen hatte, nahm die Regierung Reinfeldt mit der sozialdemokratischen Opposition nach den Wahlen im vergangenen Herbst neue Verhandlungen auf.

Reinfeldt einigte sich - trotz des Widerstands aus den eigenen Reihen - vor einigen Wochen mit den Sozialdemokraten darauf, die Direktive doch umzusetzen und die Telekomprovider zu einer sechsmonatigen Lagerung der Verbindungsdaten zu zwingen. Das Argument: Die aus Brüssel ansonsten drohenden Geldbussen.

Doch diese Pläne stoppte jetzt eine ungewöhnliche Oppositionskoalition. Bestehend aus Grünen, Linkspartei und den rechtspopulistischen "Schwedendemokraten". Sie erzwangen über eine spezielle parlamentarische Geschäftsordnungsvorschrift eine Vertagung der fraglichen Vorlage bis mindestens März 2012. "Ein Jahr Zeit, um die Kampagne dagegen wieder aufzufrischen", freut sich Piratenpartei-Vorsitzende Anna Troberg.

Und die Grünen-Abgeordnete Maria Ferm hofft, dass Stockholm zusammen mit den Regierungen anderer EU-Länder einen neuen Anlauf nimmt diese Direktive, die ihrer Ansicht nach gegen die EU-Menschenrechtskonvention und andere internationale Konventionen verstößt, zu kippen. Die Geldbusse? Sollte sie wirklich kommen, wäre sie, so Ferm, "ein Pappenstiel gegenüber den Kosten, die eine Umsetzung der Direktive verursachen würde".

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