Bundestag soll am Freitag über die Vorratsdatenspeicherung abstimmen

Die Koalitionsfraktionen wollen den heftig umstrittenen Gesetzesentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung trotz massiver Proteste von allen Seiten noch in dieser Woche verabschiedungsreif machen.

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Trotz der massiven Proteste von allen Seiten gegen den Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und zur Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten soll der Bundestag am Freitagmittag in 2. und 3. Lesung endgültig über das Vorhaben entscheiden. Das bestätigten Vertreter der großen Koalition und der Opposition gegenüber heise online. "Das kommt auf die Tagesordnung", hieß es etwa bei der SPD-Fraktion, auch wenn die im Internet verfügbare Agenda für Freitag momentan noch nicht auf dem aktuellsten Stand sei. Zuvor werde Schwarz-Rot im federführenden Rechtsausschuss des Parlaments am Mittwoch vermutlich noch ein paar Änderungsanträge der Koalition absegnen. Es wird aber nicht erwartet, dass diese noch weit über die bereits abgesprochenen geringfügigen Änderungen etwa zum besseren Ausschluss der Verwertbarkeit von belastenden Zufallsfunden bei der Durchsuchung von Wohn- oder Arbeitsräumen von Journalisten vor Gericht hinausgehen.

In der SPD rumort es wegen dem geplanten Beschluss zur sechsmonatigen verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung allerdings teils heftig. So hat der Bonner Abgeordnete Ulrich Kelber bereits öffentlich angekündigt, das Vorhaben voraussichtlich entgegen der Parteidisziplin ablehnen zu wollen. Er behalte sich die Entscheidung zwar noch vor, um in Verhandlungen etwa in den Fraktionsarbeitsgruppen am morgigen Dienstag noch weitere Verbesserungen zu erreichen. Er werde sein Abstimmungsverhalten sowie eine kurze Begründung dazu aber auf jeden Fall auf seiner persönlichen Homepage dokumentieren. Generell plädiere er weiter dafür, mit der Umsetzung der EU-Vorgaben zur Aufzeichnung der elektronischen Nutzerspuren erst die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) über eine Klage Irlands gegen die entsprechende Richtlinie abzuwarten. Leider habe er sich mit dieser Ansicht bisher nicht durchsetzen können.

Die Oppositionsparteien, welche die Massendatenspeicherung durch die Bank ablehnen, haben noch letzte Änderungsanträge ins parlamentarische Verfahren eingebracht. So drängt die Fraktion der Grünen etwa darauf, die Klauseln zur Vorratsdatenspeicherung automatisch bei einer Nichtigkeitserklärung der Brüsseler Direktive außer Kraft zu setzen. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hatte jüngst dagegen erklärt, dass der Bundestag ein eigenständiges Gesetz erlasse und die Umsetzung der Protokollierung der Verbindungs- und Standortdaten daher höchstens gesondert außer Kraft gestellt werden müsse. Zugleich betonen die Grünen, dass der Vorschlag nichts an der grundsätzlichen Ablehnung der Maßnahme "aus bügerrechtlichen und datenschutzrechtlichen Gründen" ändere. Sie drängen überdies auf eine namentliche Abstimmung am Freitag.

Unterdessen hat der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Michael Konken, die Politik vor Einschnitten in die Pressefreiheit gewarnt. Die von der Bundesregierung geplante Speicherung von Telefon- und Internet-Verbindungsdaten auf Vorrat sei ein massiver Eingriff in die Grundrechte, sagte Konken zum Auftakt des DJV-Bundesverbandstages am Montag in Saarbrücken. Die 300 Delegierten rief er auf, für Informantenschutz und Pressefreiheit zu kämpfen. "Wir müssen unsere Volksvertreter wecken, denn später ist alles nicht mehr rückgängig zu machen", so Konken. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) wies die Befürchtungen zurück. "Ich glaube nicht, dass es eine substanzielle Bedrohung der Pressefreiheit in der Bundesrepublik Deutschland gibt", sagte er laut dpa. Die Pressefreiheit sei eines von vielen Grundrechten, jedoch "nicht der höchste Wert, der allen anderen vorgeht", so der Regierungschef mit Blick auf Pläne für eine Verschärfung von Sicherheitsgesetzen im Kampf gegen den Terrorismus. Die Pressefreiheit müsse mit "legitimen Sicherheitsinteressen" abgewogen werden.

Die Zahl der Städte, in denen unter der Federführung des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung am späten Dienstagnachmittag Protestkundgebungen gegen den Überwachungsvorstoß abgehalten werden sollen, ist derzeit auf über 40 gestiegen. Zudem haben die Gegner des Gesetzesentwurfs auf einer gesonderten Seite die Argumente der Befürworter der Vorratsdatenspeicherung kritisch beleuchtet. Demnach sind etwa zur Kriminalitätsbekämpfung auch ohne eine Totalprotokollierung jeder Benutzung von Telefon, Handy, E-Mail und Internet genügend Verbindungsdaten verfügbar. Sie betonen zudem den Wert einer freien und offenen Kommunikation für die Gesellschaft. Unterstützerorganisationen des Arbeitskreises wie die Humanistische Union oder die Grüne Jugend riefen besorgte Bürger noch einmal gesondert zur Teilnahme an den dezentralen Demonstrationen auf.

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(Stefan Krempl) / (vbr)