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In Mexiko hatte sich ein Drogenkartell ein eigenes Mobilfunknetz aufgebaut

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Ein mexikanisches Narco-Kartell liefert derzeit auf eindrucksvolle Weise einen Beleg dafür, warum so etwas wie Vorratsdatenspeicherung nicht gegen das Organisierte Verbrechen hilft, sondern höchstens gegen Alltagsdelikte: Nach Angaben des mexikanischen Verteidigungsministeriums betrieb es nämlich in den vier nordöstlichen Bundesstaaten Tamaulipas, Nuevo Leon, Coahuila und San Luis Potosi ein eigenes Mobilfunknetz zur verschlüsselten Kommunikation, mit dem es Abhöranstrengungen der Regierung wirksam umging.

Dem Verteidigungsministerium zufolge beschlagnahmten Spezialkommandos im Rahmen der Operacion Noreste auf anonyme Mitteilungen aus der Bevölkerung hin insgesamt 167 Funkmasten, 166 dazugehörige Energieversorgungseinheiten, 155 Verstärker sowie über 4.000 Sende- und Empfangsgeräte. Die Masten wurden mit Batterien und Photovoltaikanlagen versorgt, weshalb sie vom Stromnetz unabhängig waren und im Gebirge oder auf Bäumen platziert werden konnten, wo man sie durch einen Tarnanstrich vom Hubschrauber aus nicht erkannte.

Mobilfunkantenne. Foto: Dori. Lizenz: Public Domain.

Dazu, welches Kartell das Mobilfunknetz konkret betrieb, schweigen die Behörden. US-amerikanischen Medienberichten nach handelt es sich wahrscheinlich um die berüchtigten Zetas, die in allen vier Bundesstaaten eine wichtige Rolle spielen. Das Kartell entstand aus Regierungssoldaten aus Mexiko und Guatemala, die erst für das Golf-Kartell arbeiteten und sich später unter der Führung von Heriberto Lazcano selbständig machten. Mittlerweile gelten die Zetas als dasjenige lateinamerikanische Verbrechersyndikat, das am straffsten organisiert, am besten ausgerüstet und am grausamsten ist.

Die Entdeckung des Narco-Mobilfunknetzes war bis jetzt eher in den USA und im Internet als in der mexikanischen Presse ein Thema. Das dürfte auch daran liegen, dass Medien in dem lateinamerikanischen Land die Gewalt der Narcos fürchten. Seit September bedrohen mexikanische Narcos auch Personen, die online Informationen über sie veröffentlichen.

Im Oktober entführte das Zetas-Kartell angeblich ein in der Stadt Vera Cruz beheimatetes Mitglied der Hackergruppe Anonymous, worauf hin diese mit der Veröffentlichung der Namen von Personen aus Politik, Polizei und Wirtschaft drohte, die heimlich für das Drogenkartell arbeiten. Als Beweismaterial für diese Verbindungen wollte die Hackergruppe unter anderem Fotos und Emails frei zugänglich machen. Der sehr rätselhafte Fall, den weder mexikanische Behörden, noch andere Anonymous-Gruppen bestätigen wollten, soll im November mit der Freilassung des Gekidnappten geendet haben, dessen Identität unklar ist.

Dass Anonymous tatsächlich über Informationen zu Verbindungen von Amt- und Würdenträgern in die Kartelle verfügt, wäre durchaus möglich: Auch in Schwellenländern kommuniziert das Organisierte Verbrechen - wie man am mutmaßlichen Zetas-Mobilfunknetz sieht - heute mittels elektronischer Hilfen. Und diese Kommunikation hinterlässt Spuren, auf die Hacker potenziell besser als Behörden zugreifen können.

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