EU-Rat verfolgt eigenen Weg bei Fluggastdaten

Die französische Ratspräsidentschaft will den Vorschlag der EU-Kommission zum Aufbau eines EU-weiten Systems zur Sammlung von Passenger Name Records (PNR) im Kern vorantreiben, den Streit um die Rechtsgrundlage aber ausklammern.

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Die französische EU-Ratspräsidentschaft will den umstrittenen Vorschlag der EU-Kommission zur europaweiten 13-jährigen Speicherung von Fluggastdaten im Kern vorantreiben, den Streit um die Rechtsgrundlage aber ausklammern. Dies geht aus einem Bericht (PDF-Datei) der Franzosen hervor, den die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch jetzt veröffentlicht hat. Die Mitgliedsstaaten sollen demnach ihren Fokus "auf die Substanz" des Vorhabens zum Aufbau eines eigenen Systems zur Vorhaltung und Auswertung von Passenger Name Records (PNR) legen.

Auf welchen rechtlichen Füßen das Projekt stehen solle, sei dagegen erst nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten zu entscheiden, meint Paris. Auch bei dieser anhängigen Klage geht es darum, ob Kommission und EU-Parlament oder der Rat die Federführung zu übernehmen gehabt hätten.

Prinzipiell glaubt Frankreich, dass die Einführung eines europäischen PNR-Systems "eine bedeutende Rolle beim Aufbau eines gemeinsamen Sicherheitsgebiets spielen wird". Es sei paradox, dass die EU dem Transfer von Flugpassagierdaten in Drittstaaten wie die USA, Kanada oder Australien zugestimmt, selbst aber noch kein Gesetz erlassen habe, "um die Vorteile aus einem solchen System zu ziehen". Dass es sich dabei um ein "nützliches Instrument" handle, hätten Erfahrungen in "einigen Mitgliedsstaaten" gezeigt".

Es sei "natürlich erforderlich", dass im Rahmen des Vorhabens "die Verpflichtung der Union zur vollständigen Achtung von Grundrechten" berücksichtigt werde, geht die Präsidentschaft noch knapp auf die grundsätzliche Kritik an dem Vorhaben von Bürgerrechtlern und Datenschützern sowie etwa auch Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) ein. Dies sei auch einer der Hauptgründe dafür, dass die Minister entsprechend einem lange gehegten Wunsch das EU-Parlament gern eng in die Begutachtung des Vorschlags der Kommission einbeziehen würden. Eine konkrete Stellungnahme der Volksvertreter steht derzeit noch aus. Innenpolitiker haben aber bereits ihre Skepsis durchblicken lassen.

Die französische Regierung will nun der Arbeitsgruppe des Rates für die Bekämpfung des organisierten Verbrechens zunächst unter die Arme greifen, die erwünschten Merkmale eines europäischen PNR-Systems herauszuarbeiten. Die Schlussfolgerungen des Gremiums sollen dann den Justiz- und Innenministern zur Besprechung auf einem ihrer nächsten Ratstreffen zugeleitet werden. Als offene Diskussionspunkte führt der Bericht der Franzosen etwa die "Flexibilität", die "funktionale und geographische Reichweite" sowie den "Zweck" der im Raum stehenden Überwachungsmaßnahme an. Auch die eigentliche Funktionsweise, der Datenschutz, die Kosten oder die Zugriffsmöglichkeiten für Drittstaaten seien noch unklar.

Öffentlich ist bereits die Antwort (PDF-Datei) aus Österreich auf das Papier aus Paris. Die Regierung der Alpenrepublik begrüßt demnach den Ansatz der Präsidentschaft, den ursprünglichen Vorschlag der Kommission gleichsam zu den Akten zu legen und eine thematische Diskussion zu beginnen. Geht es nach den Österreichern, muss aber an vorderster Front die Rechtsbasis des geplanten Instruments debattiert werden. Die Notwendigkeit und die Nützlichkeit sei Anbetracht der Vielzahl bereits bestehender einschlägiger Datenbanken zudem erst einmal zu belegen. Zu klären sei auch, ob ein PNR-System isoliert dastehen oder Teil eines umfassender Konzepts sein solle. Erst nach Klärung dieser Fragen, zeigt sich Wien sperrig, könne über andere Punkte diskutiert werden.

Weiter mahnen die Österreicher von vornherein die enge Einbeziehung des EU-Parlaments an und pochen auf ein "starkes und schlüssiges Datenschutzregime". Im Falle eines Falles sei zudem einem zentralisierten System der Vorrang vor dem bisher debattierten Ansatz mit einzelnen Datenbanken in den Mitgliedsstaaten gegeben werden. Zuvor hatten sich in die Auseinandersetzung um die Fluggastdaten Grenzpolizisten und Zollbeamte des Europarates eingeschaltet und eine deutliche Ausweitung der Datenvorhaltung sowie der Zugangsmöglichkeiten für Strafverfolger gefordert. (Stefan Krempl) / (vbr)