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Management-Bespitzelung Telekom-Chef Obermann "zutiefst erschüttert" über Spionage-Skandal

Beispiellose Bespitzelungsaffäre bei der Deutschen Telekom: Das Unternehmen hat zwischen 2005 und 2006 mehr als ein Jahr lang Manager und Aufsichtsräte abgehört, um undichte Stellen aufzuspüren. Telekom-Chef Obermann verspricht "lückenlose Aufklärung".

Bonn - Telekom-Chef René Obermann hat auf einen SPIEGEL-Bericht reagiert, dem zufolge das Unternehmen Aufsichtsräte, Manager und Journalisten bespitzelt haben soll. "Wir haben die Staatsanwaltschaft eingeschaltet und werden sie bei ihren Bemühungen um eine lückenlose Aufklärung unterstützen", sagte Telekom-Chef René Obermann am Samstag. Nach derzeitigen Erkenntnissen sei es 2005 und 2006 - damals war Kai-Uwe Ricke Vorstandschef - zu Fällen von missbräuchlicher Nutzung von Verbindungsdaten gekommen. Am 14. Mai habe das Unternehmen Anzeige erstattet. Die Bonner Staatsanwaltschaft ermittle in dem Fall.

"Ich bin über die Vorwürfe zutiefst erschüttert. Wir nehmen den Vorgang sehr ernst", sagte Obermann. Zusätzlich zur Staatsanwaltschaft sei auf Wunsch des Vorstands und Aufsichtsrats eine Kölner Anwaltskanzlei mit einer unabhängigen Untersuchung der Vorfälle beauftragt worden.

Um undichte Stellen im Vorstand und Aufsichtsrat aufzuspüren, sammelte und überprüfte der Konzern nach SPIEGEL-Informationen über ein Jahr lang Telefonverbindungsdaten von Aufsichtsräten und Managern. Eine Berliner Beratungsfirma sollte diese Datensätze auswerten und mit den Telefonnummern von Journalisten abgleichen.

In einem Fax der Firma, das vor wenigen Wochen erste interne Ermittlungen bei der Telekom auslöste, heißt es: Ziel der Spähoperationen "Clipper", "Rheingold" und einiger anderer "Nebenprojekte" sei die "Auswertung mehrerer hunderttausend Festnetz- und Mobilfunk-Verbindungsdatensätze der wichtigsten über die Telekom berichtenden deutschen Journalisten und deren private Kontaktpersonen" gewesen. In das Büro eines Wirtschaftsjournalisten soll sogar ein "Maulwurf eingeschleust" worden sein, der über Monate "direkt an die Konzernsicherheit" der Telekom berichtet habe, hieß es in dem dreiseitigen Fax, das dem SPIEGEL vorliegt.

"Die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen"

Im Sommer 2007 sei das Unternehmen aufgrund interner Hinweise einem Einzelfall nachgegangen und habe diesen Vorfall aufklären können, teilte der Bonner Konzern mit. Als Konsequenz daraus sei es zu weitreichenden personellen und organisatorischen Veränderungen in der Konzernabteilung Sicherheit gekommen. Die Abteilung sei komplett umgebaut und mit neuen Kontrollmechanismen ausgestattet worden. Der ehemalige Ministerialdirektor Reinhard Rupprecht sei noch 2007 als Sicherheitsbevollmächtigter eingesetzt worden, erklärte Obermann, der seit November 2006 an der Telekom-Spitze steht.

Am 28. April dieses Jahres kamen dann laut Telekom-Vorstand "neue, wesentlich umfangreichere und noch gewichtigere Vorwürfe" auf. Daraufhin erstattete der Konzern Anzeige.

"Mit unserem Vorgehen wollen wir höchst mögliche Transparenz erreichen und der Strafjustiz ermöglichen, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen", erklärte Obermann. Im Interesse der staatsanwaltlichen Prüfung könne sich das Unternehmen derzeit nicht weiter zu Details äußern. Gründe für den missbräuchlichen Gebrauch der Daten wurden nicht genannt. Nach Angaben der Telekom wurden keine Gespräche abgehört. Der damalige Vorstandschef Ricke bestreitet sämtliche Vorwürfe: "Ich habe niemals illegale Aufträge erteilt und erst recht zu keinem Zeitpunkt angeordnet, Telefonverbindungsdaten auszuspähen."

Die Bonner Staatsanwaltschaft prüft inzwischen die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens. Informiert wurden von der Telekom nach SPIEGEL-Informationen auch das Kanzleramt, das Bundesfinanzministerium und Teile des Aufsichtsrats. Sollten sich die Vorwürfe auch nur teilweise bestätigen, würde es in den Ermittlungen um Straftaten wie Bruch des Fernmeldegeheimnisses, Bestechung und Erpressung gehen.

Zuletzt hatte es immer wieder Bespitzelungsvorwürfe gegen deutsche Unternehmen gegeben. So hatte Lidl in etlichen Filialen wochenlang seine eigenen Mitarbeiter heimlich durch Privatdetektive überwachen lassen. Auch bei anderen Discountern wie Aldi, Penny, Plus, Netto und Norma und selbst bei anspruchsvolleren Märkte wie Rewe, Edeka, Tegut, Hagebau oder Famila soll es laut "Stern" Bespitzelungen gegeben haben.

Zuletzt geriet der Fast-Food-Riese Burger King in die Kritik. Das Unternehmen musste einräumen, dass die Gründungsversammlung eines Betriebsrats am 21. April in einer Münchner Restaurantfiliale aufgezeichnet wurde.

sto/ddp/Reuters/AP

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