BKA-Honeypot www.bka.de

Die Homepage des Bundeskriminalamts hat den Kriminalisten als Honeypot gedient, um Mitglieder der "militanten gruppe" (mg) identifizieren zu können. Die gesamte Aktion des BKA erbrachte offenbar keine Erkentnisse zur Struktur der militanten gruppe.

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Von
  • Detlef Borchers

Die Homepage des Bundeskriminalamts hat den Kriminalisten als Honeypot gedient, um Mitglieder der "militanten gruppe" (mg) identifizieren zu können. Dies wurde im Rahmen eines Berliner Prozesses bekannt, der gegen drei Personen geführt wird, die der versuchten Brandstiftung von Bundeswehrfahrzeugen angeklagt sind. Mit der Aufdeckung des Sachverhaltes werden die Hintergründe der kürzlich gestoppten Homepageüberwachung des BKA sichtbar.

Seit September 2007 war nach einem Bericht des Tagesspiegels bekannt, dass das Bundeskriminalamt seit 2004 die IP-Adressen der Besucher seiner Website speicherte und versuchte, diese Adressen bestimmten Kreisen zuzuordnen. Über die IP-Adressen wollte das BKA Besucher der "militanten gruppe" ermitteln. Nun wurde in einem Prozess bekannt, dass das BKA selbst Texte verfasste, mit denen mutmaßliche Mitglieder oder Sympathisanten der Gruppe auf die Homepage des BKA gelockt wurden: Durch ein Versehen der Behörden konnten die Anwälte einen Vermerk in einer Sachstands-Handakte des BKA lesen, der eigentlich gelöscht sein sollte:

"Nur für die Handakte: Der Text wurde vom BKA verfasst und an die Interim versandt, um eine Reaktion bei der 'militante gruppe' (mg) zu provozieren und gleichzeitig auf die Homepage des BKA (Homepageüberwachung) hinzuweisen."

In der fraglichen Zeitschrift Interim wurde seinerzeit eine Militanzdebatte geführt. Dabei ging es unter anderem um die Frage, welche Form der Gewalt bei Anschlägen noch eine "revolutionäre Aussage" transportiert. Die schriftlich eingereichten Beiträge wurden in der Zeitschrift Interim veröffentlicht. Unter dem Tarnnamen "Die zwei aus der Muppetshow" beteiligte sich das BKA mit zwei Beiträgen an der Debatte. In dem vom BKA verfassten Text (PDF-Datei) heißt es:

"Kein Wort auf Indymedia und nichts in der Interim (noch nicht mal im geschmeidigen Vorwort). Und wo spuckt die Suche im Nirwana uns die Wirklichkeit aus? Und auch die bürgerliche Presse schweigt auf der Suche nach Wahrheit. Ausgerechnet auf der Homepage der BKA-Schergen (ein Tabu wird gebrochen) müssen wir uns ob der Zielgenauigkeit der Aktion eines Besseren belehren lassen, wie tief müssen wir noch sinken?"

Die Formulierung sollte dazu animieren, die Website des BKA aufzusuchen und dort die Informationen über die militante gruppe abzurufen. Dies wurde nach dem Prozessbericht vom gestrigen Verhandlungstag vom BKA auch nicht mehr abgestritten. Der Antrag der Verteidigung, die besagte Akte mit dem kompromittierenden Inhalt zu beschlagnahmen, wurde vom Gericht abgelehnt, weil es sich um eine Amtsakte einer Polizeibehörde handelte, nicht um eine persönliche Akte. Der zuständige BKA-Ermittler wurde gefragt, ob er seine Akte freiwillig hergebe. Dies verneinte er mit dem Hinweis auf weitere Termine.

Die gesamte Aktion des BKA erbrachte offenbar keine Erkentnisse zur Struktur der militanten gruppe. Nach dem Muppetshow-Kommentar wurden 417 IP-Adressen ermittelt. Zum Gros dieser IP-Adressen konnten keine Nutzerdaten ermittelt werden, weil die Provider seinerzeit die Daten zu kurz speicherten. Weitere Daten gehörten Behörden und Presseorganen. Nur die deutsche Telekom konnte für 120 IP-Adressen Nutzerdaten vorlegen, die im aktuellen Verfahren keine Rolle spielen. (Detlef Borchers) / (jk)