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Rede "Freiheit statt Angst" (14.04.2007) Print E-mail

Das Motto unserer Demo heißt „Freiheit statt Angst“. Es heißt nicht „Freiheit statt Sicherheit“. Wir brauchen Sicherheit, aber wir brauchen Freiheit und Sicherheit.

Wir sind für entschlossene, gezielte Ermittlungen gegen Verdächtige, wenn eine Straftat begangen worden ist. Wir sind für die gezielte Beobachtung von Terrorgruppen, von denen Gewalt ausgeht. Wer aber jedes technische Mittel gegen unschuldige, rechtschaffene Menschen einsetzen will, der will Sicherheitswahn.

Dieser Sicherheitswahn schadet nicht nur den Grundlagen unserer offenen und demokratischen Gesellschaft. Er bringt auch nicht mehr Sicherheit, alles andere ist Propaganda.

Wenn es anders wäre, dann würde sich die Politik doch nicht wehren gegen eine unabhängige Überprüfung dieser Maßnahmen, gegen eine Erfolgskontrolle von unabhängiger Seite, gegen eine systematische Überprüfung, ob die Gesetze wirklich wirksam sind. Das will die Politik nicht, sie wehrt sich dagegen. Sie will nämlich keine Sicherheit, sie will nur Bequemlichkeit bei der Überwachung.

Wem es wirklich darum geht, die Sicherheit zu stärken, der würde gezielte Projekte zur Kriminalprävention an Schulen, in Stadtteilen, in Gefängnissen fördern, wo Menschen kriminell werden können wegen der Bedingungen. Was macht aber unsere Regierung? Sie investiert Millionen Steuergelder in Überwachungstechnik, in biometrische Pässe, in Vorratsdatenspeicherung, in Videoüberwachung und kürzt gleichzeitig seit Jahren die Mittel für gezielte Präventionsarbeit, und es gibt immer weniger Polizisten – das ist doch keine Sicherheitspolitik.

Wer wirklich Menschenleben retten will, wie es sich unser werter Bundesinnenminister immer auf die Fahnen schreibt, der müsste sich doch einmal ansehen den Straßenverkehr, den Tabakkonsum, den Alkoholkonsum. Diese kosten doch Menschenleben, die leicht zu retten wären. Da bleibt die Politik untätig zum Profit der Autoindustrie, der Tabakindustie, der Alkoholindustrie, das ist verlogen.

Laut Weltgesundheitsorganisation beruht der Verlust gesunder Lebenszeit für Westeuropäer zu 92% auf Krankheiten, zu 2% auf Verkehrsunfällen, zu 1% auf Stürzen, zu 1,7% auf Suizid und gerade einmal zu 0,2% auf Gewalt und Straftaten. Das sind doch die Zahlen.

Wenn Sicherheitswahn nicht das Gehirn verblenden würde, dann würden wir sehen, dass eine Reduktion des Tabakkonsums um nur 2% die Gesundheit der Bevölkerung besser schützen würde als die Verhinderung sämtlicher Gewalttaten einschließlich Terrorismus.

Wer wirklich unser tägliches Leben verbessern will, würde nicht von erhöhten abstrakten Gefahren schwadronieren, sondern würde Armut und Arbeitslosigkeit angehen. Hier kommt doch die Regierung seit Jahren nicht voran.

Dieser Sicherheitspopulismus in der Politik bringt uns nichts, er lenkt ab von den wirklichen Problemen unserer Gesellschaft und zerstört schleichend unsere Freiheitsrechte – das ist der falsche Weg.

Natürlich gibt es Kriminalität. Wie wissen, dass unsere Freiheit und unsere offene Gesellschaft missbraucht wird. Wir wissen, dass unsere noch weitgehend abhörfreie Telefon-, Handy- und Internetnutzung auch Kriminellen hilft. Wir wissen, dass in privaten Wohnungen auch Kinder missbraucht werden. Wir wissen, dass Deutschland vielleicht „Ruheraum für internationale Terroristen“ ist und dass sie unter uns leben. Wir wissen, dass jederzeit ein Anschlag passieren kann, der hunderten von uns das Leben kostet.

Warum dann wehren wir uns dagegen, dass alle Mittel eingesetzt werden, dass alles Menschenmögliche getan wird, um diese schrecklichen Straftaten zu verhindern?

Weil sich Sicherheits- und Überwachungsgesetze eben nicht nur gegen Kriminelle richten, sondern gegen vermeintlich Verdächtige und Risikogruppen. Weil die Polizei eben nicht weiß, wer Täter ist, wer Terrorist sein könnte. Weil letztendlich eben jeder ein Terrorist sein könnte.

Wir wollen die offene Gesellschaft erhalten, weil Freiheit Unschuldige schützt, und wir sind zu 99% und mehr unschuldig in diesem Land.

Wir wollen die Freiheit erhalten, weil Freiheit, Vertrauen, Selbstbestimmung, Privatsphäre Grundlagen unserer offenen Gesellschaft sind. Die Privatsphäre hilft Menschen in Not, unbeobachtet Aidsberatung oder Eheberatung in Anspruch zu nehmen oder sich an die Telefonseelsorge zu wenden. Die Privatsphäre schützt Presseinformanten, die geheim Misstände aufdecken wollen. Privatsphäre schützt die Wirtschaft vor Spionage durch das Ausland. Privatsphäre schützt Kritiker und Andersdenkende vor den Vor- und Fehlurteilen der Sicherheitsbehörden. Eine Demokratie braucht Privatsphäre.

