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Überwachungslawine in Deutschland – Deswegen gehen wir auf die Straße! (29.09.2008) Print E-mail

 Zwei Wochen vor der großen Demonstration „Freiheit statt Angst – Stoppt den Überwachungswahn!“ in Berlin legt der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Zahlen vor, denen zufolge der Deutsche Bundestag in den letzten 10 Jahren mindestens 21 mal die Kontrolle und Beobachtung der Menschen verschärft hat. Dagegen hat das Bundesverfassungsgericht mindestens 12 mal Überwachungsgesetze oder -maßnahmen als verfassungswidrig aufgehoben. Das aber hindert die Bundesregierung nicht daran, ihren Kurs unbeirrt fortzusetzen: Momentan stehen mindestens 18 weitere Verschärfungen der staatlichen Bürgerüberwachung auf der Agenda.

Vor dem Hintergrund dieser Überwachungslawine ruft der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung alle Menschen auf, am Samstag, den 11. Oktober in Berlin gemeinsam für „Freiheit statt Angst“ auf die Straße zu gehen und eine 180-Grad-Wende der gegenwärtigen Überwachungspolitik zu verlangen (www.freiheitstattangst.de). Statt Überwachungswahn und zweifelhafte Sicherheitsversprechen setzen wir uns für mehr Freiheit von staatlicher Kontrolle und Bespitzelung ein. Die Demonstration in Berlin ist der deutsche Beitrag zum weltweiten Aktionstag „Freedom not Fear“ am 11. Oktober 2008, an dem erstmals in über 20 Staaten weltweit Proteste gegen die exzessive Überwachung und Informationsansammlung stattfinden werden.[1]

Der deutsche Aufruf zur Demonstration wird inzwischen von über 90 Organisationen aus den verschiedensten Teilen der Gesellschaft unterstützt, darunter auch Berufsverbänden wie dem Deutschen Anwaltsverein und Gewerkschaften wie dem DGB.[2] Busse zur Demonstration können aus 100 deutschen Städten gebucht werden (www.demo-bus.de).

In einem heute veröffentlichten musikalischen Aufruf zur Demonstration[3] wird die Vielzahl bereits angewandter Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen aufgezählt, darunter Vorratsdatenspeicherung, Postkontrolle und Geruchsprobenentnahme. Die Bundeskanzlerin hört man erklären, weshalb es keine vor staatlichem Zugriff geschützten Räume geben dürfe, während der Bundesinnenminister beteuert: „Wir tun aber die Leute nicht überwachen und ausspionieren.“ Dem entgegen gehalten werden Forderungen nach einer kritischen Prüfung aller Sicherheitsgesetze und einer „neuen Bürgerrechtsbewegung“ als dem „besten Verfassungsschutz“.

Fußnoten:

  1. http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/242/144/lang,en/
  2. http://www.freiheitstattangst.de
  3. http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/258/79/#song

Anlagen:

1. Überwachungsgesetze der letzten 10 Jahre
2. Gesetzesvorhaben zur weiteren Kontrollverschärfung
3. Vom Verfassungsgericht verworfene Überwachungsgesetze und -maßnahmen
4. Unsere Forderungen

Anlage 1: Überwachungsgesetze der letzten 10 Jahre

Im Einzelnen hat der Deutsche Bundestag in den letzten 10 Jahren mindestens die folgenden Überwachungsgesetze beschlossen:

