Kameraeinsatz bei Anti-Nazi-Protesten: Empörung über Überwachung

Die Überwachung von Demonstrierenden in Hannover und Bad Nenndorf steht parteiübergreifend in der Kritik. Die Grüne fordern eine Reform des Polizeigesetzes.

Wurden überwacht: Protestierende in Hannover und Bad Nenndorf. Bild: dpa

HANNOVER taz | Die Kritik des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) am polizeilichen Kamera- und Drohneneinsatz bei Anti-Nazi-Protesten vom vergangenen Wochenende in Bad Nenndorf und Hannover stößt parteiübergreifend auf Unterstützung.

Massive und zum Teil verdeckte Überwachung von Demonstrierenden, die sich am Samstag gegen eine von Neonazis ursprünglich im Anschluss an ihren Trauermarsch in Bad Nenndorf geplante Kundgebung in Hannover versammelt hatten, wirft der AK Vorrat der Polizeidirektion Hannover vor. In einem Offenen Brief kritisieren die Datenschützer auch den rechtlich umstrittenen Einsatz einer Drohne in Bad Nenndorf.

Aufklärung fordert jetzt auch der Grünen-Stadtverband, Veranstalter der Demo gegen rechts hinter Hannovers Hauptbahnhof. „Wir wollen wissen, wann, von wo, mit welchen technischen Mitteln und auf welcher Rechtsgrundlage unsere Kundgebung beobachtet wurde und wer diese Überwachung angeordnet hat“, sagt der Demo-Anmelder und Stadtverbandsvorsitzende Tobias Leverenz.

Im Landtag bekräftigen die Grünen ihre Forderung nach einer Reform des Polizeigesetzes. „Eingriffe in Grundrechte wie das auf informationelle Selbstbestimmung durch den Drohneneinsatz in Bad Nenndorf müssen ein Ende haben“, sagt ihre Innenpolitikerin Meta Janssen-Kucz. Einen entsprechenden Entwurf haben die Grünen bereits im Juli in den Landtag eingebracht. Ein zentraler Punkt darin: Besserer Datenschutz bei der Polizeiarbeit. Anlasslose Überwachungen von Großveranstaltungen etwa sollten gestrichen, sogenannte Rasterfahndungen oder Standortermittlungen eingeschränkt werden.

Jährlich soll nach dem Entwurf der Nutzen erhobener Daten evaluiert werden. „Wenn man Daten erhebt, dann nicht aus bloßer Sammelwut, sondern nur mit Sinn und Zweck“, sagt Janssen-Kusc. Zu oft wüssten Einsatzleitungen gar nicht, was genau sie erfassen – wie jüngst in Hannover. Dort erklärt die Polizeidirektion eine Woche nach dem Einsatz zwar, man nehme die Kritik ernst. Einen genauen Überblick über die Überwachungsmaßnahmen aber würde man noch immer „zusammentragen“, wie es eine Sprecherin formuliert.

Reformbedarf bei der Regelung der Polizeiarbeit haben auch SPD- und Linksfraktion im Landtag bereits signalisiert, wo derzeit der Innenausschuss eine Anhörung zum Grünen-Gesetzentwurf vorbereitet. Sie sehen auch die Überwachung der Anti-Nazi-Proteste ähnlich kritisch: Innenminister Uwe Schünemann (CDU), oberster Dienstherr von Niedersachsens Polizei, wolle mit derlei Einsatz „zivilgesellschaftliches Engagement gegen Neonaziaufmärsche diskreditieren“, erklärt die Linken-Innenpolitikerin Pia Zimmermann. Wie die Grünen hat sie eine Kleine Anfrage zum Drohneneinsatz in Bad Nenndorf angekündigt.

Und selbst die SPD rügt die Überwachungswut: „CDU und FDP schrecken Demonstrierende davon ab, ihre verfassungsmäßigen Rechte wahrzunehmen“, so ihre Innenpolitikerin Sigrid Leuscher.

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