Bundesregierung vertröstet Brüssel bei der Vorratsdatenspeicherung

Bis zum Ablauf eines EU-Ultimatums zur Umsetzung der Vorgaben zur anlasslosen Protokollierung von Nutzerspuren am Donnerstag will Berlin gegenüber Brüssel noch einmal Stellung nehmen zum Stand des Verfahrens.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 292 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Bis zum Ablauf eines Ultimatums der EU-Kommission zur Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung am Donnerstag will die Bundesreigerung gegenüber der EU-Kommission noch einmal zum Stand des Verfahrens Stellung nehmen. Dies erklärte ein Sprecher des Bundesjustizministeriums gegenüber heise online. Ähnlich wie nach dem Auslaufen der vorherigen Frist Ende 2011 werde die Bundesregierung erläutern, dass es der hiesige Gesetzgeber Providern im Telekommunikationsgesetz bereits ermögliche, Verbindungs- und Standortdaten zu speziellen Zwecken vorzuhalten und Ermittlern zur Verfügung zu stellen.

Das Justizressort strebt zudem an, mit dem Verfahren "Quick Freeze plus" die EU-Vorgaben weiter teilweise in nationales Recht zu gießen. Damit sollen Telekommunikationsfirmen im Verdachtsfall auf Zuruf von Strafverfolgern die Nutzungsinformationen aufbewahren und nach richterlichem Beschluss freigeben. Außerdem sollen IP-Adressen eine Woche gespeichert werden. Dies geht dem Bundesinnenministerium aber nicht weit genug, sodass die Initiative derzeit nicht vom Bundeskabinett beschlossen werden kann. Weitere Gespräche mit Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) über den Entwurf von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sind derzeit ihrem Sprecher zufolge nicht geplant.

Der innenpolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Stephan Mayer, appellierte an die Justizministeriun, ihre Blockadehaltung endlich aufzugeben. Es sei unerträglich, "wenn vorgeschobene Argumente die Ermittlungsbehörden schwächen und zusätzlich erhebliche Strafzahlungen einfach in Kauf genommen werden". Wenn der Europäische Gerichtshof die Bundesrepublik wegen Verstoßes gegen EU-Recht verurteile, drohe eine Strafe von 32,5 Millionen Euro.

Das Justizministerium erklärte, dass dafür zunächst die Kommission Klage erheben und sich ein Verfahren anschließen müsse. Die EU-Kommission arbeite parallel aber an einer Reform der Richtlinie, um zahlreiche damit verknüpfte Rechtsunsicherheiten auszumerzen. Änderungsvorschläge würden in Berlin in wenigen Wochen erwartet.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle stärkte Leutheusser-Schnarrenberger den Rücken. Sie habe einen gangbaren Kompromiss vorgelegt, während die Linie Brüssels nicht stimmig sei, erklärte der frühere Wirtschaftsminister. Der liberale Bundestagsabgeordnete Sebastian Blumenthal betonte, dass die FDP Wort halte und es mit ihr keine Umsetzung der aktuellen EU-Direktive geben werde. Europaweit liefen Experten gegen sie Sturm.

Der Innenexperte der Grünen im Bundestag, Konstantin von Notz, forderte die Bundesregierung auf, sich nun in Brüssel stärker gegen die verpflichtende Richtlinienvorgabe einer Vorratsdatenspeicherung starkzumachen. Berlin müsse sich mit Hinweis auf die Grundrechtsintensität eines solchen Eingriffes gegen den Ausverkauf der Freiheitsrechte der Bürger einsetzen. Jan Korte, Mitglied im Vorstand der Fraktion der Linken, befürchtet dagegen, dass die Freiheit "so oder so" auf der Strecke bleiben werde. Die FDP dürfe zwar noch einmal Luft schnappen, bevor sie nach der NRW-Wahl gewürgt werde. Aber auch Leutheusser-Schnarrenbergers erweitertes Quick Freeze stelle die Bürger unter Generalverdacht. (anw)