Filmindustrie fordert Maßnahmen gegen Verlinkung illegaler Streaming-Seiten

Vertreter der Filmwirtschaft haben Provider dazu aufgerufen, den Zugang zu Webangeboten mit Links zu Videostreams aktueller Kinofilme wie Kino.to zu sperren. Die Kripo sucht nach "mutigen" Pionieren in der Internetwirtschaft.

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Vertreter der Filmindustrie haben sich in den Reigen der Befürworter von Web-Sperren eingereiht. Die "Gatekeeper" in Gestalt der Provider sollten den Zugang zu umstrittenen Webangeboten mit Links zu Videostreams aktueller Kinofilme wie Kino.to blockieren, forderte Max Wiedemann, Produzent der deutschen Komödie "Männerherzen", auf dem Forum zu "Prävention und Aufklärung" der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) in Berlin am heutigen Dienstag. Dies sei "technisch kein Problem", betonte der Erfolgsunternehmer unter großem Beifall der versammelten Branchenvertreter. Die einzige Möglichkeit, der Download-Plage Herr zu werden, sei es, "nicht die Konsumenten zu bestrafen, sondern die Hehler".

Der Internetindustrie und ihrer Abwehrhaltung bei Zugangsblockaden warf Wiedemann vor, "Nebelkerzen" zu werfen, um "wirksame Mittel" gegen Urheberrechtsverstöße im Internet zu vermeiden. Die Nutzer dürften "gar nicht erst in Versuchung" geführt werden, sich illegal kopierte und nicht zur Verbreitung freigegebene Filme übers Internet anzuschauen. Auch den Widerstand der Zugangsanbieter sowie zahlreicher Nutzer und Datenschützer gegen die verdachtsunabhängige Vorratsdatenspeicherung verstand der Produzent nicht. Es rege sich schließlich auch niemand mehr darüber auf, "dass Autos Nummernschilder haben". Eine dynamische IP-Adresse entspreche in diesem Bild einem Mietwagen, bei dessen Anbieter auch noch im Interesse der Strafverfolgung wochen- und monatelang zu ermitteln sei, wem das Fahrzeug zu einem gewissen Zeitpunkt zur Verfügung gestellt wurde.

Auch Klaus Jansen vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) sah "mutige Provider gefragt". Diese müssten den "Arsch in der Hose haben, das Richtige zu machen". Er gehe mit der Idee aus der Veranstaltung, "selbst Zugangsanbieter zu werden" und so Pionierarbeit zu leisten. Den Bürger über müsse kommuniziert werden, dass sie den Cyberspace derzeit "auf eigene Gefahr betreten". Denn eine Strafverfolgung finde im Internet derzeit "nicht wirklich statt". Dies liege unter anderem an der "Flatrate-Misere", durch die vielfach keine Verbindungsdaten mehr gespeichert würden und der "Tatort" im Netz dadurch nicht mehr zu rekonstruieren sei. Die Vorratsdatenspeicherung bezeichnete Jansen daher als "einzige Chance", um den Opfern im virtuellen Bereich noch irgendwie zu helfen: "Wir müssen zu Lösungen finden, mit denen wir regulierend eingreifen können."

Oliver Süme vom Verband der deutschen Internetwirtschaft eco wehrte sich dagegen, "einen ganzen Industriezweig als Wurzel des Übels darzustellen". Das Internet sei keineswegs ein rechtsfreier Raum. So gebe es zum einen auf der strafrechtlichen Ebene "Mittel und Weg zur Rechtsdurchsetzung". Zum anderen sei für zivilrechtliche Verfahren ein eigener Auskunftsanspruch geschaffen worden. Gegen illegale Inhalte bei Host-Providern gebe es ferner mit Notice-und-Takedown-Verfahren ein effektives Mittel. Der Großteil der Anbieter entferne entsprechende Inhalte, da sie nach Kenntnisnahme in der Haftung seien. Eine Sperrung würde dagegen "überhaupt nichts bringen" und sei "immer mit großen rechtlichen Problemen verbunden". Es handle sich dabei um einen "grundlegenden Eingriff" in die technische Infrastruktur, für den es keinen Rechtsrahmen gebe.

Dem Polizeivertreter erwiderte der Providervertreter, dass sich die Ermittler offenbar "ihres eigentlichen hoheitlichen Aufgabenfelds" im Internet entledigen wollten. Sinnvoller wäre es, die Strafverfolger "mit geschultem Personal und Technik auszurüsten". Der Vergleich mit dem Straßenverkehr hinke zudem völlig, da in diesem Bereich auch nicht die Privatwirtschaft etwa über die Zulassung von Autos bestimme. Ferner werde dort auch nicht für ein halbes Jahr gespeichert, "wer wann von wo nach wo fährt". Die Netze würden zudem zu 99 Prozent legal genutzt und der Breitbandausbau sorge seit Jahren für einen allgemeinen Wirtschaftsaufschwung.

Der GVU-Vorstandsvorsitzende Christian Sommer schätzte indes den Anteil des illegalen Traffic am gesamten Internetverkehr auf etwa 50 Prozent. In Schweden sei der P2P-Verkehr nach Inkrafttreten eines neuen Copyright-Gesetzes mit einer Art Auskunftsanspruch stark eingebrochen. Sorgen bereitete Sommer die weitere Dezentralisierung von Filesharing-Netzen etwa mit OpenBitTorrent oder webbasierten Datei-Hostdiensten. Auch das Streaming illegaler Kopien weiche von etablierten großen Plattformen auf kleine Spezialangebote aus, die schwieriger zu verfolgen seien. Generell sprach sich Sommer für eine verstärkte "Kooperation" mit Providern aus, in deren Rahmen Nutzern nach Rechtsverstößen deutliche Warnhinweise zugestellt werden sollten. (jk)