EU-Staaten arbeiten an neuen Ansätzen zur Vorratsdatenspeicherung

Im EU-Rat laufen Bemühungen auf Hochtouren, die Urteile des Europäischen Gerichtshofs gegen eine verdachtsunabhängige Protokollierung von Nutzerspuren zu umgehen. Metadaten sollen nun "anlassbezogen" monatelang aufbewahrt werden.

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EU-Staaten arbeiten an neuen Ansätzen zur Vorratsdatenspeicherung

(Bild: kb-photodesign/Shutterstock.com)

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Arbeitsgruppen des EU-Ministerrats suchen zusammen mit der bulgarischen Ratspräsidentschaft nach Möglichkeiten, wieder eine Art der Vorratsspeicherung von Verbindungs- und Standortdaten einzuführen. Dabei geht es darum, die aus Sicht von Strafverfolgern hinderlichen Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2014 und 2016 zu umschiffen, wonach eine anlasslose Protokollierung von Nutzerspuren grundrechtswidrig ist. Der EU-Rat hatte voriges Jahr beschlossen, alle verbliebenen Optionen für eine Überwachung mithilfe der begehrten Telekommunikationsdaten ausloten zu wollen.

Eine Strategie zielt laut einem vom Corporate Europe Observatory per Informationsfreiheitsabfrage erstrittenen Ratsdokument vom Oktober darauf ab, den Ermittlern über die geplante E-Privacy-Verordnung die Informationen zu erschließen, die Provider für eigene Geschäftszwecke wie zur Abrechnung oder zum Erhalt der Netzwerksicherheit für einige Tage beziehungsweise Wochen aufbewahren. So sollen die Metadaten künftig etwa nicht nur gespeichert und verarbeitet werden können, um Betrug oder Missbrauch zu verhindern, sondern allgemein auch im Kampf gegen "rechtwidrige Nutzungen".

Diese Formulierung würde jede Straftat oder jegliches illegale Verhalten über einen elektronischen Kommunikationsdienst einschließen. Vergehen müssten nicht mehr gegen den Betreiber selbst gerichtet sein. Zugleich sollen die Telekommunikationsfirmen angehalten werden, Verbindungs- und Standortdaten mindestens sechs Monate lang aufzubewahren. Innerhalb dieses Zeitraums könnten Strafverfolger auf sie zugreifen.

Ein zweiter, ebenfalls von der eigentlich für Datenschutz zuständigen Ratsarbeitsgruppe vorgeschlagene Weg würde Polizei und Justiz aus dem Bereich der E-Privacy-Verordnung ganz herausnehmen. Dies könnte "mehr Klarheit zum rechtlichen Kontext der Vorratsdatenspeicherung bringen", heißt es in dem bislang geheim gehaltenen Papier. Die vom EuGH ins Feld geführten Grundrechte könnte der Rat mit diesem Vorschlag freilich nicht aushebeln.

In einem Dokument von April, das die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch veröffentlicht hat, setzt die bulgarische Ratsspitze daher auf "erneuerbare Anordnungen" zur Datenspeicherung. Damit sollen mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattete Behörden nach dem österreichischen Modell Zugangs- und Diensteanbieter auf Basis nationaler Rechtsvorschriften anhalten können, Telekommunikationsdaten "anlassbezogen" unter bestimmten Bedingungen für eine gewisse Zeit lang zu archivieren. Solche Beschlüsse aus einzelnen Mitgliedsländern müssten dann für alle Provider in der EU gelten, betonen die Bulgaren, da sie sonst ineffektiv wären.

Die Initiative European Digital Rights (EDRi) befürchtet, dass es so durch die Hintertür wieder zu einer allgemeinen Vorratsdatenspeicherung käme. In einem offenen Brief hat sie die EU-Staaten aufgefordert, dies zu verwerfen. (anw)