Menu Content/Inhalt

Suche

Zitat

Newsfeeds

Wir speichern nicht - Weitere Informationen hier...

Arbeitskreis: Geplante Registrierung aller Flugreisen verfassungswidrig (14.01.2008) Drucken E-Mail

 +++ Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung: Mit der geplanten staatlichen Registrierung sämtlicher Flugreisen droht die nächste verfassungswidrige Vorratsspeicherung. Falls die Bundesregierung dem EU-Vorschlag zustimmt, werden wir Verfassungsbeschwerde dagegen einlegen. +++

Nach der totalen Protokollierung der Telekommunikation will EU-Innenkommissar Frattini nun die Flugreisen sämtlicher europäischer Bürger verdachtsunabhängig registrieren und 13 Jahre lang in Datenbanken aufbewahren lassen. Erfasst werden sollen sämtliche Flüge zwischen Europa und Nicht-EU-Staaten. Ein entsprechender Vorschlag liegt dem Bundesrat zur Beratung vor und wird am 31. Januar in dessen Innenausschuss beraten.

 Nach Angaben der EU-Kommission können die Fluggastdaten zum Abgleich „mit einer Reihe von Merkmalen und Verhaltensmustern zwecks Erstellung eines Risikoprofils“ verwendet werden, „um Flugreisende mit hohem Gefährdungspotenzial herauszufiltern“. Derartige Verfahren führen in den USA dazu, dass eine Vielzahl unschuldiger Menschen in Schwierigkeiten bei der Grenzabfertigung geraten, ihnen die Einreise verweigert wird, sie verhört oder gar inhaftiert werden. [1]

„Mit der Registrierung Millionen unbescholtener Urlauber und Geschäftsreisender droht der nächste Verfassungsbruch“, warnt der Jurist Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. „Das Bundesverfassungsgericht hat eine solche Vorratsdatenanhäufung eindeutig verboten – egal für welche Zeitdauer und welche Personen. Sollte die Bundesregierung das Grundgesetz gleichwohl erneut missachten, werden wir uns dagegen wieder durch Verfassungsbeschwerde zur Wehr setzen.“

Anders als die Vorratsdatenspeicherung soll die Fluggastdatensammlung im Wege eines sogenannten „Rahmenbeschlusses“ durchgedrückt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass EU-Rahmenbeschlüsse - anders als EG-Richtlinien - keinen Vorrang vor deutschem Recht haben und „von der deutschen Gerichtsbarkeit voll überprüft werden“. [2] Ein Rahmenbeschluss kann nur einstimmig, also nur mit Zustimmung der Bundesregierung, gefasst werden. SPD und Union haben im Bundestag die Möglichkeit, eine ablehnende Stellungnahme abzugeben, an die die Bundesregierung gebunden ist. Die Niederlande, Österreich, Schweden und Ungarn haben sich schon im Vorfeld ablehnend zu dem Vorhaben geäußert, während die Bundesregierung den Plan befürwortet hat. [3]

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung appelliert an Bundesrat und Bundestag, der Bundesregierung die Zustimmung zu dem verfassungswidrigen Vorhaben zu untersagen. Da für keine einzige Straftat – erst recht nicht für terroristische Anschläge - nachgewiesen ist, dass sie mit heute nicht verfügbaren Daten hätte verhindert werden können, ist der Vorschlag von vornherein untauglich. Stattdessen würde er Millionen von Euro verschlingen, die an anderer Stelle dringend benötigt werden, um etwa die radikalen Kürzungen der letzten Jahren bei Projekten zur Gewaltprävention und die Streichung von über 10.000 Stellen bei der Polizei [4] rückgängig zu machen. Nach Angaben der EU-Kommission würde die Flugdatensammlung allein im ersten Jahr 600 Mio. Euro Steuergelder kosten, in den Folgejahren jeweils 73 Mio. Euro. Die Fluggesellschaften würde das Vorhaben im ersten Jahr 18 Mio. Euro und in den Folgejahren je 7 Mio. Euro kosten. All diese Kosten wären letztlich vom Bürger durch Steuern oder höhere Flugpreise zu tragen.

„Die Bundesregierung verspricht Sicherheit, liefert aber nur sichere Einnahmen für die Überwachungsindustrie“, kritisiert denn auch Ricardo Cristof Remmert-Fontes vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung und ergänzt: "In einer freien Gesellschaft hat die Überwachung der Reisebewegungen jedes einzelnen ebenso wenig Platz, wie die Überwachung des Telekommunikationsverhaltens jedes einzelnen."


[1] Zehntausende fälschlich als Terrorverdächtige gelistet:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/67083

Herzkranker Deutscher unschuldig in USA inhaftiert:
http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/2007/t_cid-3710902_mid-3718350_.html

[2] Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum EU-Vertrag:
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv089155.html.

[3] Impact Assessment, Seite 38:
http://ec.europa.eu/dgs/justice_home/doc/sec_2007_1453_en.pdf

[4] Stellenkürzungen bei der Polizei:
http://www.gdp.de/gdp/gdpcms.nsf/id/p70606?Open&ccm=500020000&L=DE&markedcolor=%23003399


Weitere Dokumente:

Vorschlag der EU-Kommission:
http://www.bundesrat.de/cln_051/SharedDocs/Drucksachen/2007/0801-900/826-07,templateId=raw,property=publicationFile.pdf/826-07.pdf

Zusammenfassung der Folgenabschätzung:
http://www.europarl.europa.eu/registre/docs_autres_institutions/commission_europeenne/sec/2007/1422/COM_SEC(2007)1422_DE.pdf

Vollständige Folgenabschätzung (englisch):
http://ec.europa.eu/dgs/justice_home/doc/sec_2007_1453_en.pdf

Stellungnahme des europäischen Datenschutzbeauftragten (englisch):
http://www.edps.europa.eu/EDPSWEB/webdav/site/mySite/shared/Documents/Consultation/Opinions/2007/07-12-20_EU_PNR_EN.pdf

Stellungnahme des Unabhängigen Landesdatenschutzbeauftragten in Schleswig-Holstein:
https://www.datenschutzzentrum.de/flugdaten/20071204-rahmenbeschluss-pnr.html

 
< zurück   weiter >