Vorratsdatenspeicherung findet bei der Telekom weiter statt – Seite 1

Die deutschen Mobilfunkanbieter speichern weiterhin alle sogenannten Verkehrsdaten ihrer Kunden, obwohl es dafür keine gesetzliche Verpflichtung gibt. Der einzige Unterschied zur Vorratsdatenspeicherung bestehe in der Speicherdauer, sagt Malte Spitz, Mitglied im Bundesvorstand der Grünen . Sein konkreter Vorwurf: Die Telekom halte exakt die Datensätze aller Kunden vor, die bei der Vorratsdatenspeicherung verlangt würden, obwohl nicht alle rechnungsrelevant seien. Das Bundesverfassungsgericht hatte das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung im März 2010 in Teilen für verfassungswidrig erklärt. Seitdem streiten sich Union und FDP über eine neue Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie .

Spitz hatte im vergangenen Jahr die Herausgabe seiner Verkehrsdaten für einen Zeitraum von sechs Monaten bei der Telekom eingeklagt. Die Daten hatte er ZEIT ONLINE zur Verfügung gestellt . In Kombination mit weiteren öffentlich zugänglichen Daten über ihn, etwa seinen Einträgen bei Twitter, ergaben die Telekom-Daten ein präzises Bewegungsprofil.

Nun hat sich Spitz erneut Verkehrsdaten aushändigen lassen . Dabei handelt es sich um Verbindungs- und Standortdaten, die die Telekom zwischen September 2011 und Oktober 2011 erhoben und gespeichert hat. Das Ergebnis: Die Telekom speichert Daten aus 29 Kategorien, darunter auch solche, die nicht nötig sind, um eine Rechnung zu erstellen. Das betrifft etwa Verbindungsdaten von eingehenden SMS, die kostenlos sind. Ein Mobilfunkanbieter darf laut Telekommunikationsgesetz, Paragraf 96 und 97 , aber nur dann Daten speichern, wenn sie zur Abrechnung oder für die Aufrechterhaltung der Verbindungen relevant sind.

Die Speicherpraxis der Telekom verstoße deshalb "eindeutig gegen das Ziel der Datensparsamkeit", kritisiert der Grünen-Politiker. Entscheidend aber sei, dass sich die gegenwärtige Speicherpraxis des Mobilfunkanbieters nur hinsichtlich der Speicherdauer von der Vorratsdatenspeicherung unterscheidet, wie sie die EU-Richtlinie vorsieht. Die Telekom speichert Daten für 30 Tage, die Richtlinie sieht mindestens sechs Monate vor. Das Unternehmen kopiere die Daten nach der Erhebung in eine gesonderte Datenbank, die speziell für staatliche Anfragen gepflegt wird, sagt Spitz. Die Telekom bestätigt das ZEIT ONLINE: "Im Interesse eines ungestörten Abrechnungsprozesses entlasten Telekommunikationsunternehmen ihre Datenbanken von nicht betriebsrelevanten Abfragen. Die Behördenauskünfte, zu denen die aktuelle Gesetzeslage nach richterlichem Beschluss die Unternehmen verpflichtet, erfolgt daher aus IT-technischen Notwendigkeiten aus einer Datenbank, die eine Kopie der Hauptdatenbank ist", heißt es dazu und: "Dieses Prozedere ist dem Bundesdatenschutzbeauftragten bekannt."

Behörden können die gespeicherten Daten auf der Grundlage von Paragraf 100g der Strafprozessordnung , von verschiedenen Polizeiaufgabengesetzen der Länder sowie Paragraf 8a des Bundesverfassungsschutzgesetzes abfragen. Darauf haben sich die Polizeibehörden der Länder etwa bei den zuletzt bekannt gewordenen Funkzellenüberwachungen berufen.

Klicken Sie auf das Bild, um zur interaktiven Karte zu gelangen © ZEIT ONLINE

Malte Spitz findet, "dass die deutsche Sicherheitsbehörden unnötig Hysterie verbreiten". Bundeskriminalamt, Innenminister und Polizei hätten immer wieder eine "Sicherheitslücke" oder "Schutzlücke" bemängelt, solange es keine Vorratsdatenspeicherung gebe. "Was den Bereich der mobilen Kommunikationsverkehrsdaten angeht, scheint dies nicht zu stimmen", schreibt Spitz. Die Differenzierung ist hier wichtig: Die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung sieht neben den Mobilfunkverkehrsdaten auch eine Speicherung von Internetverkehrsdaten vor.

Erhebungen zeigen außerdem, schreibt Spitz, dass die Behörden vor allem Daten aus dem ersten Monat der Speicherung abfragen. Eine längere Speicherdauer, wie sie die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung fordert, wäre demnach nicht notwendig.

Telekom arbeitet immer noch an Verkürzung der Speicherfristen

Telekom-Sprecherin Alexia Sailer sagte, das Unternehmen kommuniziere seine Speicherfristen offen in seinem Datenschutzbericht und habe dies auch gegenüber Malte Spitz getan.

Sie räumte auch ein, dass die Telekom Daten speichert, die nicht zu Abrechnung benötigt würden: "Wir speichern Verkehrsdaten, die zur Herstellung und Aufrechterhaltung einer Verbindung und für die Erstellung der Abrechnung notwendig sind, für 30 Tage. Wir arbeiten daran, diese Frist für nicht abrechnungsrelevante Daten weiter zu verkürzen." Das entspricht fast wortwörtlich einer Ankündigung, die die Telekom schon im September 2011 gemacht hatte.

Die Mobilfunkanbieter speichern Daten zudem länger, als sie zu Abrechnungszwecken müssten. Das geht aus einem im September 2011 geleakten Leitfaden zum Datenzugriff der Münchner Generalstaatsanwaltschaft hervor.

Malte Spitz fordert nun "klare Vorgaben, welche Daten zu Abrechnungszwecken tatsächlich relevant sind". Für diese Daten sei dann "eine möglichst niedrige Höchstspeicherdauer" festzulegen. Außerdem setzt er sich für die Abschaffung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung ein.

Die EU-Kommission arbeitet derzeit an einer Überarbeitung der Richtlinie , eine Abschaffung ist aber wenig wahrscheinlich.

Update: Der Artikel wurde um ein Statement der Telekom zur Speicherung der Daten in einer gesonderten Datenbank ergänzt.

Korrekturhinweis: Im Text war zunächst von T-Mobile die Rede gewesen. Da die Mobilfunksparte seit 2010 in der Telekom aufgegangen ist, haben wir die Firmenbezeichnung geändert. Die Redaktion.