Wie sich aus einem hier erstmals veröffentlichten Schreiben der EU-Innendirektion vom 25.10.2010 ergibt (pdf), ließ die EU-Kommission eine Aufhebung des EU-weiten Zwangs zur Vorratsdatenspeicherung prüfen. Mitgliedsstaaten sollten das Recht erhalten, die Richtlinie nicht anzuwenden.
In dem Schreiben des EU-Innendirektors an den Juristischen Dienst heißt es wörtlich:
Eine positive Einschätzung Ihrer Dienste vorausgesetzt könnte eine derartige Nichtteilnahme von Mitgliedsstaaten in verschiedener Form erfolgen. Insbesondere
- könnte der Vorschlag abschließend diejenigen Mitgliedsstaaten auflisten, die an dem überarbeiteten Rechtsakt zur Vorratsdatenspeicherung nicht teilnehmen;
- könnte der Vorschlag eine Bestimmung enthalten, die es Mitgliedsstaaten erlaubt, an dem überarbeiteten Rechtsakt zur Vorratsdatenspeicherung nicht teilzunehmen.
In beiden Fällen könnte der Vorschlag Mitgliedsstaaten, die an dem überarbeiteten Rechtsakt zur Vorratsdatenspeicherung nicht teilnehmen, verpflichten, keine nationalen Maßnahmen beizubehalten, die eine Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung vorsehen.
Es ist eine kleine Sensation, dass die EU-Kommission so konkret plante, den EU-weiten Zwang zur Vorratsdatenspeicherung aufzuheben. Dies ist wohl unter dem Eindruck der Nichtigerklärung durch das Bundesverfassungsgericht und der europaweiten zivilgesellschaftlichen Initiative gegen Vorratsdatenspeicherung erfolgt.
Umso trauriger, dass der Juristische Dienst der EU-Kommission in seiner Antwort vom 10.11.2010 fälschlich behauptete, das Vorhaben sei rechtlich nicht umzusetzen. Auf der Grundlage dieser falschen Auskunft hat die Kommission ihre anfängliche Absicht, Quick Freeze als Alternative zuzulassen, wieder aufgegeben und lässt sich auch von abweichenden juristischen Stellungnahmen nicht mehr davon abbringen.
Zuletzt hat die EU-Kommission die Überarbeitung der EU-Richtlinie insgesamt auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben. Wegen der undemokratischen Struktur der EU hat das Europäische Parlament keine Möglichkeit, selbst einen Vorschlag zur Aufhebung oder Änderung der Richtlinie einzubringen.
Vor diesem Hintergrund liegt es nun am Europäischen Gerichtshof, die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung in dem vom irischen High Court angestoßenen Verfahren für unverhältnismäßig, grundrechtswidrig und ungültig zu erklären. Ich halte die Erfolgsaussichten für hoch (ähnlich die Bundesjustizministerin).
Anmerkung: Das Schreiben der EU-Kommission ist von dieser teilweise geschwärzt worden.
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Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung des Autors Patrick Breyer wieder und ist keine offizielle Erklärung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.
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