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Deutschland Vorratsdatenspeicherung

Deutschland drohen über 70 Millionen Euro Strafe

Reporter Investigative Recherche
Friedrich, Leutheusser-Schnarrenberger Friedrich, Leutheusser-Schnarrenberger
Gegenspieler in wichtiger Angelegenheit: Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU, l.) dringt auf eine rasche Regelung der Vorratsdatenspeicherung, Justizministerin Sabine Leutheuss...er-Schnarrenberger (FDP) stellt sich noch quer
Quelle: dapd/DAPD
Bis Dezember muss der Bund die Vorratsdatenspeicherung neu regeln, sonst droht eine saftige Strafe aus Brüssel. Doch Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger bremst.

Kurz vor dem Koalitionsausschuss am Sonntag bekräftigen die Innenexperten der Union in einem Brief an die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Philipp Rösler (FDP) ihre Forderung, die Vorratsdatenspeicherung rasch neu zu regeln.

Das Bundesverfassungsgericht hatte am 2. März 2010 die sechsmonatige Speicherung von Telekommunikationsdaten (Telefon, Handy, E-Mail, Internet) auf Vorrat für nichtig erklärt. Seitdem streitet Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) mit Innenminister Hans-Peter-Friedrich (CSU) über eine rechtskonforme Neuregelung.

Während die Politikerin eine vorsorgliche Datenspeicherung strikt ablehnt und das Einfrieren von Daten nur noch im konkreten Verdachtsfall zulassen will, hält Friedrich eine mehrmonatige Speicherung für dringend erforderlich.

Politiker rügen "gravierende Schutzlücke"

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) schreibt in dem Brief, der "Welt Online" vorliegt: „Sehr geehrte Frau Bundesvorsitzende, sehr geehrte Herren, als verantwortliche Innenpolitiker halten wir im Interesse der Bürgerinnen und Bürger eine kurzfristige verfassungs- und europarechtskonforme Neuregelung der Mindestspeicherungsfristen für zwingend geboten.“

Schünemann ist der Sprecher der Unions-Länderressortchefs und hat den Brief im Namen der CDU/CSU-Innenpolitiker von Bund und Ländern an die Parteichefs gerichtet.

Schünemann wird unterstützt vom Innenausschuss-Vorsitzenden im Bundestag, Wolfgang Bosbach , Unions-Fraktionsvize Günter Krings (beide CDU) sowie den CSU-Innenexperten Hans-Peter Uhl und Manfred Weber. Sie beklagen in dem Schreiben eine „gravierende Schutzlücke“ auf dem Feld der inneren Sicherheit, die nicht mehr länger hingenommen werden könne.

Wegen der fehlenden Neuregelung könnten „zahlreiche Straftaten nicht aufgeklärt werden“ – genannt werden zum Beispiel die Deliktsfelder Kinderpornografie, Organisierte Kriminalität und Terrorismusbekämpfung.

Frist läuft im Dezember aus

Nach Ansicht Schünemanns und der Innenexperten wird der Handlungsdruck dadurch erhöht, dass Leutheusser-Schnarrenberger die EU-Richtlinie aus dem Jahr 2006 zu den Mindestspeicherfristen bisher nicht umgesetzt hat.

„Mit Schreiben der Kommission vom 27. Oktober 2011 im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens wurde jüngst eine Frist von zwei Monaten gesetzt, in der die Bundesregierung detailliert darlegen muss, wie und bis wann sie ihren Verpflichtungen aus der Richtlinie nachzukommen gedenkt“, heißt es in dem Brief weiter.

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Nach Ablauf der Frist, also Ende Dezember, könne die Bundesregierung vor dem Europäischen Gerichtshof „wegen Nichtumsetzung der Richtlinie verklagt und letztendlich zu Strafzahlungen verurteilt werden“, heißt es in dem Schreiben weiter.

Der „Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung“, ein Forum der Kritiker, beziffert die Höhe einer etwaigen Geldbuße auf 86 Cent pro Bürger – Deutschland müsste dann 70,5 Millionen Euro an die EU zahlen.

Keine Eile bei der Neuregelung

Die EU-Kommissarin für Innenpolitik, Anna Cecilia Malmström, hatte Leutheusser-Schnarrenberger im Juni ermahnt, bis Mitte August genau zu erklären, wie sie die EU-Richtlinie in deutsches Recht übertragen will. Den Vorschlag der Justizministerin, Daten mittels „Quick-Freeze-Verfahren“ kurzfristig einzufrieren, sieht ihre schwedische liberale Parteikollegin „nicht als hinreichende Umsetzung“ an.

Am 15. August antwortete die Bundesregierung Malmström, dass die Beratungen in Deutschland noch andauern würden.

Bei der Speicherfrist ist die Union kompromissbereit, drei Monate fände sie noch akzeptabel, wenn sich dafür auf EU-Ebene eine Mehrheit fände. Doch Leutheusser-Schnarrenberger, die 2007 als FDP-Oppositionspolitikerin beim Verfassungsgericht gegen die Vorratsdatenspeicherung geklagt hatte, legt bei der Neureglung keine Eile an den Tag.

Nach Informationen von "Welt Online" sagte sie eine am 25. Oktober vorgemerkte Runde mit Friedrich und den Staatssekretären beider Häuser aus terminlichen Gründen ab. Der Innenminister hätte sich damals gern mit ihr über das weitere Vorgehen bei der Vorratsdatenspeicherung abgestimmt.

"Zweifel an der Sinnhaftigkeit"

Friedrich erhält von der Kanzlerin Schützenhilfe. Sie hatte die Datenspeicherung im Rahmen der Innenministerkonferenz (IMK) im Juni mit den 16 Ressortchefs der Länder besprochen. Damals herrschte große Einigkeit, dass kurzfristig ein großer Handlungsbedarf besteht – sowohl aus sicherheitspolitischen als auch aus europarechtlichen Gründen.

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Auf der Konferenz war die FDP allerdings nicht vertreten, weil sie momentan keinen Innenminister in den Ländern stellt. FDP-Chef Philipp Rösler trägt bislang Leutheussers Linie mit.

Möglicherweise kann er dabei auch auf Seehofer zählen: Der CSU-Vorsitzende soll zum Leidwesen der Unions-Innenexperten „Zweifel an der Sinnhaftigkeit“ der Vorratsdatenspeicherung geäußert haben.

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