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Streit über Vorratsdatenspeicherung Friedrich lässt Leutheusser-Schnarrenberger abblitzen

Das EU-Ultimatum zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung geht zu Ende. Doch in der Bundesregierung stehen die Zeichen weiter auf Sturm. Innenminister Friedrich hat Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger ihren Gesetzentwurf zurückgeschickt - mit grundlegenden Änderungswünschen.
Kontrahenten Friedrich, Leutheusser-Schnarrenberger: Ministerin sieht rot

Kontrahenten Friedrich, Leutheusser-Schnarrenberger: Ministerin sieht rot

Foto: JOHN MACDOUGALL/ AFP

Berlin - Bis zum Ende der Woche hat die EU-Kommission der Bundesregierung Zeit gegeben, die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung endlich umzusetzen. Doch trotz des Drucks aus Brüssel - in Berlin geht der Dauerzoff in eine neue Runde. Nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen lehnt das Bundesinnenministerium den Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums in seiner bisherigen Form kategorisch ab. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) teilte seiner Kollegin aus dem Justizressort, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), am Montag mit, dass ihre Vorlage nicht geeignet sei, die entsprechende EU-Richtlinie  umzusetzen. Auch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts würden nur teilweise umgesetzt.

Leutheusser-Schnarrenberger hatte ihren Entwurf Ende März an die Kabinettskollegen verschickt. Darin bleibt sie bei ihrem Vorschlag, vorhandene Telekommunikationsdaten im Wesentlichen nur in konkreten Verdachtsfällen speichern zu lassen (Quick Freeze) und den Ermittlern bei Bedarf zur Verfügung zu stellen. Für Internetdaten schlägt sie eine anlasslose Speicherung vor - allerdings lediglich für eine Woche. Das geht der Union und Innenminister Friedrich nicht weit genug.

Auch die EU-Kommission hatte zuletzt klargemacht, dass ihr das Quick-Freeze-Verfahren nicht reiche und Deutschland mit einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof gedroht. Diese Klage wird nun immer wahrscheinlicher, Strafzahlungen in Millionenhöhe drohen.

Dass sich die beiden Minister im Dauerclinch kurzfristig einigen, scheint ausgeschlossen. Das Innenministerium will der weiteren Kabinettsbefassung jedenfalls nur unter der Maßgabe zustimmen, "dass die aus der Anlage ersichtlichen Änderungen übernommen werden", wie es im Schreiben an das Justizressort heißt. Mit anderen Worten: Friedrichs Fachleute haben Leutheusser-Schnarrenbergers Entwurf in ihrem Sinne überarbeitet und an die Ministerin zurückgeschickt. Der geänderte Entwurf liegt SPIEGEL ONLINE vor.

Leutheusser-Schnarrenberger sieht rot

Der Anblick der in der elektronischen Dokumentenversion rot gefärbten Korrekturen wird die FDP-Politikerin nicht erfreuen. Denn von diesen Änderungen gibt es reichlich. Schon im Titel und in der Problemstellung hat das Innenministerium eifrig gestrichen und neu formuliert, aus dem Gesetz "zur Sicherung vorhandener Verkehrsdaten" wird bei Friedrich wieder das Gesetz "zur Speicherung von Verkehrsdaten".

Inhaltlich beharrt der Innenminister auf einer anlasslosen, sechsmonatigen Speicherfrist für sämtliche Kommunikationsdaten, etwa von Rufnummern, Gesprächs- und Kurzmitteilungszeiten sowie Internetprotokoll-Adressen. "Die Änderungen dienen nicht allein dem Zweck, die EU-Richtlinie umzusetzen", heißt es aus dem Innenministerium. "Wir wollen endlich auch den Erfordernissen der Polizei- und Strafverfolgungsbehörden gerecht werden."

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte im März 2010 die bis dahin geltende Regelung in Deutschland gekippt. Seitdem werden die Daten nicht mehr pauschal sechs Monate gespeichert. Die Union und Strafverfolger sehen deshalb Lücken bei der Kriminalitätsbekämpfung. Die Koalition streitet sich nun darüber, wie eine mögliche Neuregelung aussehen könnte. Für diese Neuregelung ist Leutheusser-Schnarrenberger zuständig, die allerdings damals selbst zu den Klägern in Karlsruhe gehörte.

Zuletzt hatte sich auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in den Dauerstreit eingeschaltet und auf eine baldige Lösung gepocht. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte noch am Montag erklärt, er sei zuversichtlich, dass es bald zu einer Einigung bei diesem "zugegeben sehr schwierigen Thema" kommt: "Es ist für ein wichtiges europäisches Mitgliedsland wie die Bundesrepublik Deutschland nicht denkbar, auf Dauer eine europäische Richtlinie nicht umzusetzen."

Aber auch in der eigenen Partei wächst der Druck auf FDP-Ministerin Leutheusser-Schnarrenberger, möglichst bald zu einer Einigung zu kommen. In der Sitzung des FDP-Präsidiums, wo Leutheusser-Schnarrenberger am Montag allerdings fehlte, drängte der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn nach Angaben von Teilnehmern auf eine Lösung bis Mitte Juni. Dann tagt, unter Vorsitz Hahns, die Justizministerkonferenz der Länder. Der Liberale hatte bereits im Dezember einen Kompromiss angemahnt: Er wolle sich dafür einsetzen, dass es auch eine Datenspeicherung ohne Anlass gebe, die aber bei der zeitlichen Begrenzung und den betroffenen Straftaten so eng wie möglich zu fassen sei.

phw/sev/dpa