Europäischer Gerichtshof verhandelt über Vorratsspeicherung von TK-Daten

Irland geht es bei der Klage gegen die Vorratsspeicherung aller Telekommunikations- und Internet-Verbindungsdaten der EU-Bürger um die gewählte Rechtsgrundlage. Die Slowakei, die sich der Klage angeschlossen hat, führt auch Datenschutzprobleme an.

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Von
  • Monika Ermert

Beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg werden heute die Parteien in der Klage gegen die in Europa nach wie vor hoch umstrittene EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung aller Telekommunikations- und Internet-Verbindungsdaten der EU-Bürger gehört. Geklagt hatte die Republik Irland gegen Parlament und Rat, die die Richtlinie vor zwei Jahren nach heftigen Diskussionen beschlossen haben. Den Iren geht es dabei aber nicht um eine mögliche Verletzung grundlegender Ansprüche auf den Schutz von Daten und Privatsphäre. Vielmehr klagt Irland gegen die gewählte Rechtsgrundlage, also die Verabschiedung als Richtlinie von Parlament und Rat. Irland wird dabei von der Slowakei unterstützt, die der Klage beigetreten ist.

Irland hatte 2004 gemeinsam mit Frankreich, Schweden und Großbritannien für einen Rahmenbeschluss des Rates zur Speicherung der Telekommunikations- und Internetverbindungsdaten aller EU-Bürger geworben. Der Rat hatte sich aber, wie der Berichterstatter in der heutigen Verhandlung noch einmal resümierte, in seiner Sitzung im Dezember 2005 dafür entschieden, stattdessen eine Richtlinie auf den Weg zu bringen. Diese erfordert die Zustimmung des Parlaments im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens.

Das Hauptargument der Iren und Slowaken im Verfahren vor dem EuGH lautet, dass es bei der Richtlinie um den Kampf gegen schwerwiegende Straftaten gehe und nicht um eine Harmonisierung nationaler Gesetze der Mitgliedsstaaten zur Schaffung eines gemeinsamen Binnenmarktes. Der als Rechtsgrundlage für die Direktive gewählte Artikel 95 des EU-Vertrags umfasse aber genau solche Maßnahmen, die "in ihrem Kern" diese Harmonisierung betreffen. In EU-Deutsch betrifft dies den so genannten ersten Pfeiler der Gemeinschaft. Die Slowakei unterstrich das Argument in ihrem Antrag an den Gerichtshof. Es gehe in der Direktive nicht um die Beseitigung von Hindernissen und Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt. "Die Richtlinie harmonisiert die Bevorratung von Daten über den Zweck der wirtschaftlicher Notwendigkeiten hinaus, um staatliche Aktivitäten im Bereich der Strafverfolgung zu erleichtern, daher kann sie nicht im Rahmen der Gemeinschaftskompetenz verabschiedet werden", heißt es im Sitzungsbericht des Berichterstatters.

Die Parteien der anderen Seite (EU-Rat und -Parlament, unterstützt von der EU-Kommission, den Niederlanden und Spanien) führen dagegen ins Feld, dass es in der Tat darum gehe, unterschiedliche Zeiträume für die Bevorratung der Daten durch private Unternehmen zu vereinheitlichen. Immerhin, so die Einlassungen der Kommission, variierten die von den Mitgliedsstaaten vorgesehenen Speicherfristen zwischen 3 Monaten in den Niederlanden und vier Jahren beim Kläger Irland selbst. Durch solch unterschiedliche Auflagen werde die Wirtschaft in den Mitgliedsländern ungleich belastet. Die eigentlichen Fragen des Zugriffs auf die von der Wirtschaft gespeicherten Daten durch die Behörden, und damit die strafprozessualen Fragen, oblägen dagegen vollständig den Mitgliedsstaaten. Daher sei das Instrument auch richtig gewählt.

