26C3: CCC setzt auf Sieg in der "Schlacht um die Vorratsdatenspeicherung"

Vertreter des Chaos Computer Clubs sind mit der Erwartung aus der Anhörung der Verfassungsbeschwerden gegen die verdachtsunabhängige Protokollierung von Nutzerspuren gegangen, dass das Urteil die Datenerhebung einschränkt.

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Vertreter des Chaos Computer Clubs (CCC) sind mit der Erwartung aus der Anhörung der Verfassungsbeschwerden gegen die Vorratsdatenspeicherung gegangen, dass die Karlsruher Richter der verdachtsunabhängige Protokollierung von Nutzerspuren und vergleichbar umfassenden Datensammlungen einen festen Riegel vorschieben. Sie hoffe, dass sie im Februar oder März mit Freude das Urteil in Empfang nehmen könne und damit bereits auf die Erhebung der Verbindungs- und Standortdaten zu verzichten sei, sagte CCC-Sprecherin Constanze Kurz am Montag auf dem 26. Chaos Communication Congress (26C3) in Berlin. Der zuständige Senat habe durch die Bank viel Skepsis gegenüber der Maßnahme durchblicken lassen.

Kurz selbst gab zum Besten, dass sie bei der mündlichen Verhandlung Mitte Dezember den "Joker" bekommen und als erste Sachverständige habe sprechen dürfen. Dabei habe sie etwa darauf abgestellt, dass es inzwischen Mobilfunkmodule in E-Book-Lesegeräten oder in Autos gebe, sodass immer mehr Standortdaten anfielen und enge Bewegungsprofile erstellt werden könnten. Zurecht sei von einer "Ortungswanze" im Zusammenhang mit der Vorratsdatenspeicherung die Rede. Schließlich habe sie auch vor einem kleinen "Taschenspielertrick" nicht zurückgeschreckt und vorgeführt, dass auf eine gängige Micro-SD-Speicherkarte "die Daten eines Providers von einem Jahr passen" und es somit auch ein Sicherheitsproblem bei deren Abschottung gebe. Dies habe der Präsident der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, letztlich bestätigt mit seiner Angabe, dass die Behörde nur rund 90 Sicherheitskonzepte von über 6000 betroffenen Anbietern in einem "Schreibtischtest" überprüft habe und es sogar Telekommunikationsfirmen ohne solche theoretischen Rahmenwerke gebe.

Der frühere CCC-Sprecher Frank Rieger ergänzte, dass trotz der EU- Richtlinie für die Vorratsdatenspeicherung mit großer Wahrscheinlichkeit mit einem Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts zu rechnen sei. So hätten die Richter den Bereich Europarecht in nur 20 Minuten einer sechseinhalbstündigen Debatte abgehandelt. Der Hacker betonte zudem, dass der Stand der Technik von heute nicht die Grundlage für das erwartete Urteil sein dürfe. Vielmehr müssten dafür auch künftige Anwendungen in Betracht gezogen werden. Etwa, dass die "Datendichte", die eine einzelne Person hinterlasse, ständig steige. So sei derzeit eine Ortung bis auf 50 Meter genau machbar. Mit der Verwendung noch kleinerer Funkzellen selbst im Heimbereich und der Antennentechnik kommender Mobilfunkstandards sei gar auf der untersten Netzebene eine metergenau Lokalisierung möglich.

Forschung an GSM-Netzen hat laut Rieger ferner gezeigt, dass Mobiltelefone hierzulande bereits US-Vorgaben für die GPS-Ortung zum Ausfindigmachen von Notrufen folgen. Die entsprechende Genauigkeit müsse sich dann bei den Vorratsdaten widerspiegeln. In den Standards für "Data Retention" des European Telecommunications Standards Institute (ETSI) sei zudem die Möglichkeit festgeschrieben, dass Ermittler direkt ohne Richtergenehmigung in den Datenhalden schürfen könnten. Die ETSI-Vorgaben wiederum hätten hierzulande Eingang gefunden in die Technische Richtlinie für die Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) zur praktischen Umsetzung der Gesetzesauflagen. Dabei seien rechtsstaatliche Einschränkungen nur notdürftig angefügt worden.

Fast schon enttäuscht zeigten sich die Hacker vom Vortrag der Vertreter von Strafverfolgungsbehörden in Karlsruhe. Diese hätten nur ihr Standard-Repertoire an Fällen abgespult, in denen die Vorratsdatenspeicherung angeblich unverzichtbar sei für die Ermittlungsarbeit. Die genannten Beispiele wie Beleidigungen, Stalking oder Phishing könnten aber just auch durch ein kurzfristiges Einfrieren von Verkehrsdaten aufgeklärt werden. Als nicht erforderliche Modelle von Informationsspeicherungen seien nur krasse Fälle wie DNA-Datenbanken von Neugeborenen genannt worden. Um den Protest gegen die Vorratsdatenspeicherung erneut auf die Straße zu tragen, hat der CCC im Rahmen des Kongresses gemeinsam mit dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung für 15:00 Uhr am Dienstagnachmittag zu einer Spontan-Demo vor dem Berliner Congress Center am Alex geladen.

(as)