EU-Innenminister wollen Fluggastdaten umfangreich auswerten

Der EU-Rat hat sich grundsätzlich darauf verständigt, dass Passenger Name Records auf EU-Ebene zwei Jahre "unmaskiert" gespeichert werden sollen und auch innereuropäische Flüge erfasst werden können.

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Der EU-Rat hat sich auf den Aufbau eines Systems zur Sammlung und Auswertung von Flugpassagierdaten verständigt. Die Innenminister einigten sich laut einer Mitteilung (PDF-Datei) auf ihrer Sitzung am Donnerstag in Brüssel darauf, dass Passenger Name Records (PNR) zwei Jahre "unmaskiert" gespeichert werden sollen. Der ursprüngliche Entwurf für eine Richtlinie der EU-Kommission sah eine sogenannte Anonymisierung der Daten bereits nach 30 Tagen vor. Insgesamt sollen die Informationen fünf Jahre lang vorgehalten werden können. Auch nach den ersten zwei Jahren würde es etwa beim Verdacht auf schwere oder terroristische Straftaten möglich sein, Rückschlüsse auf einzelne Personen zu ziehen.

Im Streit darum, innereuropäische Flüge einzubeziehen, akzeptierten die Minister einen Kompromissvorschlag der dänischen Ratspräsidentschaft. Demnach können einzelne Mitgliedsstaaten ausgewählte Flugrouten innerhalb Europas in ihre nationalen Datenbanken einschließen, müssen dies aber nicht tun. Die Kommission plädierte zunächst dafür, nur Flüge von und nach Europa aus dem Ausland zu erfassen. Insgesamt drängt der Rat so darauf, die Initiative der Kommission auszuweiten.

Bleiben soll es dabei, 19 Datenkategorien zu erheben. Dazu gehören neben Name, E-Mail-Adresse, Telefon-, Konten- und Kreditkartennummern etwa auch Essenswünsche. Direkte Fischzüge der Strafverfolger in den Buchungssystemen der Fluglinien sowie Rasterfahndungen in den Beständen sollen ausgeschlossen werden.

2008 hatte die Bundesregierung einen früheren Plan für ein vergleichbares System mit Speicherfristen bis zu 13 Jahren zu Fall gebracht. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich beteiligte sich dieses Mal nicht an der Debatte. Der CSU-Politiker ließ durchblicken, dass er dies als Enthaltung verstanden wissen wolle. Schwarz-Gelb ist in der Frage der Fluggastdatenauswertung ähnlich zerstritten wie bei der Vorratsspeicherung von Telekommunikationsdaten. Friedrich ist eigentlich in weiten Teilen dafür, Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser (FDP) dagegen. Österreich lehnte den Beschluss klar ab, die Niederlande enthielten sich. Mehrere Mitgliedsstaaten signalisierten, dass sie auf Geldspritzen aus Brüssel zur Finanzierung ihrer nationalen Bestandteile des Systems setzen. Die Kommission rechnet mit Kosten in Höhe von insgesamt 500 Millionen Euro.

Die Initiative muss nun noch das EU-Parlament passieren; erste Beratungen sind für Juni geplant. Berichterstatter im federführenden Innenausschuss ist der britische Konservative Timothy Kirkhope. Großbritannien betreibt bereits seit Jahren eine PNR-Analyse in Eigenregie und drängt auf eine möglichst weite Datenerfassung. Die Fraktionen der Liberalen, der Grünen und der Linken haben sich genauso wie der europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx und Datenschützer der Mitgliedsstaaten entschieden gegen das Vorhaben gestellt. Dem umstrittenen Transfer von Flugdaten in die USA stimmten die Abgeordneten vorige Woche zu.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar warnt, dass die von den Innenministern beschlossene "anlasslose mehrjährige Vorratsspeicherung von Daten unverdächtiger Flugpassagiere ein weiterer großer Schritt zur lückenlosen Überwachung alltäglichen Verhaltens wäre". Genau dagegen habe das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung erhebliche Bedenken vorgebracht. Schaar kritisierte auch, dass die Informatioinen in bedenklicher Art verwendet werden sollten. Alle Fluggäste könnten auf Grundlage der Daten einer "Gefahrenanalyse" unterzogen werden, die einer Rasterfahndung sehr nahe komme. (anw)