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Volkszählung 2011: Verfassungsbeschwerde gegen Berliner Zensusausführungsgesetz (04.05.2011) Drucken E-Mail

 Sandra Müller vom AK Zensus in Berlin hat am letzten Freitag, den 29.04.2011 bei dem Berliner Verfassungsgerichtshof Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz zur Ausführung des Zensusgesetzes 2011 im Land Berlin (ZensAGBln) eingelegt[1]. Das Gesetz verstößt in seiner derzeitigen Form gegen das Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung. Die Verfassungsbeschwerde wird vom Arbeitskreis Zensus (AK Zensus) unterstützt. 

"Es gab mit Einführung der Steuer-ID eine 'Bereinigung' der Meldeamtsdaten. Es muss es also keine Volkszählung geben, denn die Daten sind bereits auf dem neuesten Stand", erklärt Müller zur eingelegten Verfassungsbeschwerde. "Zudem zeigen uns viele Studien, dass detaillierte und aussagekräftige Ergebnisse auch durch kleinteiligere Erhebungen erzielt werden können. Meine Forderungen an eine Volkszählung sind eine offene und ehrliche Informationspolitik, der Verzicht auf die Auskunftspflicht und eine Selbstbeschränkung der Behörden auf das unbedingt Notwendige, das heißt, dass auf sensible Daten verzichtet werden muss."

"Die diesjährige Volkszählung stellt einen wesentlichen Eingriff in die Grundrechte der gesamten Bevölkerung dar. In ihrem Rahmen werden sensible und persönliche Daten aus einer Vielzahl von Registern zusammengetragen, übermittelt und verarbeitet", ergänzt Rechtsanwalt Jörn Buhlke, der Sandra Müller vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof vertritt. "Damit ein solcher Eingriff in den engeren persönlichen Lebensbereich mit dem Grundgesetz vereinbar ist, muss eine ausreichend bestimmte und konkrete Ermächtigungsgrundlage vorhanden sein."

Eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die geplante Volkszählung existiert in Berlin aus den folgenden Gründen nicht:

  • Ausgestaltung, Arbeitsweise und Abschottung der Erhebungsstelle
Es fehlen Regelungen, die die Ausgestaltung, Arbeitsweise und Abschottung der Erhebungsstelle des Landes Berlin im Umgang mit den Daten bestimmen. Das Berliner Ausführungsgesetz (ZensAGBln) enthält keine Regelung, wer Zugriff auf die erhobenen Datensätze hat, wie der Zugriff beschränkt wird und wie die Daten vor Ausspähung und Missbrauch geschützt werden und wann sie übergeben bzw. gelöscht werden.
  • Trennung der Hilfsmerkmale von den Erhebungsmerkmalen und Löschung
Das Gesetz enthält keine konkrete Regelung, zu welchem Zeitpunkt die Hilfs- von den Erhebungsmerkmalen getrennt werden. Hilfsmerkmale sind personenbezogene Daten, die die befragten Personen identifizieren (z.B. Name und Anschrift). Laut dem Zensusgesetz 2011 sind die Hilfsmerkmale von den Erhebungsmerkmalen zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu trennen. Ein solcher Zeitpunkt wird im Berliner Ausführungsgesetz (ZensAGBln) nicht genannt.
  • Auswahl und Qualifikation der Erhebungsbeauftragten
Das Berliner Ausführungsgesetz (ZensAGBln) enthält keine Regelungen, die die Anforderungen an die Qualifikation und an das Auswahlverfahren der Erhebungsbeauftragten definieren. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, wie die Erhebungsstelle die Zuverlässigkeit und Verschlossenheit der Erhebungsbeauftragten in der Praxis gewährleisten will. Im Rahmen des Auswahlverfahrens der Erhebungsbeauftragten erfolgt noch nicht einmal eine Abfrage des Bundeszentralregisterauszuges. So kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich zum Beispiel Vorbestrafte oder polizeilich bekannte Rechtsradikale unter den Erhebungsbeauftragten befinden.
  • Sicherheit der Daten bis zur Übergabe an die Erhebungsstellen
Nach Auskunft des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg ist nicht vorgesehen, dass jeder Datensatz nach Beendigung der Befragung separat verpackt und versiegelt wird. Vielmehr sollen alle Datensätze, die ein Erhebungsbeauftragter sammelt, in einem einzigen offenen Umschlag gesammelt werden, der erst bei Abgabe an die Erhebungsstelle verschlossen wird. In der Praxis werden die Erhebungsbeauftragten die ausgefüllten Fragebögen also in einem unverschlossenen Umschlag zu Hause aufbewahren, bis sie alle etwa 100 zu führenden Interviews geführt haben. Dieses Vorgehen verstößt gegen die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil vom 15.12.1983 an das Verfahren zur Durchführung einer Volkszählung gestellt hat.

Die Verfassungsbeschwerde soll die zum Stichtag 9. Mai 2011 geplante Volkszählung in Berlin vorübergehend aussetzen und eine Überarbeitung des Gesetzes herbeiführen.

Über die Initiative “AK Zensus”:

Die Kampagne gegen die Volkszählung 2011 ist eine Initiative des Arbeitskreises Zensus, der unter dem Dach des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) gegründet wurde. Im Rahmen seiner Arbeit will der AK Zensus gegen das neue Gesetz zur Vollerfassung der Bevölkerung vorgehen und gleichzeitig datenschutzfreundlichere Lösungen entwickeln. Auf seiner Webseite www.zensus11.de informiert er über das Gesetz und die möglichen Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger. Die Initiative gegen die Volkszählung 2011 wird durch weitere Organisationen unterstützt, zum Beispiel durch den FoeBuD e.V., das “Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V.” (FIfF) und den Datenschutzraum e.V.

http://www.zensus11.de

Weitere Informationen:

Beschwerdeschrift vom 29.04.2011 im Volltext

 
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