Verfassungsklage gegen Vorratsdatenspeicherung in Ungarn

Während die Parlamente in Tschechien und in den Niederlanden kurz vor der Befürwortung einer einjährigen Protokollierung von Nutzerdaten stehen, haben Bürgerrechtler in Ungarn das Verfassungsgericht angerufen.

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Auch in anderen europäischen Ländern dauern die Proteste gegen die verdachtsunabhängige Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten an, die hierzulande im Lichte der Telekom-Bespitzelungsaffäre gerade erneut zunehmen. Anfang der Woche erhob die ungarische Bürgerrechtsorganisation HCLU (Hungarian Civil Liberties Union) Verfassungsklage gegen die Verpflichtung von Telekommunikationsanbietern zur Protokollierung von Nutzerspuren im entsprechenden Gesetz C, dass die elektronische Kommunikation in Ungarn regelt. Die zivilgesellschaftliche Institution verlangt die Rücknahme der Klauseln zur Vorratsdatenspeicherung in der Bestimmung. Diese waren am 15. März in Kraft getreten.

Für den Telefoniebereich hatte der ungarische Gesetzgeber bereits zuvor harsche Vorgaben aufgestellt. In der Novelle ging es darum, diese auch auf den Internetverkehr auszuweiten und so die EU-Vorgaben zur Aufbewahrung von Verbindungs- und Standortdaten umzusetzen. Dabei haben die Parlamentarier die alten, vergleichsweise laxen Zugangshürden zu den Datenhalden nun komplett gestrichen. Die Bürgerrechtler monieren daher in ihrer Klage, dass Ermittler entgegen früherer Entscheidungen des ungarischen Verfassungsgerichts ohne Angabe von Zwecken in den Bergen von Bits und Bytes schürfen dürfen. Dies sei ein klarer Verstoß gegen die EU-Richtlinie, welche eine Beschränkung des Zugriffs auf die Verfolgung "schwerer Straftaten" verlange. Neben dem Datenschutz seien zudem andere Grundrechte wie die Meinungs-, Presse- oder Versammlungsfreiheit bedroht. Hierzulande haben rund 34.000 Bürger das Bundesverfassungsgericht wegen der hiesigen sechsmonatigen Vorratsdatenspeicherung angerufen.

Die Volksvertretungen in Tschechien und den Niederlanden stehen derweil kurz vor dem Abschluss der Implementierung der entsprechenden EU-Richtlinie zur Aufzeichnung der elektronischen Fußstapfen. In dem osteuropäischen Land gibt es bereits eine Verordnung zur einjährigen Vorratsdatenspeicherung im Telefonsektor. Diese soll nun durch ein richtiges Gesetz unter Einbezug der Internetdaten ergänzt werden.

Die tschechische Bürgerrechtsorganisation Iuridicum Remedium (IuRe), die dem Dachverband "European Digital Rights"-Initiative angehört, scheiterte im Rahmen der Überarbeitung des Kommunikationsgesetzes mit dem Änderungsvorschlag, die Speicherfrist auf sechs Monate herabzusetzen. Nicht von Erfolg gekrönt waren auch die Vorstöße, die sich derzeit auf rund 6,5 Millionen Euro pro Jahr belaufenden Entschädigungskosten nicht mehr vom Staat zahlen zu lassen sowie die Nutzung der Daten allein der Polizei und nicht auch den Geheimdiensten zu erlauben. Der Entwurf muss nur noch vom tschechischen Senat abgesegnet werden, was als Formsache gilt. Künftig könnte der Verkehrsminister dann den Umfang der Speicherfristen selbst vorgeben.

Das holländische Parlament, die Tweede Kamer, hat Ende Mai die von der Regierung vorgeschlagene anderthalbjährige Vorhaltefrist für Verbindungs- und Standortdaten auf ein Jahr verkürzt. Sie folgten damit einer Empfehlung von Forschern der Erasmus-Universität. Diese hatten zunächst keine Notwendigkeit für eine über drei Monate hinausgehende Speicherfrist gesehen, sich nach Gesprächen mit Strafverfolgungsbehörden aber für zwölf Monate ausgesprochen. Mit verabschiedet haben die niederländischen Abgeordneten auch eine Liste der aufzubewahrenden Daten.

Im Gegensatz zu den Brüsseler Vorgaben, die im Internetsektor "nur" die Sammlung von Verbindungsinformationen bei E-Mail und VoIP verlangen, enthält die Aufzählung diese Einschränkung nicht. Streit gibt es in den Niederlanden noch über die Entschädigung der zu Hilfspolizisten: die allgemeinen Kosten für die technische Aufrüstung der Provider sollen zumindest nicht erstattet werden. Dem Gesetzesentwurf muss noch Senat zustimmen, der nach Ansicht von Beobachtern die Frage der Vorratsdatenspeicherung in den vergangenen vier Jahren zunehmend kritisch gesehen hat. (Stefan Krempl) / (vbr)