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Bundesverfassungsgericht schränkt Vorratsdatenspeicherung ein - Zypries' Rücktritt gefordert Drucken E-Mail

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung begrüßt die heute (19.03.2008) verkündete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts [7], die von CDU, CSU und SPD beschlossene verdachtslose Sammlung der Verbindungs- und Standortdaten der gesamten Bevölkerung (Vorratsdatenspeicherung) durch einstweilige Anordnung einzuschränken. Die Verfassungsrichter entschieden: "In dem Verkehrsdatenabruf selbst liegt ein schwerwiegender und nicht mehr rückgängig zu machender Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG (Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses). Ein solcher Datenabruf ermöglicht es, weitreichende Erkenntnisse über das Kommunikationsverhalten und die sozialen Kontakte des Betroffenen zu erlangen."

Ralf Bendrath vom Netzwerk Neue Medien und aktiv im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung betont: "Das Verfassungsgericht ist bei Eilentscheidungen traditionell zurückhaltend. Dass die Richter in diesem Fall die Weitergabe der Daten auf die Verfolgung schwerer Straftaten beschränkt haben, zeigt, dass hier ein gravierender Grundrechtseingriff vorliegt. Die jüngsten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Online-Durchsuchung und KFZ-Kennzeichenerfassung machen deutlich, dass das Bundesverfassungsgericht dem Sicherheitswahn der Innenminister die Grundrechte entgegenhält."

"Wir sind weiter überzeugt, zusammen mit den mehr als 34.000 MitklägerInnen die verdachtslose Überwachung der Telekommunikation stoppen zu können", ist Werner Hülsmann, Vorstandsmitglied des FIfF e.V. und aktiv im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, überzeugt.

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordert als Konsequenz den Rücktritt der verantwortlichen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD). "Frau Zypries hat die Vorratsdatenspeicherung gegen den Willen des Bundestages ausgehandelt, einer EU-Richtlinie ohne Rechtsgrundlage zugestimmt und die Datenspeicherung unter Verstoß gegen die klare Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland durchzudrücken versucht. Dieser vorsätzliche Verfassungsbruch macht sie als Bundesjustizministerin untragbar", erklärt Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung, einer der Beschwerdeführer in Karlsruhe. "Frau Zypries hat die Öffentlichkeit systematisch getäuscht, etwa mit der vor dem Bundestag aufgestellten Behauptung, es gehe um 'schwerste Kriminalität' [1], während das Gesetz in Wahrheit jede 'mittels Telekommunikation' begangene Straftat betrifft, oder mit der Aussage, man setze die EG-Richtlinie 'in minimaler Weise um', während das Gesetz in Wahrheit weit über die Vorgaben aus Brüssel hinaus geht. Wir brauchen endlich wieder freiheitsfreundliche Innen- und Justizminister!"

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordert auch inhaltliche Konsequenzen aus der Entscheidung des Verfassungsgerichts: Deutschland muss die geplante staatliche Registrierung aller Flugreisen, mit der der die nächste verfassungswidrige Vorratsspeicherung droht, sofort stoppen, ebenso wie das Vorhaben zum millionenfachen Bruch des Postgeheimnisses durch Erfassung und Auswertung von Brief- und Paketsendungen. In einem freiheitlichen Rechtsstaat ist eine anlasslose, massenhafte, computerisierte Erfassung beliebiger Personen ins Blaue hinein nicht hinnehmbar. Allgemein ist ein Stopp für neue Überwachungs- und Sicherheitsgesetze und eine unabhängige Überprüfung aller seit 1968 beschlossenen Überwachungsgesetze auf ihre Wirksamkeit und schädlichen Nebenwirkungen dringend erforderlich. Eine "systematische Evaluation" fordert inzwischen selbst der Zweite Sicherheitsbericht der Bundesregierung mit der Begründung, "ohne gesichertes Wissen lässt sich alles irgendwie rechtfertigen". [3]