Wir brauchen unsere Polizei für Notfälle, für Ausnahmefälle, wenn Straftaten begangen werden. Aber wir brauchen unsere Freiheit für unser tägliches Leben, für den Normalfall. Wir wollen keinen permanenten Notstand.

Und deswegen nimmt das Grundgesetz bewusst in Kauf, dass auch schrecklichste Anschläge und verabscheuenswürdigste Taten nicht immer verhindert werden können, weil bestimmte Mittel für den Staat einfach tabu sind. Wer sagt, der Staat dürfe dem technischen Fortschritt nicht hinterher hinken, der will jede technisch machbare Bespitzelung der Bevölkerung.

Wer wie unser Bundesinnenminister sagt, „Wir müssen alles Menschenmögliche tun“, der befürwortet doch Guantanamo und Folter.

Und wenn sich unsere wertesten Politiker hinstellen und sagen, „Der Staat darf sich doch nicht künstlich dumm stellen“, dann denke ich bei mir: Einige Sicherheitspolitiker müssen sich nicht künstlich dumm stellen.

Wer sich darauf verlässt, bei uns könne Guantanamo nicht passieren, der hat aus der Geschichte nichts gelernt, der ist blind für andere Demokratien wie die USA und Großbritannien. Schon heute werden doch in Deutschland Menschen bei der Einreisende schikaniert, Muslime kontrolliert, Journalisten ausspioniert, demokratische Oppositionelle vom Verfassungsschutz beobachtet. Wir warten diesmal nicht, bis es zu spät ist!

Wer „Sicherheit und Ordnung über alles“ predigt, der vergisst, dass das langfristig nicht in unserem Interesse liegt. Exzessive Kontrolle und Repression produzieren Misstrauen, Unzufriedenheit, Widerstand bis hin zu Terrorismus. Die Folgen zeigt die Geschichte. Das führt zu Unterdrückung, zu Krieg, zu Zerstörung, kann zum Untergang von Staaten führen. Ein Sicherheitsstaat produziert Unsicherheit.

Die Populisten und Sicherheitsideologen im Parlament gefährden unsere Demokratie. Sie versprechen Sicherheit, die sie doch nicht bieten können, weil es immer wieder Anschläge geben wird, weil kein Staat alle Anschläge verhindern kann, auch nicht eine Diktatur. Wer aber alles Menschenmögliche versucht und Propaganda macht für die Ideologie möglichst absoluter Sicherheit, den werden die Menschen fragen: Warum sollen wir nicht gleich das Original wählen, Recht und Ordnung über alles?

Es ist das Schicksal der Demokratie, dass nicht alle Mittel mit ihr vereinbar sind und nicht alle Methoden ihrer Feinde für sie verfügbar sind. Obwohl die Demokratie mit einer Hand auf ihren Rücken gebunden kämpfen muss, behält sie trotzdem die Oberhand.

Wir wollen keine Regierung, die immer öfter verfassungswidrige Gesetze verabschiedet!

Wer absolute Sicherheit will, ruft nach der Gefängniszelle!

Das Leben ist ein Risiko. Ein freies und selbstbestimmtes Leben ist ein noch größeres Risiko. Wir wollen dieses Risiko, wir wollen diese Freiheit!

Wir können mit diesem Kriminalitätsrisiko auch leben, weil wir es schon immer gekonnt haben, weil die Kriminalitätsrate nicht höher ist als früher, sondern eher niedriger; Deutschland ist doch das drittsicherste Land auf der Welt, sagt selbst Schäuble.

So sicher es ist, dass es in zehn Jahren noch genausoviel Kriminalität geben wird wie heute, so unsicher ist es, ob noch viel von unseren Grundrechten übrig geblieben sein wird.

Was der Staat euch an Freiheitsrechten wegnimmt, das gibt er nicht mehr zurück, das zeigt die Erfahrung.

Herr Prantl, der für die Süddeutsche Zeitung schreibt, hat einmal geschrieben: Der Einbruch in das Grundgesetz und in die rechtsstaatliche Ordnung sind krimineller als ein Ladeneinbruch. Die Gefahr für unsere freie offene Gesellschaft droht doch nicht von Terroristen in Afghanistan, sondern von Grundrechtsterroristen hier in Deutschland!

1848 haben die Menschen eine Revolution gestartet, um hier in Frankfurt in der Paulskirche dem Staat Freiheitsrechte abzutrotzen. Verteidigt die historische Errungenschaft der Freiheitsrechte, für die unsere Vorfahren mit ihrem Leben bezahlt haben.

Verteidigt die Freiheit für eure Zukunft und für die eurer Kinder. Informiert Familie, Freunde, Arbeitskollegen mit Informationsmaterial, wie es sie hier am Stand gibt, kopiert die Flyer. Redet in Vereinen, an Schulen, in Universitäten. Schreibt euren Bundestagsabgeordneten, mischt euch ein. Geht wählen und vergesst nicht, welche Partei was zu verantworten hat. Arbeitet mit in Bürgerrechtsorganisationen – gemeinsam sind wir stark!

Wir wollen in einem freien Land leben, in einem Rechtsstaat, der das Grundgesetz und unsere darin verbrieften Grundrechte achtet und respektiert. Unsere Nationalhymne heißt doch zurecht nicht „Sicherheit und Recht und Ordnung“, sondern „Einigkeit und Recht und Freiheit“!

Und um unsere Rechte, um unsere Freiheiten gegen die Sicherheitsfetischisten in der Politik zu verteidigen, gehen wir heute hier auf die Straße! Freiheit statt Angst!


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