  • Gesetz zu dem Übereinkommen des Europarats vom 23. November 2001 über Computerkriminalität (Cybercrime-Convention) vom 20.06.2008: Übermittlung von Verbindungs- und Standortdaten an 52 ausländische Staaten einschließlich Azerbaijan, Russland und die USA
  • Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom 11.04.2008: Auskunftanspruch Privater zur Ermittlung von Rechtsverletzern (z.B. Ermittlung von Tauschbörsennutzern über deren Internetprovider)
  • Gesetz zur Änderung seeverkehrsrechtlicher, verkehrsrechtlicher und anderer Vorschriften mit Bezug zum Seerecht vom 24.01.2008: Staatliche Erfassung der an Bord von Schiffen und Fähren befindlichen Personen (Fahrgäste, mitreisende Familienmitglieder, Besatzungsmitglieder)
  • Drittes Gesetz zur Änderung des Bundespolizeigesetzes vom 15.11.2007: Übermittlung von Passagierdaten bei Flügen aus Drittstaaten an Bundespolizei, Verlängerung der Speicherdauer von Videoaufzeichnungen auf Flughäfen und Bahnhöfen von 48 Stunden auf 30 Tage
  • Gesetz zu dem Abkommen vom 26. Juli 2007 zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Fluggastdatensätzen (Passenger Name Records – PNR) und deren Übermittlung durch die Fluggesellschaften an das United States Department of Homeland Security (DHS) (PNR-Abkommen 2007) vom 15.11.2007: Fluggastdatenübermittlung in die USA und dortige Vorratsspeicherung und Datenweitergabe
  • Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (Vorratsdatenspeicherung) vom 09.11.2007: Erweiterte verdeckte Ermittlungsmaßnahmen gegen mutmaßliche Straftäter, sechsmonatige Speicherung aller Verbindungsdaten
  • Jahressteuergesetz 2008 vom 08.11.2007: Zentrale Steuerdatei mit Steuer-Identifikationsnummer, Religionszugehörigkeit, Ehepartner/Ehepartnerinnen/Kinder und Steuerklassen für die gesamte Bevölkerung
  • Gesetz zur Änderung des Passgesetzes und weiterer Vorschriften vom 24.05.2007: Speicherung biometrischer Daten wie Lichtbild und Fingerabdrücke in RFID-Funkchips in Pässen, Zulassung eines Online-Abrufs gespeicherter Lichtbilder durch Polizei- und Bußgeldbehörden bei Straßenverkehrsordnungswidrigkeiten
  • Gesetz zur Vereinheitlichung von Vorschriften über bestimmte elektronische Informations- und Kommunikationsdienste (Elektronischer- Geschäftsverkehr- Vereinheitlichungsgesetz – ElGVG) vom 18.01.2007: Internet-Diensteanbieter dürfen Daten an Sicherheitsbehörden und private Rechteinhaber weitergeben
  • Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz vom 01.12.2006: Verlängerung des befristeten Gesetzes, erweiterte Auskunftsbefugnisse für BfV, MAD und BND
  • Gesetz zur Errichtung gemeinsamer Dateien von Polizeibehörden und Nachrichtendiensten des Bundes und der Länder (Gemeinsame-Dateien-Gesetz) vom 01.12.2006: Gemeinsame Datei aller Sicherheitsbehörden (sog. „Anti-Terror-Datei“)
  • Gesetz zu dem Vertrag vom 27. Mai 2005 über die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, insbesondere zur Bekämpfung des Terrorismus, der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Migration vom 19.05.2006: Prümer Vertrag. Einführung eines Informationsaustauschs zwischen europäischen Polizeien
  • Gesetz zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 (akustische Wohnraumüberwachung) vom 12.05.2005
  • Gesetz zur Neuregelung von Luftsicherheitsaufgaben vom 18.06.2004: Einsatz der Bundeswehr im Landesinnern, Befugnis zum Abschuss von (Passagier-)Flugzeugen (später vom Verfassungsgericht gekippt), Zuverlässigkeitsüberprüfungen von Piloten
  • Steueränderungsgesetz 2003 vom 07.11.2003: Zentrale Steuer-Identifikationsnummer für jede Person ab der Geburt, elektronische Übermittlung von Lohnsteuerbescheinigungen an die Finanzverwaltung
  • Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom 17.10.2003: Finanzbehörden können im automatisierten Abrufverfahren Konten und Depots ermitteln
  • Viertes Finanzmarktförderungsgesetz vom 21.06.2002: Online-Abfrage auf Konten und Depots zur Terrorismusbekämpfung
  • Gesetz zur Verbesserung der Bekämpfung der Geldwäsche und der Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus (Geldwäschebekämpfungsgesetz) vom 13.06.2002: Verpflichtung aller Finanzinstitute und weiterer Berufsgruppen zur Erstattung von Verdachtsanzeigen
  • Gesetz zur Änderung der Strafprozessordnung vom 06.07.2001: § 100i StPO. IMSI-Catcher
  • Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus (Terrorismusbekämpfungsgesetz) vom 14.12.2001: „Sicherheitspaket II“: biometrische Merkmale in Pässen und Personalausweisen, erweiterte Kompetenzen für Sicherheitsbehörden, Erweiterung des Datenaustausches, Identitätsfeststellung im Visumverfahren, verschärfte Grenzkontrolle, verstärkte Überprüfung sicherheitsempfindlicher Tätigkeiten, Beschränkungen für extremistische Ausländervereine, Rasterfahndung, Schusswaffengebrauch in zivilen Luftfahrzeugen
  • Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 13) vom 16.01.1998: Einführung des Großen Lauschangriffs (Abhören von Wohnungen)