Für den juristischen Laien mag diese Argumentation, von Rat, Parlament und Kommission vorgetragen, ein wenig nach einem juristischen Trick klinge – ähnlich dem hierzulande oft gehörten Argument der Befürworter der Vorratsdatenspeicherung, dass der Staat natürlich nicht für eine besondere Sicherung der auf sein Geheiß aufbewahrten Daten verantwortlich sei. Dies aber ist nach dem Skandal um den missbräuchlichen Zugriff auf bei der Deutschen Telekom gespeicherte Daten ein nicht mehr unbedingt zugkräftiges Argument.

Eine weitere juristische Spezialfrage, die die Parteien den Richtern mit auf den Weg gegeben haben, ist außerdem, inwieweit die durch die Vorratsdatenspeicherung notwendige Änderung der EU-Datenschutzrichtlinie durch eine strafrechtsbezogene Maßnahme möglich ist. Der Europäische Datenschutzbeauftragte Peter Hustinx, der interessanterweise auf Seiten der EU-Institutionen steht, sieht durch die Wahl einer Richtlinie als Mittel ein einheitliches Regime im Datenschutz gewahrt. Gehe man davon aus, dass die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung nicht auf Grundlage des EU-Vertrages verabschiedet werden dürfe, würde das auch bedeuten, erklärte der oberste EU-Datenschützer, dass die einschlägigen EU-Datenschutzrichtlinien (95/46 und Direktive 2002/58) nicht für zum Zweck der Strafverfolgung gespeicherte Daten gelten.

Neben all diesen Verfahrensfragen bringt am Ende die Slowakei, anders als Irland, doch auch noch das Datenschutzargument ins Spiel. Die Bevorratung persönlicher Daten in dem geforderten Maß versteige sich zu einem erheblichen Eingriff in die Rechte des Einzelnen auf den Schutz seiner persönlichen Daten, so der Vortrag der Slowakei laut dem Berichterstatter. Inwieweit das Gericht dieses Argument, das nicht vom Hauptkläger genannt wurde und nicht eigentlich Gegenstand der Klage ist, aufgreift, bleibt abzuwarten. Bis zu den Schlussanträgen werden nach der mündlichen Verhandlung noch einige Wochen vergehen, sagte ein Sprecher des Gerichts in Luxemburg.

Auf Basis der nun vor Gericht verhandelten EU-Richtlinie sind in Deutschland zum 1. Januar dieses Jahres Regelungen zur Vorratsspeicherung von Telekommunikations- und Internet-Verbindungsdaten eingeführt worden, die eine sechsmonatige Speicherung der Daten bei den Providern und Carriern vorsehen, auf die Strafverfolger bei der Verfolgung von Straftaten und zur Gefahrenabwehr zugreifen dürfen. Allerdings hat der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung im Februar über 34.000 Klageschriften gegen die Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Das Bundesverfassungsgericht hat daraufhin die Regelungen in einer Eilentscheidung bis zu einem Urteil im Hauptsacheverfahren eingeschränkt: Telekommunikationsfirmen müssen demnach zwar Verbindungs- und Standortdaten der Nutzer verdachtsunabhängig sechs Monate vorhalten. Sicherheitsbehörden dürfen darauf aber nur zur Verfolgung schwerer Straftaten zugreifen. Zudem muss der Verdacht durch bestimmte Tatsachen begründet und die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos sein. In dem von Parlament und Bundesrat beschlossenen Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ist dagegen beispielsweise auch vorgesehen, dass Ermittler sowie prinzipiell Geheimdienste etwa auch bei "mittels Telekommunikation begangener Straftaten" auf die gespeicherten Verbindungsdaten zugreifen dürfen.

Mittlerweile hat auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di vor dem Bundesverfassungsgericht Klage gegen die deutschen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung eingereicht: Es bestehe grundsätzliche Kritik an dem Gesetz, mit dem Gesetz werde allein schon durch die massenhafte Speicherung von Daten das Risiko eines Datenmissbrauchs drastisch erhöht. Damit ist neben der Pressefreiheit und der Telekommunikationsfreiheit aber auch die Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft gefährdet, betonte ver.di. Die Verfassungsbeschwerde richte sich vor allem gegen eine Beeinträchtigung dieser Koalitionsfreiheit, die durch Artikel 9 des Grundgesetzes geschützt sei. (Monika Ermert) / (jk)