Vorratsdatenspeicherung auf EU-Ebene: Showdown in Luxemburg

Der EuGH verhandelt über die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung. Geklagt hat Irland - und das, obwohl das Land die Richtlinie am liebsten verschärfen würde.

Argumentation à la EU: Beeinträchtigen hohe Speicherungskosten für Telefonfirmen den Binnenmarkt? Bild: dpa

Es ist wie beim Domino: Wenn die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung fällt, dann dürfte wohl auch das entsprechende deutsche Gesetz nicht bestehen bleiben. Am Dienstag verhandelte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg über die Rechtmäßigkeit der EU-Richtlinie.

Im Februar 2006 beschloss der EU-Ministerrat die europaweite Einführung der Vorratsdatenspeicherung. Das heißt, dass die Verbindungsdaten der Telekommunikation (wer telefoniert mit wem wie lange) für polizeiliche Zwecke mindestens sechs Monate lang gespeichert werden müssen. Zu speichern sind auch Daten zum E-Mail-Verkehr und Internetnutzung. Bei Mobiltelefonen ist zudem der Ort des Telefonats festzuhalten. In Deutschland wurde die Richtlinie zum Jahresbeginn umgesetzt.

Gegen diese Richtlinie hat Irland geklagt. Dabei ist Irland gar nicht grundsätzlich gegen die Vorratsdatenspeicherung. Im Gegenteil: Gemeinsam mit anderen Staaten hatte das Land 2004 eine noch längere Mindestspeicherung von 12 Monaten vorgeschlagen. Irland findet lediglich, dass der Ministerrat das falsche Verfahren gewählt hat. Statt einer Richtlinie (zur Harmonisierung des Binnenmarkts) wäre ein Rahmenbeschluss (zur Kriminalitätsbekämpfung) korrekt gewesen. Praktischer Unterschied: Bei der Richtlinie wird mit Mehrheit abgestimmt, beim Rahmenbeschluss wäre Einstimmigkeit erforderlich gewesen.

"Es ist ein fundamentaler Fehler", betonte am Dienstag der irische Vertreter, "hier eine Richtlinie zu beschließen. Die Maßnahme dient klar und unzweideutig der Bekämpfung von Straftaten." Irland wurde dabei nur von der Slowakei unterstützt.

Jean-Claude Piris, der Vertreter des Ministerrates, erinnerte daran, dass nach den Anschlägen von 2001 mehrere Staaten eine nationale Vorratsdatenspeicherung eingeführt hatten. Wegen der hohen Speicherungskosten für die Telefon- und Internetfirmen habe dies den Binnenmarkt beeinträchtigt. Der Rat wurde am Dienstag von vielen Seiten unterstützt, unter anderem von der EU-Kommission. Auch das Europäische Parlament sprach sich für den Beschluss per Richtlinie aus, weil es nur dann mitentscheiden kann. Es hatte der Richtlinie zugestimmt, nachdem auf seinen Druck hin ein Richtervorbehalt sowie Schutzklauseln für Anwälte und andere Träger von Berufsgeheimnisen eingefügt worden waren. Selbst EU-Datenschützer Peter Hustinx warnte, dass bei einem Rahmenbeschluss das EU-Datenschutzrecht nicht anwendbar wäre.

Die deutschen Kritiker der Vorratsdatenspeicherung halten dagegen Irland die Daumen. "Wir gehen davon aus, dass der EuGH die Richtlinie für nichtig erklären wird", sagte Suat Kasem vom AK Vorrat. Immerhin hat der EuGH im Mai 2006 ein EU-USA-Abkommen zur Nutzung von Fluggastdaten gekippt, weil es der Krimininalitätsbekämpfung diente und nicht dem Binnenmarkt.

Sollte die Richtlinie fallen, würde das deutsche Umsetzungsgesetz zwar zunächst bestehen bleiben. Die Bundesregierung würde die Vorratsdatenspeicherung, die sie befürwortet, wohl auch nicht freiwillig zurücknehmen. Die Gegner hoffen aber auf das Bundesverfassungsgericht, bei dem mehr als 30.000 Bürgerklagen anhängig sind. Schon im Frühjahr hat Karlsruhe die Nutzung der gespeicherten Daten bis zum Urteil per Eilbeschluss eingeschränkt. Derzeit kann Karlsruhe nur prüfen, ob Deutschland bei der Umsetzung der Richtlinie verfassungswidrig über die EU-Vorgaben hinausging. Wenn aber die Richtlinie nichtig ist, könnte Karlsruhe die Vorratsdatenspeicherung ganz grundsätzlich prüfen - und dann würde sie vermutlich als unverhältnismäßig beanstandet.

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