Anlage 2: Gesetzesvorhaben zur weiteren Kontrollverschärfung

Mindestens die folgenden Gesetzesvorhaben mit weiteren Verschärfungen staatlicher Kontrolle und Beobachtung stehen auf der politischen Agenda:

  • EU-Regierungen: Aufzeichnung sämtlicher Flugreisen einschließlich Wohnadresse, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Zahlungsdaten mit Kreditkartennummer, Reiseverlauf, Essen und alle zu einer Mietwagen- oder Hotelbuchung
  • EU: Visa Informations-System (VIS) mit Vorratsspeicherung von biometrischen Fotos und Fingerabdrücken von Besuchern
  • EU-Regierungen: Ausbau von Europol über Bekämpfung organisierter Kriminalität hinaus, Sammlung der Daten privater Stellen, automatischer massenhafter Austausch von Daten zwischen Europol und nationalen Behörden
  • EU-Regierungen: Abkommen zur Übermittlung persönlicher Informationen (z.B. Bankdaten, Reisedaten, Internet-Nutzungsdaten) von Europäern an US-amerikanische Sicherheitsbehörden
  • EU-Regierungen: Einreise nur bei Abgabe der Fingerabdrücke und Irisscan
  • EU-Regierungen: Sicherheitsprogramm 2010-2014 mit „optimalem Datenfluss“ zwischen den Sicherheitsbehörden, mehr Videoüberwachung, systematischer Überwachung von Finanztransaktionen, Massendatenanalyse, Überwachung des Internet, optimalen Überwachungsverfahren, Datenauslieferung an Interpol und die USA, weiter verstärkter Finanzierung des Sicherheitskomplexes
  • Bund: Exekutive Befugnisse für Bundeskriminalamt einschließlich Computer-Überwachung, Videokameras in Wohnungen (BKA-Gesetz)
  • Bund: Online-Zugriff der USA auf deutsche Fingerabdruck- und DNA-Daten
  • Bund: Obligatorischer Ausländer-Ausweis, Sammlung der Fingerabdrücke aller Nichtdeutschen
  • Bund: Biometrischer und elektronischer Personalausweis
  • Bund: Zentrale Steuerdatenbank mit allen Einkommensdaten
  • Bund: Geheimdienstliche Videoüberwachung von Wohnungen
  • Bund: Einladerdatei und Visa-Warndatei
  • Bund: Einführung eines zentralen Melderegisters und Erweiterung um Geschlecht, Religionszugehörigkeit, Familienstand, lebenslange Steueridentifikationsnummer, Pass- und Ausweisdaten, E-Mail-Adresse, Hochzeitstag- und Ort, gesetzliche Vertreter, Todestag, Ehegatten, Kinder, Steuerklasse, Name und Anschrift des Vermieters, Wahlberechtigung, Wehrdiensterfassung
  • Länder: verschärfte Polizeigesetze (Videoüberwachung, Telefonüberwachung, Kfz-Massenabgleich, verdeckte Computerdurchsuchung, geheimes Betreten von Wohnungen)
  • Länder: verschärfte Versammlungsgesetze (Kontrolle der Organisatoren von Demonstrationen, Videoüberwachung von Demonstrationen)
  • Länder: zentrale Schüler-Datenerfassung mit lebenslanger Nummer für alle Schüler und Lehrer und Vorratsspeicherung der Prüfungsergebnisse

Anlage 3: Vom Verfassungsgericht verworfene Überwachungsgesetze und -maßnahmen

Die folgenden staatlichen Überwachungsgesetze und -maßnahmen sind vom Bundesverfassungsgericht in den letzten 10 Jahren als Verstoß gegen unsere Grundrechte verworfen worden:

