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AK Vorrat fordert Verbot von Staatstrojanern (21.10.2011) Drucken E-Mail

 Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) fordert die Innen- und Justizminister auf, den Einsatz von Trojanern und ähnlicher Schadsoftware durch öffentliche Stellen gesetzlich zu untersagen. Die Erkenntnisse aus den Untersuchungen des von einer ganzen Reihe von Bundesländern eingesetzten Staatstrojaners durch den Chaos Computer Club[1] zeigen, dass die vom Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Online-Durchsuchung vom 27. Februar 2008[2] gesetzten Vorgaben beim Einsatz dieser Art von Software in der Praxis offensichtlich nicht umgesetzt werden können. 

Der Trojaner war in der Lage, beliebige Programme auf dem Wirtssystem zu starten und kann somit als geeignet zur Durchführung einer heimlichen Online-Durchsuchung gewertet werden. Eine solche "Durchsuchung" ist allerdings lediglich zur Abwehr einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut zulässig und nicht zur Anwendung in einfachen Ermittlungsverfahren bestimmt. Vor ihrem Einsatz ist in jedem Fall individuell der Eingriff in das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme abzuwägen.

 Die von den Verantwortlichen angeführte Argumentation, es handele sich bei den bekannt gewordenen Maßnahmen lediglich um eine Überwachung laufender Kommunikationsinhalte, eine so genannte Quellen-TKÜ, ist angesichts des Funktionsumfanges der eingesetzten Software schwer nachvollziehbar. In einem der Fälle wurde die Maßnahme vom Landgericht Landshut bereits teilweise für rechtswidrig erklärt.[3] Hier waren u.a. tausende Screenshots angefertigt, gespeichert und ausgewertet worden.

Besonders kritisch ist bei dieser Form der Überwachung, dass zwar ggf. anhand der vorliegender Beweismittel nachgewiesen werden kann, dass Screenshots angefertigt wurden. Es gibt aber keine Möglichkeit, vollständig und revisionssicher nachzuweisen, welche weiteren Eingriffe stattgefunden haben. Mittels über die Nachlade-Funktion installierten Applikationen ist es nicht nur möglich vorhandene Daten zu verändern, sondern anschließend verdächtige Einträge aus den Log-Dateien zu entfernen. Eine mögliche Protokollierung auf Seiten der Behörden kann ebenfalls manipuliert oder bei Verwendung eines gesonderten Fernsteuersystems umgangen werden.

Die Motivation zum Einsatz eines Trojaners zur Überwachung der Kommunikation über die Anwendung Skype ist dabei in besonderem Maße fragwürdig, da der Anbieter der Software seit Jahren mit Ermittlungsbehörden kooperiert[4]. Eine vom Bundesverfassungsgericht vorgegebene Beschränkung der Überwachung auf die Inhalte laufender Kommunikation, also die Anwendung einer Quellen-TKÜ, wäre auf diesem Weg auch ohne Trojanereinsatz möglich gewesen.

Die vom Chaos Computer Club aufgedeckten eklatanten Sicherheitsmängel des Trojaners zeigen zudem auf, dass der Einsatz solcher Software die Integrität und Vertraulichkeit des betroffenen Systems auch Dritten gegenüber gefährden kann und dies in der Regel tun wird. Diese Art der Überwachung bedingt die Schaffung gewisser Sicherheitslücken – egal ob im Rahmen einer Online-Durchsuchung oder einer Quellen-TKÜ. Die Risiken und Folgen müssen dann von den Betroffenen getragen werden.

Der AK Vorrat fordert deshalb den Gesetzgeber eindringlich dazu auf, die Konsequenzen aus den bekannt gewordenen Geschehnissen zu ziehen, und den Einsatz von Schadsoftware und Spionageprogrammen durch öffentliche und insbesondere staatliche Stellen gesetzlich zu untersagen.

"Der Einbruch staatlicher Behörden in private Computer mit anschließendem Einschleusen einer Computerwanze gleich welchen Umfangs ist und bleibt genau das, was es ist: Das Eindringen in die intimste Privatsphäre von Menschen, denen noch keine Straftat nachgewiesen werden kann," sagt Michael Ebeling vom Arbeitskreis Vorratdatenspeicherung. "Der Computer ist heutzutage für viele Menschen ein Ort der Reflektion und Persönlichkeitsentwicklung geworden. Diejenigen Politiker, die derart heikle Eingriffe mit dem § 100a StPO rechtzufertigen versuchen, beschädigen das demokratische Gefüge unserer Gesellschaft und missachten die warnenden Worte des Bundesverfassungsgerichts."

 
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