Polizei: diesmal kein anlassloses Filmen auf Demonstration „Freiheit statt Angst“ geplant

Die Berliner Polizei will auf der diesjährigen Demonstration „Freiheit statt Angst“ am 11.09.2010 keine anlassunabhängigen Übersichtsaufnahmen per Video mehr anfertigen. Dies erklärt das Polizeipräsidium jetzt per Schreiben vom 31.08.2010 (pdf) auf Anfrage des Verwaltungsgerichts Berlin im Verfahren VG 1 L 226.10. Zuvor war der Berliner Polizei diese Praxis vom Verwaltungsgericht Berlin im Zusammenhang mit Umwelt-Demonstrationen bereits untersagt worden (Az. VG 1 K 905.09)

Die Polizei hatte auf den Versammlungen zum Thema „Freiheit statt Angst – Stoppt den Überwachungswahn!“ der vergangenen Jahre wiederholt friedliche Demonstranten gefilmt. Wie das o.g. Urteil zeigt, hatte sie dies offenbar versammlungsübergreifend und selbst dann getan, wenn nach ihrer eigenen Gefahrenprognose keine Störungen zu erwarten waren. Speziell auf den „Freiheit-statt-Angst“-Demonstrationen gegen anlassunabhängige Überwachung war dies von Teilnehmern als Provokation aufgefasst worden.

Begründet hatte die Polizei ihre cineastischen Aktivitäten vor dem Verwaltungsgericht damit, dass solche „Übersichtsaufnahmen“ zur Koordinierung des Zugs nötig seien. Im Zusammenhang mit „Freiheit-statt-Angst“-Demonstrationen seien außerdem Störungen zu erwarten, sobald nach Meinung der Polizei radikale Gruppierungen wie der „schwarze Block“ teilnähmen. Darüber hinaus sei es in der Vergangenheit auf „Freiheit-statt-Angst“-Demonstrationen zu einzelnen Delikten im Bereich der Beleidigung und Körperverletzung gekommen. Gekommen war es allerdings in mindestens einem Fall wohl auch zu grundloser Polizeigewalt gegen einen friedlichen Teilnehmer. Dieser Vorfall hatte Ermittlungsverfahren, eine Versetzung und teilweise erfolgreiche politische Bestrebungen zur Kennzeichnung von Polizisten zur Folge. Der Fall von Polizeigewalt war von keinem der umstehenden Polizeikollegen gefilmt worden.

Das Verwaltungsgericht Berlin verwarf im Verfahren VG 1 K 905.09 die Rechtsauffassung der Polizei und entschied, dass jedenfalls anlasslose Bildaufnahmen erstens unnötig seien und es zweitens keine Rechtsgrundlage dafür gebe. Unerheblich sei insoweit, ob es sich möglicherweise nur um vermeintlich oder tatsächlich grobe Übersichtsaufnahmen handelt (Zoom), ob die Aufnahmen gespeichert werden oder ob die Kameras angeschaltet sind, weil die abschreckende Wirkung unabhängig davon eintrete.

Sollte die Polizei auf der kommenden Demonstration am Samstag erneut ohne Not die Kamera auf Teilnehmer richten, droht ihr möglicherweise eine weitere Verurteilung hinsichtlich der Demonstrationen „Freiheit statt Angst“ vor dem Verwaltungsgericht im Verfahren VG 1 K 818.09. Beweismaterialien nehme ich entgegen. Zulässig bleibt allerdings das anlassbezogene Filmen, wenn und soweit konkrete Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wie insbesondere Straftaten eintreten sollten (§ 12a VersammlG).

Jonas

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3 Kommentare »


  1. Toll — 9. September 2010 @ 5.07 Uhr

    Na toll. Und wenn sie es wieder machen, wie letztes mal, nachdem sie es genauso versprochen hatten, werden sie wieder verurteilt und es passiert wieder nichts. Wie wäre es, wenn die Verantwortlichen jedem Teilnehmer ein Schmerzensgeld wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts zahlen müssten, und sei es noch so gering? 10 EUR pro Person mal 10.000 Personen sind viel Geld. Natürlich privat und nicht aus Steuergeldern. Irgendwer hat ja die rechtswidrige Anordnung persönlich erteilt bzw. auf den Knopf gedrückt.

    Antwort: Die Freiheit-statt-Angst-Klage (VG 1 K 818.09) ist eine Unterlassungsklage unter Beantragung der Androhung von Ordnungsmitteln. Das heißt, sollte es hier zu einer Verurteilung kommen, kann das Gericht bei jeder künftigen Zuwiderhandlung Ordnungsgeld gegen die Polizei festsetzen.


  2. Vielleicht werden Sie in Zukunft nicht mehr überwacht… | — 9. September 2010 @ 10.53 Uhr

    [...] wenn Sie gegen das Überwachen demonstrieren. Irgendwie [...]


  3. Kolumne: Festplattenheizung und Blinkenlights — 11. September 2010 @ 8.12 Uhr

    [...] “Freiheit statt Angst”-Demonstration. Man soll als Demonstrant dort nicht einmal mehr anlasslos von der Polizei gefilmt werden, preist die gnädige Obrigkeit! Jedenfalls: Hingehen macht die Welt besser, und wer fernab von [...]

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