  1. Akustische Wohnraumüberwachung / Großer Lauschangriff (2004): Verfassungswidrig, denn im Kernbereich privater Lebensgestaltung darf nicht abgehört werden.
  2. Außenwirtschaftsgesetz (2004): Verfassungswidrig, weil unklar ist, in welchen Fällen der Zoll Telefone überwachen und Post öffnen darf.
  3. Präventive Telekommunikationsüberwachung in Niedersachsen (2005): Verfassungswidrig, weil das Gesetz unklar war und unverhältnismäßig weit ging.
  4. Rasterfahndung in Nordrhein-Westfalen (2006): Verfassungswidrig, weil keine konkreten Anhaltspunkte für einen bevorstehenden Anschlag vorlagen.
  5. Europäischer Haftbefehl (2006): Verfassungswidrig, weil kein ausreichender Schutz vor Auslieferung.
  6. Luftsicherheitsgesetz (2006): Verfassungswidrig, weil die Tötung unschuldiger Passagiere gekaperter Flugzeuge mit der Würde des Menschen unvereinbar ist
  7. Städtische Videoüberwachung (2007): Verfassungswidrig, weil ohne gesetzliche Ermächtigung vorgenommen
  8. Durchsuchung und Beschlagnahme bei CICERO (2007): Verfassungswidrig, weil Pressefreiheit und Informantenschutz verletzt
  9. Automatisierter Kontenabruf (2007): Verfassungswidrig, weil zugriffsberechtigte Behörden nicht festgelegt
  10. Telefonüberwachung eines Anwalts (2007): Verfassungswidrig, weil unverhältnismäßig
  11. Online-Durchsuchung durch den Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen (2008): Verfassungswidrig, weil nicht auf besondere Gefahr in Ausnahmesituationen beschränkt.
  12. Massenscanning von Kfz-Kennzeichen in Hessen und Schleswig-Holstein (2008): Verfassungswidrig, weil ohne besonderen Anlass zugelassen.

Anlage 4: Unsere Forderungen

Mit unserer Demonstration fordern wir:

1. Überwachung abbauen

  • Keine pauschale Registrierung aller Flugreisenden (PNR-Daten)
  • Kein Informationsaustausch mit den USA und anderen Staaten ohne wirksamen Datenschutz
  • Keine geheime Durchsuchung von Privatcomputern, weder online noch offline
  • Keine pauschale Überwachung und Filterung von Internet-Kommunikation (geplantes EU-Telekom-Paket)
  • Keine Finanzierung der Entwicklung neuer Überwachungstechniken
  • Abschaffung der flächendeckenden Protokollierung der Kommunikation und unserer Standorte (Vorratsdatenspeicherung)
  • Abschaffung der flächendeckenden Erhebung biometrischer Daten, sowie von RFID-Ausweisdokumenten
  • Abschaffung der flächendeckenden Sammlung genetischer Daten
  • Abschaffung von Video-Überwachung und automatischer Verhaltenserkennungssysteme

2. Evaluierung der bestehenden Überwachungsbefugnisse

Wir fordern eine unabhängige Überprüfung aller bestehenden Überwachungsbefugnisse im Hinblick auf ihre Wirksamkeit und schädliche Nebenwirkungen.

3. Moratorium für neue Überwachungsbefugnisse

Nach der inneren Aufrüstung der letzten Jahre fordern wir einen sofortigen Stopp neuer Gesetzesvorhaben auf dem Gebiet der inneren Sicherheit, wenn sie mit weiteren Grundrechtseingriffen verbunden sind.

4. Gewährleistung der Meinungsfreiheit und des freien Meinungs- und Informationsaustauschs über das Internet

  • Verbot der Installation von Filtern in die Infrastruktur des Internet.
  • Entfernung von Internet-Inhalten nur auf Anordnung unabhängiger und unparteiischer Richter.
  • Einführung eines uneingeschränkten Zitierrechts für Multimedia-Inhalte, das heute unverzichtbar für die öffentliche Debatte in Demokratien ist.
  • Schutz von Plattformen zur freien Meinungsäußerung im Internet (partizipatorische Websites, Foren, Kommentare in Blogs), die heute durch unzureichende Gesetze bedroht sind, welche Selbstzensur begünstigen (abschreckende Wirkung).

Song „Überwachen und Ausspioniern“ von Bundestag United

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