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Deutschland Schwarz-gelbes Chaos

Die Justizministerin schockfrostet die Union

Politischer Korrespondent
Leutheusser-Schnarrenberger Leutheusser-Schnarrenberger
An Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) haben sich schon einige Kollegen die Zähne ausgebissen
Quelle: dapd
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger legt einen Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung vor. Der Vorschlag kann Innenminister Friedrich nur missfallen.

Es gibt nicht mehr viele Politikfelder, auf denen sich die FDP gegenüber den Unionsparteien standhaft zeigt. Ob bei der Energiewende, bei Steuer- oder Gesundheitsreform – immer mussten sich die Liberalen den Vorstellungen des größeren Regierungspartners fügen. Eine Ausnahme aber gibt es noch: die Innen- und Rechtspolitik.

Erst biss sich Innenminister Thomas de Maizière (CDU) die Zähne an der FDP-Kollegin im Justizressort aus, jetzt macht dessen Nachfolger Hans-Peter Friedrich (CSU) Bekanntschaft mit der Beharrlichkeit von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger .

Gesetzentwurf landet auf Friedrichs Schreibtisch

Von de Maizière ist überliefert, dass er nach seinem Wechsel ins Verteidigungsministerium erstaunt feststellte, wie angenehm die Zusammenarbeit mit dem liberalen Koalitionspartner doch sein kann: Mit Außenamtschef Guido Westerwelle, so ist zu hören, müsse er nun nicht mehr um jeden Halbsatz feilschen. Friedrich dagegen bekam am Donnerstagabend einen Schriftsatz auf den Schreibtisch, an dessen Inhalt ihm mehr als nur ein halber Satz missfallen wird.

Es geht um einen Gesetzentwurf aus dem Justizministerium, der den sperrigen Titel „Gesetz zur Sicherung vorhandener Verkehrsdaten und Gewährleistung von Bestandsdatenauskünften im Internet“ trägt. Dahinter verbirgt sich ein landläufig unter „Vorratsdatenspeicherung“ bekanntes Sicherheitsgesetz.

Karlsruhe kippte die alte Regelung 2010

Seit fast zwei Jahren ringen Union und FDP um die Formulierung dieser Norm, die den Sicherheitsbehörden den Zugriff auf die Telekommunikationsdaten der Bürger gewähren soll. CDU und CSU wollen die Anbieter von Telefon- und Internetdiensten verpflichten, diese Daten möglichst lange, möglichst umfangreich und ohne konkreten Anlass zu speichern – damit die Ermittler im Fall einer schweren Straftat darauf zugreifen können.

Als Grenzen akzeptiert die Union lediglich eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Im Zuge einer Massenklage von Bürgern vor dem höchsten deutschen Gericht hatte Karlsruhe die alte Regelung im März 2010 als verfassungswidrig gekippt, eine Neuregelung angemahnt und dafür Vorgaben gemacht.

Die FDP dagegen vertritt den Standpunkt, dass der Gesetzgeber nicht alles machen muss, was das Grundgesetz gerade noch hergibt. Deshalb plädiert Leutheusser-Schnarrenberger für das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren.

Menge der zu speichernden Daten soll begrenzt werden

Für dieses „Schockfrosten“ hat die Justizministerin nun einen Gesetzentwurf geschrieben, der Friedrich nach Informationen von "Welt Online“ zusammen mit einem dreiseitigen Brief der Kollegin zuging. Der Entwurf trage „wesentlichen Bedürfnissen der Strafverfolgungsbehörden angemessen Rechnung“, ist da zu lesen, begrenze aber „die Menge der zu speichernden Daten auf das notwendige Maß“.

Statt sämtliche Telekommunikationsdaten aller Bürger anlasslos aufzubewahren, würden nur die bei den Unternehmen ohnehin vorhandenen Daten gesichert („eingefroren“). Das soll auch nur dann geschehen, wenn es einen konkreten Anlass gibt, der die „Erforschung eines Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Beschuldigten“ unbedingt erforderlich macht.

Justizministerin will Systemwechsel

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Für die Union ist das eine Provokation. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hatte auf "Welt Online“ jüngst erst deutlich gemacht, was das äußerste Maß an Kompromissbereitschaft seiner Partei darstellt: Man sei bereit, die Daten nicht wie ursprünglich geplant für sechs Monate zu speichern, sondern begnüge sich mit drei Monaten.

Leutheusser-Schnarrenberger aber will einen Systemwechsel. „Die FDP lehnt es ab, dass Daten von 82 Millionen Bürgern auf Halde gelegt werden – ob das jetzt drei Monate sind oder sechs“, sagte sie "Welt Online". „Erst alles auf Vorrat speichern und dann den Datenberg durchforsten, das ist kein sinnvoller Weg.“ Es könne allein um eine anlassbezogene Speicherung für einen überschaubaren Personenkreis gehen. Nur unter dieser Prämisse sei man bereit zum Kompromiss.

"Schlechtester Innenminister"

Der ist bei der Vorratsdatenspeicherung ebenso schwer abzusehen wie bei einem weiteren Streitfall: der Verlängerung der Anti-Terror-Gesetze. Das sind Befugnisse, die den Geheimdiensten im Zuge der Anschläge des 11.September 2001 zugestanden wurden und nun Anfang 2012 auslaufen. Die Union will sie weitgehend unverändert verlängern, die FDP ist für eine strenge Überprüfung von Wirksamkeit und Notwendigkeit der Instrumente.

Für diesen Kurs erhält Leutheusser-Schnarrenberger jetzt sogar die Unterstützung der SPD. Während die Landesinnenminister der Sozialdemokraten zuletzt Sympathie für die von der Union gewünschte Verlängerung erkennen ließen, hat die Spitze der Bundestagsfraktion jetzt beigedreht. Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann forderte die Union auf, sich auf Leutheusser-Schnarrenberger zuzubewegen.

Friedrich habe in der Debatte um die Anti-Terror-Gesetzgebung „schwere handwerkliche Fehler“ begangen, sagte Oppermann: „Wenn das so weitergeht, dann könnte er der schlechteste Innenminister werden, den wir je hatten.“

Leutheusser-Schnarrenberger dagegen kann für sich in Anspruch nehmen, die einzige Ministerin der FDP zu sein, die liberales Profil nicht nur in Sonntagsreden beschwört, sondern auch in der Regierungsarbeit wirksam vertritt.

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