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Gegner der Vorratsdatenspeicherung rufen Bundestagsabgeordnete auf, die Zustimmung zu verweigern Drucken E-Mail

Pressemitteilung vom 2. November 07, Herausgeber: Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung - Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. - Deutsche AIDS-Hilfe e.V. - Deutsche Journalisten-Union dju in ver.di - Freie Ärzteschaft e.V. - Verband deutscher Zeitschriftenverleger VDZ e.V.

 In Berlin fand heute eine Pressekonferenz von Gegnern der Vorratsdatenspeicherung statt. Diese appellierten an die Bundestagsabgeordneten von SPD und Union, die Zustimmung zum aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Vorratsdatenspeicherung zu verweigern. Der Bundestag soll voraussichtlich am Freitag nächster Woche über den Gesetzentwurf entscheiden, der eine verdachtsunabhängige, sechsmonatige Speicherung sämtlicher Telekommunikationsverbindungsdaten aller Bürger in Deutschland vorsieht.

Die Pressekonferenz bildete zugleich den Auftakt zu dem am 6. November stattfindenden, bundesweiten Aktionstag gegen die Vorratsdatenspeicherung (www.freiheit-statt-angst.de). An diesem Tag werden in über 40 deutschen Städten Protestaktionen stattfinden, um die geplante Totalprotokollierung der Telekommunikation in letzter Minute zu stoppen.

Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung soll ab 2008 für Sicherheitsbehörden rückblickend über 6 Monate nachvollziehbar machen, wer, wann und mit welchen Adressen das Internet genutzt hat und wer mit wem per Telefon oder E-Mail Kontakt hatte, bei Handy-Nutzung einschliesslich des Standorts. Diese Pläne der Regierungskoalition zur Aufzeichnung von Informationen über die Kommunikation, Beziehungen, Bewegung und Mediennutzung jedes Bürgers stellen einige der bislang größten Gefahren für unser Recht auf ein furchtloses, selbstbestimmtes und privates Leben dar. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordert daher eine Abkehr von diesem verfassungswidrigen Generalangriff auf Bürgerrechte und Datenschutz in Deutschland.

Gäste:

Als geladene Podiumsgäste der Pressekonferenz waren anwesend:

  • Dr. Christoph Fiedler, Leiter Europa- und Medienpolitik, Verband deutscher Zeitschriftenverleger VDZ e.V.

  • Martin Grauduszus, Präsident, Freie Ärzteschaft e.V.

  • Karl Lemmen, Referent / Dr. Luis Carlos Escobar Pinzón, Bundesgeschäftsführer, Deutsche AIDS-Hilfe e.V.

  • Werner Lohl, Präsidiumsbeauftragter für Datenschutzfragen, Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V.

  • Ulrike Maercks-Franzen, Geschäftsführerin, Deutsche Journalisten-Union dju in ver.di

Die Teilnehmer appellierten unter anderem aus den folgenden Gründen an die Bundestagsabgeordneten von SPD und Union, der geplanten Vorratsdatenspeicherung ihre Zustimmung zu verweigern:

1. Quellenschutz im Journalismus

Wie Erfahrungen aus Belgien zeigen, wird die geplante Vorratsdatenspeicherung das Ende für viele Kontakte zwischen Informanten und Presse bedeuten. Wichtige Informationen über Missstände könnten nicht mehr per Telefon, Fax oder Internet weitergegeben werden, weil Informanten damit rechnen müssten, mithilfe von Verbindungsdaten als Quelle identifiziert zu werden.

2. Ärztliches Vertrauensverhältnis

Das Vertrauensverhältnis zwischen Patienten und ihren Ärzten würde gestört, weil die Erfassung der Kontakte mit bestimmten Ärzten Rückschlüsse auf persönliche Problemlagen zulässt (z.B. Krankheiten, Ehekrisen, Suchtprobleme). Dies würde Patienten in bestimmten Situationen davon abschrecken, Ärzte anzurufen oder per Internet zu kontaktieren.

3. Psycho-soziale Hilfe ist auf Vertraulichkeit angewiesen

Der faktische Wegfall anonymer Beratungsmöglichkeiten würde die Hemmschwelle für viele Menschen in seelischer Not erhöhen, sich telefonisch oder per Internet beraten und helfen zu lassen. Dies könnte unter anderem Suizidgefährdete, AIDS-Kranke, Alkoholiker, Gewaltopfer oder Opfer sexuellen Mißbrauchs davon abhalten, im Internet Erfahrungen auszutauschen oder am Telefon anonym Rat zu suchen.

4. Datenmissbrauch

Bis die ersten vorratsgespeicherten Kommunikationsdaten missbräuchlich offengelegt werden, ist erfahrungsgemäß nur eine Frage der Zeit. Dies zeigten in jüngster Vergangenheit etwa spektakuläre Fälle in Italien, aber auch der Fall eines Bundesnachrichtendienstmitarbeiters aus Berlin. Das Bekanntwerden eines solchen Missbrauchs von Kommunikationsdaten wird Menschen weiter davon abschrecken, auch in schwierigen Situationen unbefangen miteinander zu kommunizieren.

5. Schutz durch Richtervorbehalt?

Der im Gesetzesentwurf vorgesehene Richtervorbehalt deckt viele Fälle nicht ab. Wer Inhaber einer Rufnummer ist oder im Internet gesurft hat (Stammdaten), kann ohne richterliche Kontrolle abgefragt werden. Die Geheimdienste können Verbindungs- und Standortdaten ohne richterliche Genehmigung abfragen. Letztlich ändert ein Richtervorbehalt nichts daran, dass der Richter den Zugriff genehmigen muss, wenn die niedrigen gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind.

6. Grundrechtseingriff auch bei Bagetelldelikten

Im Gegensatz zur EU-Richtlinie erlaubt das deutsche Gesetz eine Verwendung der Vorratsdaten nicht nur zur Aufklärung schwerer Straftaten, sondern bei "allen mittels Telekommunikation begangenen Straftaten". Dies werden im Schwerpunkt leichte Vergehen wie Beleidigungen im Internet oder das Herunterladen von Klingeltönen und Musik sein. Mit dieser fehlenden Begrenzung auf schwere Straftaten schießt das deutsche Gesetz weit über die europäische Richtlinie hinaus. Die oft genannte Begrenzung der Speicherfrist auf 6 Monate ist daher nichts weiter als ein Feigenblatt.

7. Präventive Schutzfunktion?

Ausländische Staaten, die eine verdachtslose Speicherung von Kommunikationsdaten eingeführt haben, konnten ihre Kriminalitätsrate nicht reduzieren. Dies widerlegt die Behauptung von Justizministerin Brigitte Zypries, ein Sicherheitsgewinn sei zu erwarten. Kommunikationsdaten sind notwendig vergangenheitsbezogen und können allenfalls die Aufklärung bereits abgeschlossener Straftaten erleichtern. Aber auch hier ist es im Ausland nicht zu einer statistisch signifikanten Erhöhung der Aufklärungsquote gekommen.

 
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