Falschmeldung: „1000 Fälle ohne Vorratsdaten nicht aufgeklärt“

Ähnlich dem Bundeskriminalamt erstellt auch das dem niedersächsischen Innenminister Schünemann (CDU) unterstellte Niedersächsische Landeskriminalamt Statistiken, welche einen Bedarf nach einer verdachtslosen Vorratsspeicherung aller Verbindungsdaten belegen sollen. Das LKA behauptet gegenüber der Presse, mangels Vorratsdatenspeicherung hätten in Niedersachsen seit Juli 2010 fast 1000 Straftaten nicht aufgeklärt werden können.

Ich habe dem LKA dazu heute einen Brief geschrieben:

Landeskriminalamt Niedersachsen
Am Waterlooplatz 11
30169 Hannover

04.01.12

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach Angaben des Landeskriminalamts gegenüber Medien hätten in Niedersachsen seit Juli 2010 fast 1.000 Straftaten mangels einer verdachtslosen Vorratsspeicherung aller Telekommunikationsdaten nicht aufgeklärt werden können. Seit Mitte 2010 seien in 560 Ermittlungsverfahren angeforderte Verkehrsdaten bereits gelöscht gewesen; in weiteren 640 Verfahren sei von vornherein auf Anfragen verzichtet worden.

Nach unserer Auffassung bedarf es weiterer Informationen, bevor aus diesen Zahlen ein Zusammenhang zu der Nichtigerklärung der verfassungswidrigen Regelung zur Vorratsdatenspeicherung abgeleitet werden kann.[1] Wir fragen daher:

  1. In wie vielen der Ermittlungsverfahren, in denen Telekommunikationsanbieter seit dem 2. März 2010 Datenauskünfte erteilten, ist die Aufklärung der Straftat dennoch nicht gelungen oder ist das Ermittlungsverfahren später eingestellt worden? Nur mithilfe dieser Informationen ließe sich beurteilen, wie häufig zusätzliche Datenauskünfte einen Einfluss auf den Verfahrensausgang hätten haben können.
  2. Wie viele der 1.200 erfolg- oder aussichtslosen Auskunftsersuchen betrafen Verbindungen, die im Zeitpunkt des Ersuchens länger als sechs Monate in der Vergangenheit lagen? Nur mithilfe dieser Informationen ließe sich beurteilen, wie häufig eine sechsmonatige Vorratsdatenspeicherung hätte weiter führen können.
  3. Wenn man die 1.200 erfolg- oder aussichtslosen Auskunftsersuchen nach dem 2. März 2010 betrachtet, welche Zeitspanne verstrich (a) durchschnittlich und (b) maximal zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die Polizei oder Staatsanwaltschaft Kenntnis von dem Verdacht der Straftat erlangte und dem Zeitpunkt, zu dem das Auskunftsersuchen an den Anbieter gerichtet wurde oder werden sollte? Nur mithilfe dieser Informationen ließe sich beurteilen, wie häufig eine fehlende Datenvorhaltung – und nicht etwa eine verzögerte Bearbeitung – für die fehlende Auskunft verantwortlich war.
  4. Welcher Anteil der Auskunftsersuchen an Telekommunikationsanbieter blieb in den Jahren 2007-2011 jeweils unbeantwortet? Nur mithilfe dieser Informationen ließe sich beurteilen, ob Auskunftsersuchen während der Geltung der verfassungswidrigen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung häufiger beantwortet wurden als ohne flächendeckende verdachtslose Vorratsspeicherung aller Verbindungen.
  5. Welcher Anteil der Auskunftsersuchen in den Jahren 2007-2011 betraf jeweils Verbindungen, die länger als sechs Monate in der Vergangenheit lagen? Nur mithilfe dieser Informationen ließe sich ein Zusammenhang gerade mit einer sechsmonatigen Vorratsdatenspeicherung herstellen.
  6. Welcher Anteil der Ermittlungsverfahren, in denen in den Jahren 2007-2011 Auskunftsersuchen an Telekommunikationsanbieter gerichtet wurden, blieb jeweils unaufklärbar? Nur mithilfe dieser Informationen ließe sich beurteilen, ob während der Geltung der verfassungswidrigen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung ein größerer Teil der bekannten Straftaten aufgeklärt wurden als ohne flächendeckende verdachtslose Vorratsspeicherung aller Verbindungen.
  7. Welcher Anteil der Ermittlungsverfahren, in denen in den Jahren 2007-2011 Auskunftsersuchen an Telekommunikationsanbieter gerichtet wurden, führte jeweils zu einer Verurteilung? Nur mithilfe dieser Informationen ließe sich beurteilen, ob während der Geltung der verfassungswidrigen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung mehr Personen wegen einer Straftat verurteilt wurden als ohne flächendeckende verdachtslose Vorratsspeicherung aller Verbindungen.
  8. Welcher Anteil der Ermittlungsverfahren, mit denen Sie seit dem 2. März 2010 insgesamt befasst waren und die eine mittels Telekommunikation (mittels Internet) begangene Straftat zum Gegenstand hatten, blieb unaufklärbar? Welcher Anteil der Ermittlungsverfahren, mit denen Sie seit dem 2. März 2010 insgesamt befasst waren und die keine mittels Telekommunikation (mittels Internet) begangene Straftat zum Gegenstand hatten, blieb unaufklärbar? Nur mithilfe dieser Informationen ließe sich beurteilen, ob mittels Telekommunikation (mittels Internet) begangene Straftaten ohne Vorratsdatenspeicherung seltener aufgeklärt werden als andere Straftaten.

Ihrer Antwort sehen wir mit Interesse entgegen.

Mit freundlichen Grüßen,

[...]

[1] Näher Bericht des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung vom Oktober 2010, http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/images/Bericht_Sicherheit-vor-Sammelwut.pdf.

Siehe auch die folgenden Informationen des AK Vorrat:

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1 Kommentar »


  1. Bericht über Kfz-Massenabgleich geleakt (und mehr) | Erinnerungsforum — 15. Januar 2012 @ 15.19 Uhr

    [...] hätten in Niedersachsen seit Juli 2010 fast 1000 Straftaten nicht aufgeklärt werden können. http://www.daten-speicherung.de/index.php/falschmeldung-1000-falle-ohne-vorratsdaten-nicht-aufgeklar… Fakten und Zahlen zur […]

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