In den kommenden Wochen wird das Bundesverfassungsgericht voraussichtlich entscheiden, ob die Vorratsdatenspeicherung mit unserem Grundgesetz vereinbar ist. Bislang sieht es so aus, als ob die Richter in Karlsruhe die Mauern höher ziehen werden, die um die Daten gebaut sind. Sie würden also den Zugriff für Strafermittler etwas erschweren. Das Sammeln selbst aber werden sie wahrscheinlich nicht untersagen.

Leider. Werden doch bei den Vorratsdaten hinter verschlossenen Türen gerade technische Standards etabliert und Fakten geschaffen, die weit über das hinaus gehen, was derzeit politisch gewollt und rechtlich erlaubt ist.

Seit Jahren ist von der Vorratsdatenspeicherung die Rede, am 1. Januar 2008 wurde sie Gesetz. Vielen ist inzwischen wohl klar, dass es dabei darum geht, zu speichern, wer wann mit wem kommunizierte – auch wenn sicher nicht jedem bewusst ist, wie viel bereits dadurch über das Leben der Betroffenen zu erfahren ist. Doch die Pläne der Sicherheitsbehörden gehen viel weiter.

Wie weit, das dokumentiert ein Dokument mit dem Titel ETSI TS LI 102 657. Die ersten vier Buchstaben stehen dabei für European Telecommunications Standards Institute, ein Normungsinstitut, von dem alle technischen Spezifikationen im europäischen Telefonmarkt stammen. TS meint Technical Specification und bedeutet, dass das Dokument allgemeingültige Normen enthält. Und LI heißt lawful interception, gesetzliche oder erlaubte Überwachung.

In diesem fast hundert Seiten langen Papier (hier die aktuellste Version 1.4.1 vom Dezember 2009), ist unter anderem festgehalten, welche Daten die Telekommunikationsdienste künftig automatisch liefern müssen, wenn dies in einem Ermittlungsverfahren verlangt wird.

Neben den üblichen Informationen wie Name, Adresse und Aufenthaltsort stehen dort unter anderem: E-Mail-Adressen, Rechnungsinformationen, bekannte Login-Namen, Zeiten, wann das Gerät an- und abgeschaltet wurde, SIM- und IMSI-Nummern der Geräte sowie MAC- und IP-Adressen und sogar die PUK-Codes. Mit letzteren lässt sich ein Handy gegen den Willen des Besitzers sperren oder fernsteuern.

Das ist nicht alles. Die Schnittstellen bei den Telefonfirmen sollen auch jede Information sammeln, die irgendwie mit der Kommunikation zu tun hat, also beispielsweise wie oft es klingelte, bis jemand abhob oder nach wie vielen Klingelzeichen ein Anrufversuch abgebrochen wurde.

Das ist keine Wunschliste, die noch zu verhandeln wäre, sondern es sind Vorgaben, an die sich die Firmen zu halten haben, wenn die Vorratsdatenspeicherung beschlossen ist. Und das ist sie.

Es bedeutet nicht, dass in Deutschland auch alle diese Daten an die Polizei geschickt werden. Das Weitergeben mancher davon ist hierzulande klar illegal und die Provider dürfen sie nicht einmal speichern. Aber es bedeutet, dass die technischen Systeme der Vorratsdatenspeicherung theoretisch dazu in der Lage sind, diese Informationen automatisiert, also ohne weiteres Zutun des Providers, an die Polizei zu schicken. Im Zweifel verhindert nur ein Haken in irgendeinem Kästchen, dass hierzulande illegale Daten rausgehen.