Gemischte Reaktionen auf Neujustierung des Telekommunikationsmarktes

Die im Bundestag beschlossene Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) stößt in der Wirtschaft und bei Verbraucherschützern auf viel Wohlwollen, bei Datenschützern und Bürgerrechtlern auf Bedenken.

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Die am Donnerstag vom Bundestag beschlossene Novellierung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) stößt in der Wirtschaft und bei Verbraucherschützern auf viel Wohlwollen, bei Datenschützern und Bürgerrechtlern auf starke Bedenken. Vereinigungen wie der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM), der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) oder der Zusammenschluss Deutscher Kabelnetzbetreiber ANGA lobten die Regierungskoalition vor allem für ihren "Weitblick", von einer Universaldienst-Verpflichtung der Provider zum Anschluss aller Haushalte ans Breitbandnetz zunächst abgesehen zu haben.

Mit dem Ausbau der Hochgeschwindigkeitsnetze werde die neue Mobilfunkgeneration LTE nicht nur das Internet aufs Land bringen, sondern auch mittelfristig Glasfaser ins Dorf, meinte VATM-Präsident Gerd Eickers. Die LTE-Masten müssten an Hochleistungsleitungen angeschlossen werden. Das Wachstum bei den Breitbandanschlüssen ist laut einer Studie (PDF-Datei) des Verbands weiterhin positiv, habe aber nicht mehr so stark zugelegt wie in den Vorjahren.

Die Zahl der direkt geschalteten Breitbandanschlüsse werde bis zum Jahresende um 4,2 Prozent auf 27,5 Millionen steigen, geht aus der Marktanalyse hervor. Bei 66,9 Prozent davon liege die Übertragungsgeschwindigkeit aus dem Netz dann bei maximal bis zu 6 MBit/s. Der Anteil sehr schneller Leitungen mit mindestens 50 MBit/s bewege sich erst bei 1,1 Prozent. Beim Umsetzen der Regelung zur Kostenfreiheit von Warteschleifen befürchtet Eickers aber Probleme: "Durch technische Hindernisse und eine zu kurze Übergangsfrist kann es dazu kommen, dass Servicenummern nicht mehr erreichbar sind."

"Die vom Bundestag zuletzt vorgenommenen Änderungen tun dem Gesetz überwiegend gut", erklärte BREKO-Präsident Ralf Kleint. Besonders die neu geschaffenen Möglichkeiten zur Mitnutzung der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur für die Glasfaserverlegung beschleunigten den Netzausbau in Deutschland, sagte Kleint. Zudem könnten moderne Verlegetechniken wie dem "Microtrenching" zu erheblichen Kosteneinsparungen bei Glasfaserprojekten führen.

Auch der Hightech-Verband Bitkom begrüßte den Großteil der Neuerungen. "Die Gesetzesnovelle trägt dazu bei, den Ausbau schneller Breitband-Internetzugänge überall in Deutschland voranzutreiben", sagte der Geschäftsführer der Lobbyvereinigung, Bernhard Rohleder. So sollten Gas- und Stromversorger verpflichtet werden, unter bestimmten Bedingungen Leerrohre für Internetkabel zur Verfügung zu stellen.

Noch Schwächen im neuen TKG hat der Verband Deutscher Kabelnetzbetreiber ANGA ausgemacht. Besonders kritisch sieht er, dass das Kabel künftig nicht mehr zu den geschützten Frequenznutzungen zählen soll. Dies habe zur Folge, dass die Bundesnetzagentur bei der Vergabe von Frequenzen an Mobilfunkanbieter eventuell auftretende Störungen von Anwendungen in den Kabelnetzen nicht mehr berücksichtigen müsse. Beeinträchtigungen des Fernsehempfangs durch den Start des neuen Digitalradios hätten im Sommer gezeigt, wie wichtig es sei, derlei Auswirkungen schon vor Inbetriebnahme neuer Funkanwendungen zu identifizieren.

Von einer "guten Nachricht" sprach der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv), da die Abzocke bei Service-Nummern bald beendet sein werde. Der Bundestag habe dazu eine Regelung beschlossen, die sowohl erste als auch weiterleitende Warteschleifen erfasse und für Festnetz- und Mobilanrufe gleichermaßen gelte. Zudem gebe es künftig eine Ansagepflicht über die voraussichtliche Wartezeit. Für die endgültige praktische Umsetzung hätten die Anbieter zwölf Monate Zeit. Der Verein Digitale Gesellschaft vermisst eine gesetzliche Regelung, "die die Netzneutralität garantiert und dafür der Bundesnetzagentur und der Öffentlichkeit die notwendigen Instrumente an die Hand gibt". Derzeit könnten Provider "beliebig im Internet herumpfuschen".

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar bemängelte, dass die Koalition die dreimonatige Frist zum Aufbewahren von Verbindungs- und Standortdaten zur Abrechnung zwischen verschiedenen Telekommunikationsdienstleistern ohne Begründung in letzter Sekunde wieder aus dem Entwurf gestrichen habe. Der Datenschützer betonte: "Hier hätte ein Schlupfloch geschlossen werden müssen, das es Unternehmen ermöglicht, Daten sogar länger zu speichern, als es bei der Vorratsdatenspeicherung erlaubt war."

Zuvor hatte Schaar in einem Schreiben an den Wirtschaftsausschuss auch die Wiedereinführung des Wahlrechts des Kunden auf Löschung beziehungsweise verkürzte Speicherung von Verbindungsdaten nach Rechnungsstellung gefordert. Weiter hielt der Experte eine Gesetzesänderung für zwingend, um die von der E-Privacy-Richtlinie der EU geforderte aktive Einwilligung des Nutzers vor der Speicherung etwa von Cookies und anderen Informationen zum Überwachen des Nutzers zu gewährleisten.

Malte Spitz aus dem Bundesvorstand der Grünen forderte die Vorstandsvorsitzenden und Konzerndatenschutzbeauftragten bei der Deutschen Telekom, Vodafone, E-Plus und O2 in einem offenen Brief angesichts des "fatalen Formelkompromisses" von Schwarz-Gelb auf, schnellstmöglich offenzulegen, welche "Verkehrsdaten" zu Abrechnungs- oder anderen Betriebszwecken gespeichert werden. Die Mobilfunker bittet Spitz ferner zu prüfen, ob entsprechende personenbezogene Informationen gar nicht oder für kürzere Zeiträume vorgehalten werden könnten. Der Grüne hatte T-Mobile im Sommer 2009 auf Herausgabe der über ihn gespeicherten Vorratsdaten verklagt und die ausgehändigte Informationsmenge im Februar anschaulich aufbereiten lassen. (anw)