Bundesdatenschützer plädiert für "Quick Freeze" statt Vorratsdatenspeicherung

Peter Schaar wirbt für eine gezielte Kontrolle verdächtiger Telecom- und Internet-Aktivitäten. Das in den USA bereits angewandte Verfahren verheißt Bürgern geringere Eingriffe in ihre Rechte und den Carriern geringere Kosten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 119 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Sven-Olaf Suhl

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, hat sich erneut für einen Verzicht auf die Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten ausgesprochen. Auf einer Veranstaltung des Verbands der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) am Montag in Köln plädierte Schaar für das sogenannte "Quick Freeze"-Verfahren als "sinnvolle Alternative". Dieses habe sich unter anderem in den USA bereits seit Jahren "bewährt". Im Vergleich zum Speichern von Verbindungsdaten von Personen, gegen die kein konkreter Verdacht vorliege, greife dieses Vorgehen weniger stark in die Rechte der Bürger ein.

Unter "Quick Freeze" versteht Schaar ein zweistufiges Verfahren, um Telekommunikationsdaten zu sichern, die "im Rahmen der Strafverfolgung, bei Urheberrechtsverstößen oder zur Gefahrenabwehr erforderlich" sind. In der ersten Stufe sollten dabei die Anbieter von TK-Diensten verpflichtet werden, auf behördliche Anordnung hin bestimmte Verkehrsdaten nicht zu löschen. Diese Daten habe die Behörde (zum Beispiel die Polizei) näher zu benennen. Dies könnten zum Beispiel die Daten eines Netzknotens sein, von dem aus bereits Hacker-Angriffe erfolgt seien oder Verbindungsdaten einer bestimmten Person, die einer Straftat verdächtig sei.

Innerhalb einer vorgegebenen Frist müssten die Ermittlungsbehörden dann zusätzlich nachweisen, dass sie auf Grund gesetzlicher Vorgaben überhaupt einen Anspruch darauf haben, die so erfassten Daten in einem Ermittlungsverfahren verwenden zu können. Ferner verlangt Schaar eine richterliche Genehmigung für diese Auskunftserteilung. Sollte eine solche Anordnung innerhalb der vorgegebenen Frist ausbleiben, sollten die Netzbetreiber verpflichtet sein, die 'eingefrorenen' Datensätze wieder zu löschen. In den USA ist nach Schaars Darstellung hierzu eine Frist von einem Monat vorgesehen, die auf Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden kann.

Für die Datenerhebung mittels Quick Freeze beziehungsweise "Data Preservation“ in Deutschland hatte sich im Frühjahr 2010 auch der Jurist Patrick Breyer vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung eingesetzt. Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung Anfang März 2010 für nichtig erklärt hatte, wies Breyer darauf hin, dass die Aufklärungsquote von Internet-Delikten in dem Zeitraum, in dem die Vorratsdatenspeicherung praktiziert worden war, nicht angestiegen sei sondern bei etwa 80 Prozent verharrt habe. Mit dem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung war eine EU-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt worden, mit der Folge, dass seit 2008 Verbindungsdaten aller deutschen Bürger aus der Telefon-, Mail- und Internetnutzung sowie Handy-Standortdaten sechs Monate lang gespeichert werden mussten.

Auf dem heutigen Workshop "Datenschutz für TK-Unternehmen", der sich an VATM-Mitgliedsfirmen richtete, warb der Bundesdatenschutzbeauftragte für seinen Ansatz auch mit dem Argument, dass Quick Freeze im Vergleich zur Verwaltung "riesiger Datenbestände", wie sie aus einer Vorratsdatenspeicherung resultierten, für die Carrier einen geringeren finanziellen und personellen Aufwand bedeute – und das bei vergleichbar hohem "Schutzniveau". Das vom BVerfG gekippte Gesetz hatte den Telecom-Firmen die Kosten für die Vorratsdatenspeicherung auferlegt.

In diesem Zusammenhang betonte VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner, dass sein Verband es für ungerechtfertigt hält, dass die Carrier selbst diese Kosten tragen und letztlich auf den Kunden abwälzen müssen. Grützner zufolge sollten den Carriern dieser Aufwand – zumindest pauschal – aus allgemeinen Steuermitteln erstattet werden: Die Datenspeicherung sei ein Mittel zur Gefahrenabwehr durch den Staat und damit genauso von der Allgemeinheit zu tragen wie zum Beispiel die Kosten für Polizeiautos.

Aus Sicht von Jura-Professor Norbert Nolte hingegen sieht der Gesetzgeber in der Verpflichtung der Carrier zur Kostenübernahme einen gerechten Ausgleich für deren Möglichkeit, als Unternehmen in der Telecom- oder Internetanbranche Geld zu verdienen. Nolte berät als Rechtsanwalt Telecom-Firmen bereits seit der Liberalisierung des TK-Markts Ende der 1990er Jahre. Der Jurist wies darauf hin, dass das BVerfG-Urteil nicht das endgültige Aus für eine Vorratsdatenspeicherung bedeute, vielmehr hätten die Karlsruher Richter die "konkrete Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung" für nicht verfassungsgemäß erklärt und in ihrem Urteil Wegweisungen für eine "gute" oder "schlechte" Datenspeicherung auf Vorrat gegeben. Auch aus Sicht von Peter Schaar sind in dem Urteil vom 2. März 2010 "Minen verborgen, die noch gar nicht alle entdeckt sind". (ssu)