Eine neue Gesetzesgrundlage zur Abfrage von Bestandsdaten durch staatliche Stellen soll geschaffen werden, da die bisherige Regelung laut Bundesverfassungsgericht einer Überarbeitung bedarf. Die Zugriffsrechte von Behörden sind dort äußerst großzügig geregelt und verzichten weitgehend auf Kontrollmechanismen. Die in dem neuen Gesetzesentwurf vorgesehenen Änderungen sehen weitreichende Zugriffsrechte vor, die sogar eine unbemerkte Abfrage von Passwörtern vorsehen. Brisant hierbei ist unter anderem, dass die Betroffenen nicht einmal nach Beendigung der Ermittlungen von derartigen Abfragen erfahren sollen. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hat hierzu eine Stellungnahme verfasst und appelliert an die Abgeordneten im Bundestag und Bundesrat, diesen Gesetzesentwurf abzulehnen.
Der Zeitplan für die Beratung des Gesetzentwurfs sieht voraussichtlich wie folgt aus:
- Am 28.11.2012 berät der Rechtsausschuss des Bundesrats den Gesetzentwurf
- Am 29.11.2012 berät der Wirtschafts- und der Innenausschuss des Bundesrats den Gesetzentwurf
- Am 14.12.2012 könnte der Bundesrat seine Stellungnahme abgeben
- 2013 berät der Bundestag den Gesetzentwurf
Anschließend kann der Bundesrat seine Zustimmung verweigern (Gesetz ist zustimmungspflichtig). In diesem Fall kann der Vermittlungsausschuss angerufen werden.
Bis Juni 2013 muss nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts eine Neuregelung erfolgen, um einen Bestandsdatenzugriff weiterhin zu ermöglichen.
Wir rufen dazu auf, die Bundestagsabgeordneten und Mitglieder des Bundesrates per Telefon und Mail auf die massiven Grundrechtseingriffe in diesem Gesetzesentwurf aufmerksam zu machen.
Neben direktem Kontakt über Telefon und Mail bietet sich hierfür auch Abgeordnetenwatch.de an.
Unsere Stellungnahme in Kurzform:
Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und zur Neuregelung der Bestandsdatenauskunft geht deutlich über die bisherige Rechtslage hinaus und baut Schutzvorschriften ab:
1. Künftig soll der Zugriff auf Kommunikationsdaten nicht mehr auf Einzelfälle beschränkt sein.
2. Es soll eine elektronische Schnittstelle zur vereinfachten Abfrage von Kommunikationsdaten eingeführt werden.
3. Die Bekanntgabe von Zugriffscodes wie PINs und Passwörter an Unbefugte soll künftig nicht mehr mit Bußgeld bedroht sein.
4. Bundeskriminalamt und Zollkriminalamt sollen in weitem Umfang Zugriff auf Kommunikationsdaten erhalten, wo Eingriffe in das Fernmeldegeheimnis bisher nicht gestattet sind (z.B. als Zentralstelle, zum Personenschutz).
In mehreren Punkten halten wir den Gesetzentwurf für verfassungswidrig:
1. Es fehlt bereits die verfassungsrechtlich gebotene abschließende Bestimmung, welche Vorschriften einen Zugriff auf Kommunikationsdaten erlauben sollen (einfachgesetzliches Zitiergebot).
2. Es fehlt die verfassungsrechtlich geforderte Beschränkung des Datenzugriffs auf Einzelfälle.
3. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sollen Zugriffe auf Kommunikationsdaten durch Polizeibehörden nicht beschränkt werden auf Fälle konkreter Gefahr oder des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts soll die Identifizierung von Internetnutzern selbst zur Ermittlung geringfügiger Ordnungswidrigkeiten zugelassen werden.
4. Entgegen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts soll die Identifizierung von Internetnutzern durch Geheimdienste keine tatsächlichen Anhaltspunkte für das Vorliegen einer konkreten Gefahr voraussetzen.
5. Es ist unklar und nicht kontrollierbar, unter welchen Voraussetzungen Anbieter Zugriffscodes wie Mailbox-PINs oder E-Mail-Passwörter an Staatsbehörden herausgeben dürfen.
6. Es fehlt die verfassungsrechtlich gebotene Benachrichtigung von Internetnutzern, deren Identität ermittelt worden ist. Der Bund will Anbietern sogar verbieten, ihre Kunden freiwillig zu benachrichtigen, selbst wo die Länder Stillschweigen nicht anordnen (z.B. bei Suizidgefahr oder Vermissten).
