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[Blog] Rot-Grünes Baden-Württemberg und die Vorratsdatenspeicherung (18.06.2012) Drucken E-Mail

Ein Kommentar von Michael.

Ende Mai 2012 entzündete der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD) eine Debatte, als er die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung mit der Begründung des Kampfes gegen den so genannten "Enkeltrick-Betrug" zu rechtfertigen versuchte. Auf eine schriftliche Nachfrage hin hat sich nun der Landespolizeipräsident des Bundeslandes zu Wort gemeldet. Eine eindeutige Positionierung der rot-grünen Landesregierung zur anlasslosen Protokollierung des Telekommunikationsverhaltens aller Deutschen ist nicht auszumachen.

 

In der jetzt vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung veröffentlichten Stellungnahme des baden-württembergischen Landespolizeipräsidents Wolf Hammann erklärt dieser den "Enkeltrick-Betrug" kurzerhand zur "schweren Straftat" im Sinne des Gesetzes. Angebliche Erfahrungen, dass es sich bei den Trickbetrügern um "hoch spezialisierte Tätergruppen" handele, die "in arbeitsteiligen, konspirativen Zusammenwirken agieren und der Organisierten Kriminalität zuzurechnen" seien, sollen diese Einstellung untermauern.

Damit stellt sich der sozialdemokratische Politiker bezüglich seiner Argumentation und seines verfassungsrechtlichen Selbstverständnisses auf eine Stufe mit den niedersächsischen CDU-Innenmister Uwe Schünemann, der schon 2010 auf die Idee gekommen war, mittels der Erzeugung von allgemeiner Betroffenheit die Enkeltrickbetrüger als Krücke auf dem Weg zu einer erneuten Vorratsdatenspeicheurng zu benutzen.

Ob dieser Kniff einer verfassungsrechtlichen Prüfung standhalten wird, daran darf mit Recht gezweifelt werden - dem gesunden Menschenverstand erschließen sich die nach Populismus riechenden Begründungen allerdings nicht.

 

Ebenso zweifelhaft ist es, ob und wie der Landespolizeichef die rot-grüne Landesregierung tatsächlich vertritt, wenn er schreibt:

"Die Landesregierung hält daher eine gesetzliche Neuregelung zur Vorratsdatenspeicherung für dringend geboten."

Ein Versehen, eine offene Provokation oder die Realität politischen Kompromissgeschachers?

Im zwischen SPD und Bündis90/Grünen vereinbarte Koalitionsvertrag von Baden-Württemberg heisst es auf Seite 76 kurz und knapp:

"Bei der Vorratsdatenspeicherung setzen wir uns dafür ein, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts präzise einzuhalten."

In einem Beitrag aus dem April dieses Jahres versucht sich der innenpolitische Sprecher der "grünen" Landtagsfraktion, Uli Sckerl, an einer Klarstellung und unterstreicht die grüne "Grundsatzposition, dass anlasslose Massenspeicherungen die Schutzmechanismen des Datenschutzes nachhaltig beschädigen würden."

Gleichzeitig heisst es dort aber auch:

"Die wiederholten Vorstöße von Innenminister Reinhold Gall in Sachen Vorratsdatenspeicherung erleichtern die Suche nach einem verfassungsgemäßen Umgang mit der Datenspeicherung für die grün-rote Koalition nicht."

 

Was bedeutet das nun alles?

Im Vorfeld zu diesem Blogbeitrag haben wir auf der Mailingliste des AK Vorrat intensiv diskutiert, welches Gesamtbild man aus dem allen zeichnen kann. Richtig einig sind wir uns dabei noch nicht geworden.

Klar ist auf jeden Fall, dass sich die tonangebenden "Spitzen"-Politiker der SPD nach wie vor klar zu einer Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung bekennen. Das tun sie entgegen jedem innerparteilichen Sachverstand und in dem Wissen, dass sie unter gleichen Vorbedingungen schon einmal an der Verabschiedung eines verfassungswidrigen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung schuldig geworden sind.

Gleichzeitig scheinen sich einige der maßgebenden Politiker der "Grünen" nicht entscheiden zu wollen oder zu können, ob sie sich grundsätzlich gegen eine Vorratsdatenspeicherung aussprechen mögen oder ob sie auf einen "verfassungsgemäßen Umgang mit der Datenspeicherung" hinauswollen. Ersteres erfordert ein Bekenntnis zu einer Entscheidung, die aus einem Selbstverständnis oder aus den eigenen Grundwerten heraus entwickelt und durchgesetzt werden müsste und die nicht die Grenzen des vom Bundesverfassungsgericht Ausgeloteten ausreizt. Letzteres führt unweigerlich zu einer neuen Vorratsdatenspeicherung - ein Paradigmenwechsel in der deutschen Rechtsgeschichte, dessen verfassungskonforme Umsetzung meiner Meinung nach alleine schon aufgrund der datenschutztechnischen Hürden des BVerfG nicht umsetzbar wäre (wenn man ehrlich miteinander umgehen würde), der aber außerdem einen klaren Mangel an Vorstellungskraft und Gestaltungswillen der "Grünen" anzeigen würde.

Was ist also "schlimmer"? Unbelehrbare "sozialdemokratische" Stimmungsmacher oder sich in Widersprüchen und schwammigen Erklärungen verstrickende "Grüne"?

Schwer zu sagen ...


Disclaimer 1: Ich stehe keiner politischen Partei nahe noch bin ich Mitglied in irgendeinem Verein, den man einer parteipolitischen Strömung zuordnen könnte. Wenn ich an dieser Stelle andere Parteien wie z.B. die "Linken" oder die "Piraten" nicht explizit lobe oder bemängele, dann liegt es nicht an (nicht vorhandenen) Präferenzen sondern allein an der Tatsache, dass es in diesem Blogbeitrag hauptsächlich um die in Verantwortung stehenden Regierungsparteien Baden-Württembergs und ihre Haltung zur Vorratsdatenspeicherung geht.

Disclaimer 2: Es gibt nicht "die Grünen" und nicht "die Sozialdemokraten", so wenig wie es "den Staat" gibt. Diejenigen Menschen, die innerhalb dieser und der anderen Parteien die Positionen "des" AK Vorrat vertreten, sind doppelt geschlagen: Sie müssen sich nicht nur mehr oder minder großen Widerständen in ihrer Organisationen entgegenstemmen, sondern gleichzeitig auch noch Kritik aus unseren Reihen an ihrer Partei anhören. Zwischen allen Stühlen also. Keine schöne Situation und daher mein Respekt vor diesen Menschen, die die Kraft für ihren Einsatz nicht verlieren! (Wobei man über den Sinn dieses Engagements unterschiedlicher Meinung sein darf.) Eine Kritik an den manchmal schizophren wirkenden Positionen der Parteien zur Vorratsdatenspeicherung erlaube ich mir dennoch und unabhängig davon.

 

Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors Michael wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung. Weitere Meldungen von Mitgliedern des AK Vorrat finden Sie in der Rubrik Informationen / Blog.

 

Kommentare  

 
#1 Keilbach Heidi 2012-06-20 08:45
Kleine Anmerkung: In Baden-Württemberg regiert eine Grün-Rote Regierung: Herr Kretschmann gehört der Grünen Partei an.
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