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Amerikanischer Abhörskandal erfordert Umdenken auch in Europa (15.05.2006) Drucken E-Mail

In den letzten Tagen ist bekannt geworden, dass der amerikanische Geheimdienst NSA die Telefon-Verbindungsdaten von 200 Millionen Amerikanern sammelt. Es handelt sich dabei um die "größte Datenbank der Welt". Die gespeicherten Kommunikationsdaten werden automatisch auf Auffälligkeiten geprüft; "soziale Netzwerke" der Gesprächsteilnehmer werden offengelegt.

Die EU-Staaten haben im Februar 2006 ebenfalls eine systematische und verdachtslose Vorratsspeicherung der Verbindungsdaten der gesamten Bevölkerung beschlossen. In Deutschland hätten nicht nur Strafverfolger Zugriff auf die Kommunikationsdaten, sondern auch Geheimdienste aufgrund des "Terrorismusbekämpfungsgesetzes". Auch die Musikindustrie soll auf die Daten zugreifen dürfen, so der Entwurf eines "Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums". Daneben hätten ausländische Staaten wie die USA aufgrund internationaler Verträge (z.B. "Cybercrime-Konvention") Zugriffsrechte, wie die EU-Kommission kürzlich bestätigt hat.

Sollten die Pläne zur Vorratsdatenspeicherung umgesetzt werden, sind Missbräuche der Daten zu erwarten. Zahlreiche Beispiele in der Vergangenheit zeigen, dass sich der Missbrauch geheimer Überwachungsbefugnisse nicht verhindern lässt. Bekannt geworden ist etwa die Bespitzelung kritischer Journalisten und Aktivisten in Deutschland, politischer Gegenspieler in Frankreich sowie von Menschenrechts- und Umweltverbänden in Großbritannien und den USA. Auch die regierungsinterne und andere sicherheitsrelevante Kommunikation wäre nicht mehr vor unbefugtem Zugriff geschützt, wie der Abhörskandal in Griechenland vor drei Monaten gezeigt hat.

Der Jurist Patrick Breyer vom bundesweiten Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung erklärt dazu: "Die einzige Möglichkeit, um Missbräuche unserer Kommunikationsdaten im In- und Ausland effektiv zu verhindern, ist der Verzicht auf die verdachtslose Vorratsdatenspeicherung. Andernfalls werden sich regierungskritische Personen verstärkt auf Überwachung, Durchsuchungen, Befragungen und Grenzzurückweisungen einstellen müssen - mit entsprechenden Folgen für unsere demokratische Gesellschaft."

Bettina Winsemann (Twister) von der Datenschutzinitiative STOP1984 schließt sich der Einschätzung an: "Für eine freie und demokratische Gesellschaft ist eine Vorratsdatenspeicherung nicht vorstellbar. Datenvorräte, die, einmal angelegt, bei Bedarf abgesucht werden können, wecken hierzulande Assoziationen mit den Stasi-Akten der DDR. Für eine weitere Fortentwicklung des demokratischen Staates ist es wichtig, dass der Bürger sich frei und unbeobachtet in seiner Kommunikation fühlen kann. Eine verdachtslose Vorratsdatenspeicherung lähmt den demokratischen Prozess, da dessen wichtigster Bestandteil, der Bürger, unter Pauschalverdacht gestellt wird und elektronische "Akten" über den Bürger angelegt werden. Eine solche Beobachtung würde sich auf die Meinungsfreiheit und Willensbildung mehr als negativ auswirken."

Der Politikwissenschaftler Ralf Bendrath vom Netzwerk Neue Medien kritisiert die geplanten Auskunftspflichten an die Musikindustrie: "In den USA gerät die Regierung gerade unter Feuer, weil sie im Zuge der Terrorismusbekämpfung Millionen unverdächtiger Amerikaner bespitzelt. Hierzulande will die Bundesregierung das gleiche sogar privaten Unternehmen bei mutmaßlichen Bagatelldelikten erlauben. Dieses Vorhaben liegt jenseits aller legitimen Strafverfolgungsbedürfnisse und schädigt das Vertrauen der Verbraucher in das Internet nachhaltig."

Bürgerrechtler wie der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) haben bereits eine Verfassungsbeschwerde gegen die geplante Totalprotokollierung der Telekommunikation in Europa angekündigt.

 
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