Eine weitere Verschleuderung von Steuergeldern droht aus Sicht der Bürgerrechtler aktuell unter anderem bei der geplanten Aufrüstung des Bundeskriminalamts einschließlich der Befugnis zum Einsatz von Online-Spionageprogrammen und bei der Einführung biometrischer Merkmale in Personalausweise. Ricardo Cristof Remmert-Fontes von der Humanistischen Union e.V. und aktiv im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung warnt: "Mit der zunehmenden zentralisierten Datenspeicherung geht die fortschreitende Zusammenführung von geheimdienstlichen mit polizeilichen Befugnissen einher, wie beim geplanten neuen BKA-Gesetz. Hier sollen in Zukunft noch dazu Weisungsgebundenheit und Rechenschaftspflicht weitgehend wegfallen. Zusammen mit dem Näherrücken von Innen- und Außenpolitik (Stichwort: Bundeswehr im Inneren) formt sich ein bedrohliches Bild vom Zustand unseres Rechtsstaates." Der Arbeitskreis fordert Union und SPD auf, diese Vorhaben unverzüglich zu stoppen.

Bis zur endgültigen Entscheidung gibt der Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internetnutzern auf seiner Webseite Tipps zur Umgehung der Speicherung. "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist auch ein Signal für die tausenden von Menschen, die sich auf der Straße, mit Briefen an Politiker und mit der Verfassungsbeschwerde gegen ihre willkürliche Überwachung zur Wehr gesetzt haben", erklärt Werner Hülsmann vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung.

Der Arbeitskreis Vorratsspeicherung ruft die Bürgerinnen und Bürger dazu auf, ihre Bundestagsabgeordneten zur Rede zu stellen, wie sie solche Verfassungsverstöße in Zukunft effektiv ausschließen wollen, etwa bei dem geplanten Gesetz zur Aufrüstung des Bundeskriminalamts und der beabsichtigten wahllosen Aufzeichnung von Flugreisen.

Der Arbeitskreis rät Bürgerinnen und Bürgern außerdem, sich wirksam vor einer Aufdeckung ihrer persönlichen und beruflichen Kontakte und Bewegungen zu schützen:

1. Fragen Sie den Datenschutzbeauftragten Ihres Telefonanbieters, Ihres Handyproviders, Ihres E-Mail-Anbieters und Ihres Internet-Zugangsanbieters, ob und für wie viele Tage Ihre Verkehrsdaten gespeichert werden. Verlangen Sie die unverzügliche Löschung der Daten und nutzen Sie Pauschaltarife (Flatrates). Speichert Ihr Anbieter trotzdem auf Vorrat, wechseln Sie zu einem anderen Unternehmen.

2. Nutzen Sie kostenlose und vorausbezahlte Dienste nur noch unter falschem Namen (z.B. E-Mail-Konten, Prepaid-Handykarten). Dies ist auch in Zukunft vollkommen legal.

3. Nutzen Sie Anonymisierungsdienste und -software für sensible Aktivitäten im Internet. Weitere Informationen finden sich auf der Internetseite des Arbeitskreises [4].

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung bietet eine CD mit Anonymisierungssoftware für Internetnutzer an, mit deren Hilfe die verbreitete "freiwillige" Datenspeicherung durch Anbieter umgangen werden kann [5].

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung ist ein bundesweiter Zusammenschluss von Bürgerrechtlern, Datenschützern und Internet-Nutzern und wird von über 45 Bürgerrechtsorganisationen, Berufsverbänden und Gewerkschaften in seiner Arbeit unterstützt [6].

Quellen:

[1] Rede von Brigitte Zypries im Bundestag:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/166/79/

[2] Verwendung von Telekommunikationsdaten:
http://www.daten-speicherung.de/index.php/
neue-zahlen-zur-ueberwachung-von-telefon-und-internetnutzern/

[3] Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht der Bundesregierung:
http://www.bmj.bund.de/files/-/1485/
2.%20Periodischer%20Sicherheitsbericht%20Langfassung.pdf

[4] Datenfrei kommunizieren:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/56/77/

[5] CD "Freiheit statt Angst":
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/123/113/

[6] Liste aller Unterzeichner der "Gemeinsamen Erklärung gegen die Vorratsdatenspeicherung":
http://erklaerung.vorratsdatenspeicherung.de

[7] Die heutige Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts:
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/images/pm_37-08.pdf  

Ansprechpartner für die Presse

  • padeluun, Tel. 0521 / 175254
  • Ricardo Cristof Remmert-Fontes, Tel. 030-94881297 oder Mobil. 0170-2487266
  • Werner Hülsmann, am 19. und 20 März: Tel. 08266 / 869 3676, sonst 07531-365 90 56 oder Mobil. 0177-2828681
  • Ralf Bendrath, Tel. 0179-2154614

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