Kennzeichnung von Polizeibeamten: Wissen, wer zuschlägt

Berlin will eine individuelle Kennzeichnung von Polizisten einführen. Eine taz-Umfrage ergab: Die meisten Länder lehnen ab – mit originellen Begründungen.

War es der Busch? Und wenn ja: wer ist der Busch? Bild: ap

Mit einem Schlagstock schlug ein Polizeibeamter Almuth W. erst in die Kniekehlen, und als sie am Boden lag, noch zweimal gegen den Oberkörper. Der damals 30-Jährigen wurden dabei die Rippen gebrochen.

Almuth W. war am 1. Mai 2007 auf den Heimweg vom "Myfest" in Berlin-Kreuzberg. Als am Heinrichplatz Randale ausbrach, suchte sie Schutz in einem Hauseingang, wo sie von einem Polizisten niedergeknüppelt wurde. Zwar konnte der Täterkreis auf 14 Beamte mit der taktischen Rückenkennzeichnung "1121" reduziert werden, der eigentliche Täter aber wurde nie gefunden. Die Polizisten bestritten den Angriff und deckten sich gegenseitig.

Kein Einzelfall. "Wir haben Fälle recherchiert, bei denen es zu exzessiver Polizeigewalt kam und der Täter aufgrund der fehlenden Kennzeichnung nicht ermittelt werden konnte", sagt Katharina Spieß von Amnesty International. Zum Teil verweigerten alle infrage kommenden Beamten die Aussage. Auch ein Gutachten der Freien Universität Berlin im Auftrag des Berliner Polizeipräsidenten kam zu dem Schluss, dass von 133 untersuchten Fällen, in denen Strafanzeige gegen Polizisten erstattet wurde, bei jedem zehnten Fall durch eine individuelle Kennzeichnung die Ermittlungen erleichtert worden wären. Bürgerrechtler fordern daher seit Jahren, Polizeibeamte auch in geschlossenen Einheiten verbindlich individuell zu kennzeichnen - mit Namensschildern oder durch Nummern.

Lange Zeit hatten sich die Innenminister und Polizeigewerkschaften dagegen gewehrt. Als erstes Bundesland hat Berlin kürzlich den Weg für die Kennzeichnungspflicht frei gemacht. Nach den gewaltsamen Übergriffen zweier Polizeibeamter bei der Berliner Demonstration "Freiheit statt Angst" im September dieses Jahres erklärte Polizeipräsident Dieter Glietsch an, dass ab kommendem Jahr alle Beamte gekennzeichnet würden.

Eine taz-Umfrage in den Ländern ergab jetzt, dass lediglich Brandenburg, Bremen und Sachsen-Anhalt in dieser Hinsicht aufgeschlossen sind. "Es laufen derzeit Gespräche, ob auch Polizisten in geschlossenen Einheiten individuell gekennzeichnet werden sollen", sagte Rainer Gausepohl, der Sprecher des Bremer Innensenators.

"Wenn ein Land jetzt diesen Weg geht, ist das natürlich sinnvoll und mit Interesse zu beobachten", ergänzt Martin Krems, der Sprecher des Innenministeriums in Sachsen-Anhalt. Man sei für das Thema aufgeschlossen. Im Gegensatz zum Rest der Republik klingt diese Sprechart fortschrittlich.

Auch die neue rot-rote Landesregierung in Brandenburg denkt über eine Kennzeichnungspflicht nach. "Wir haben es in unserem Wahlprogramm stehen, jetzt wurde die Forderung auch in den Koalitionsvertrag übernommen", berichtet Hans-Jürgen Scharfenberg, der innenpolitische Sprecher der Linkspartei im Landtag. Es wäre seiner Ansicht nach sinnvoll, wenn es eine bundesweit einheitlich Regelung gäbe. Das Thema müsse auf der Innenministerkonferenz besprochen werden. "Wenn das in Berlin und Brandenburg geht, strahlt das natürlich auch bundesweit aus", so Scharfenberg.

Die Polizeigewerkschaft in Brandenburg hingegen lehnt eine individuelle Kennzeichnung prinzipiell ab. "Wir sind aber gesprächsbereit und werden uns nicht in den Weg stellen, wenn es einen breite Mehrheit dafür gibt", sagt ihr stellvertretender Landesvorsitzender Uwe Brunzendorf.

Andere Länder lehnen die individuelle Kennzeichnungspflicht nach wie vor vehement ab - so absurd die Begründungen dafür mitunter klingen: "Es wird davon ausgegangen, dass Polizeibeamte nach Recht und Gesetz handeln", heißt es etwa lapidar aus dem Innenministerium Mecklenburg-Vorpommern. Massenhafte Falschanzeigen und fehlerhaftes Ablesen der Zahlen befürchtet man in Hessen. Eine Identifikation des einzelnen Beamten sei anhand der taktischen Kennzeichnung möglich, erklärt Nordrhein-Westfalen. Dass das in der Realität oft genug nicht zutrifft, zeigt nicht nur der eingangs erwähnte Fall aus Berlin.

Das Tragen von Namensschildern wird aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes verständlicherweise abgelehnt. Aber auch bei der Begründung, warum sie individuelle Nummern nicht verpflichtend einführen wollen, sind die Länder kreativ. "Die Zahlenverschlüsselung fördert in der Begegnung mit den Bürgerinnen und Bürgern die persönliche Beziehung nicht, sondern vermittelt den Eindruck von Distanz und Anonymität", heißt es in einer Stellungnahme aus Niedersachsen.

Bisher war die Sache einheitlich geregelt: Bei Einsatzhundertschaften war kein Polizist individuell gekennzeichnet. Sollten jetzt aber Länder wie Berlin und Brandenburg und weitere neue Wege gehen, wird das zu einer absurden Situation führen, denn die geschlossenen Einheiten werden länderübergreifend eingesetzt.

Da keine einheitliche Regelung mehr bestünde, wären bei einem gemeinsamen Einsatz von Beamten aus verschiedenen Bundesländern nur jene aus Berlin oder Brandenburg anhand von Nummern identifizierbar. Als Demonstrant müsste man dann hoffen, von einem Berliner Polizisten niedergeknüppelt zu werden. Den könnte man später wenigstens ermitteln.

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