7. Den Datenzugriff durch eine elektronische Schnittstelle weiter zu erleichtern, ist unverhältnismäßig und verfassungswidrig.Unsere Position ist: Der Staat darf auf Kommunikationsdaten allenfalls mit richterlicher Anordnung und zur Aufklärung schwerer Straftaten oder zur Abwehr von Gefahren für wichtige Rechtsgüter zugreifen. Einen Zugriff durch Geheimdienste lehnen wir in jedem Fall ab, ebenso wie die Herausgabe von Zugriffscodes wie PINs und Passwörtern.
Die vollständige Stellungnahme mit Begründungen zu den einzelnen Punkten findet sich im AK-Vorrat-Wiki: http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/Bestandsdaten-StN
Dieser Beitrag gibt die persönliche Meinung der Autorin Katharina Nocun wieder und ist kein offizielles Statement des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung.
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Falsche Taktik, wir sollten auf Zeit spielen.
Das Gesetz soll von mir aus gerne durchkommen. ZUm INkrafttreten dann eine einstweilige Verfügung durch das BVerfG einholen (sollte bei dem Gesetz nicht schwer sein), die das Gesetz außer Kraft setzt. Wenn wir Glück haben gibt es dann bis Juni 2013 kein neues Gesetz und die Abfrage ist erstmal komplett vom Tisch.
Allein im Zeitraum 1990 bis 2011 Hat der Bundestag 139 verfassungswidrige Gesetze beschlossen.
Quelle: http://www.bundestag.de/dokumente/datenhandbuch/10/10_06/index.html
Dazu ist festzustellen, dass das nicht Einzelfälle unüberlegter Aussagen in einer überhitzten Adhoc-Diskussion waren, sondern diese Gesetze von angeblich kompetenten Ausschüssen erarbeitet, beraten, und auch den übrigen Parlamentariern im Bundestag vor der Abtimmung bekannt gemacht wurden. Auf „Versehen“ und „Missgeschick im Einzelfall“ kann sich da also niemand berufen.
Statt gegen diesen weiteren Versuch zum Verfassungsbruch zu protestieren, ist ein direkt vom Volk beschlossenes Gesetz mit Verfassungsrang notwendig, dem alle Parlamentarier unterworfen sind, so das es nicht von ihnen, sondern nur vom „Souverän“ geändert werden kann, das (als Vorschlag) folgendes besagt.
Wer sich an der Ausarbeitung verfassungswidriger Gesetze beteiligt, oder ihnen durch Zustimmung oder Enthaltung zustimmt, wird mit Freiheitsentzug nicht unter zwei Jahren und lebenslangem Auschluss von Betätigung in Legislative, Exekutive und Judikative bestraft. Auch der Versuch ist strafbar.
Für den Schutz des höchsten Gesetzes dieses Landes müssen besondere, wirksame Massnahmen getroffen werden, da es nicht sein kann, das Menschen, die gutbezahlt in den sensibelsten Bereichen des Staates arbeiten, bei Verfassungsbruch straffrei ausgehen, wärend der normale Bürger bei Übertretung untergeordneter Gesetzesnormen mit empfindlichen Strafen zu rechnen hat.
es reicht schon, wenn der generalstaatsanwalt von seiner weisungbindung gegenüber des justizministeriums befreit würde.
Nein, es kommt darauf an, wem Legislative, Exekutive und Judikative UNTERSTELLT sind, wer also das letzte Wort hat und somit der SOUVERÄN ist.
Im Moment ist das Volk den drei Bereichen unterstellt und Judikative + Exekutive sind der Legislative unterstellt, was gegen das GG verstösst. Sie von dieser Unterstellung zu befreien, das Verfassungsgericht „unabhängig“ zu machen, bedeutet einfach nur, dass dann die obersten Richter regieren.
Die entscheidende Frage ist aber, wer an der Spitze der Pyramide steht, wer den Ring hat, sie zu knechten, sie alle zu finden, ins Dunkel zu treiben und ewig zu binden.
Der vSouverän ist der, dem keiner was vorzuschreiben hat, oder nach Carl Schmitt : „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet.“
„Unabhängigkeit“ kann es in Hirarchien immer nur für den Souverän geben.
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